Umfrage zu Schweiz und EuropaDie EU ist ein «bürokratischer Moloch» – trotzdem will das Volk verhandeln
Eine Befragung zeigt: Viele Schweizer haben «negative Gefühle» zur EU, man fürchtet den Souveränitätsverlust. Eine Mehrheit steht dennoch hinter dem bilateralen Weg.
- Eine Umfrage zeigt, dass die Schweizer Bevölkerung bezüglich der EU gespalten ist.
- Eine Mehrheit kritisiert die EU als bürokratisch, unterstützt aber die bilateralen Verträge.
- Der Bundesrat verhandelt zurzeit mit der EU, was 71 Prozent richtig finden.
- Die Studie deutet auf eine fehlende gemeinsame Perspektive hin.
Die Schweizerinnen und Schweizer sind von der Beziehung des Landes zur EU nicht begeistert – aber wenns hart auf hart geht, steht eine Mehrheit hinter den bilateralen Beziehungen zur Union. So lassen sich die Ergebnisse einer neuen Umfrage zusammenfassen, die SRF zum 25-Jahr-Jubiläum der bilateralen Verträge durchführen liess.
Die Befragung zeigt, dass die Bevölkerung gespalten ist, ob die Schweiz und die EU näher zueinander rücken sollen. 37 Prozent finden ja, 40 Prozent wollen im Gegenteil weiter weg von der EU – und 21 Prozent denken, es passe genau so, wie es heute ist. Auffällig ist, dass die Unterstützer der Wirtschaftspartei FDP in zwei fast gleich grosse Lager fallen: 35 Prozent wollen näher an die Union, 34 Prozent wollen weiter weg. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Mitte-Partei.
Woher kommt diese kritische Sichtweise? Eine überragende Mehrheit – 83 Prozent – sieht die EU als «bürokratischen Moloch», wie die Befragung zeigt. Das führt zu «negativen Gefühlen». 66 Prozent finden, die Union sei «nicht in der Lage, auf die grossen Herausforderungen richtig zu reagieren». Und eine knappe Mehrheit von 52 Prozent glaubt, die EU sei undemokratisch. In diesen Positionen spiegelt sich das Bild von Brüssel als Technokratengebilde, in dem Föderalismus und direkte Demokratie, wie sie in der Schweiz gelebt werden, wenig zählen.
Trotz dieser Kritik steht eine Mehrheit der Befragten hinter den bilateralen Verträgen, die das Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz regeln. 54 Prozent sehen Vorteile, nur 26 Prozent Nachteile, und für 19 Prozent herrscht eine Balance.
Interessant ist wiederum die FDP: 57 Prozent stützen den bilateralen Weg, 25 Prozent sind neutral, lediglich 17 Prozent sehen darin Nachteile. Auf Parteiebene sind einzig die Anhänger der SVP gegen das Vertragswerk, alle anderen sind mehrheitlich dafür. Am «bilateral-freundlichsten» ist die SP.
Im Rückblick auf die letzten 25 Jahre findet die überwiegende Mehrheit (81 Prozent), die Verträge hätten der Schweizer Wirtschaft den Zugang zum wichtigsten Exportmarkt gesichert. Auch habe man so den Bedarf an ausländischen Fachkräften decken können (69 Prozent). Gleichzeitig sieht eine deutliche Mehrheit (77 Prozent) einen Nachteil in der «starken Zunahme der Einwanderung von Ausländern». Hier zeigt sich gut das ambivalente Verhältnis der Bevölkerung zur Zuwanderung. Diese führe zu einer grossen Belastung für die Schweizer Sozialwerke, finden 62 Prozent.
«Es überwiegt eine pragmatische Perspektive»
Die Schweizerinnen und Schweizer haben also ein sehr zwiespältiges Bild vom Verhältnis zur EU, wie die Autorinnen um GFS-Politologin Martina Mousson schreiben: «Die Identifikation mit einem gemeinsamen europäischen Projekt ist in der Schweiz nicht so stark verankert wie in vielen EU-Ländern.» Es überwiege eine pragmatische Perspektive. Kern der Kritik am EU-Projekt sei der Verlust an nationaler Souveränität – da gehe es um kulturell tief verankerte Werte wie politische Selbstbestimmung und direkte Demokratie.
Aller Kritik zum Trotz: Eine klare Mehrheit befürwortet, dass der Bundesrat mit der EU über ein neues Vertragspaket verhandelt. 71 Prozent finden das richtig, 26 Prozent falsch, nur 3 Prozent sind unentschlossen. Selbst bei den SVP-Unterstützern befürworten 41 Prozent die Verhandlungen.
Gleichzeitig ist man uneins, was das Resultat der Verhandlungen sein soll. Die Autorinnen der Studie schreiben: «Unterschiedliche Wahrnehmungen deuten darauf hin, dass es an einer klaren Vision oder einem gemeinsamen Zukunftsbild fehlt, wie die Beziehung zur EU gestaltet werden soll.» Es sei der Politik bisher nicht gelungen, eine überzeugende Perspektive für die europäische Integration aufzuzeigen – oder für einen alternativen Weg.
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