Arbeitgeberchef zum EU-EntscheidGeschenke an Gewerkschaften? «Weiss nicht, ob der Tag kommen wird»
Nach dem Bundesratsentscheid zu Verhandlungen mit Brüssel: Roland Müller antwortet auf linke Lohnschutzforderungen. Und so reagieren die Schweizer Parteien.
Der Bundesrat erhält von vielen Parteien und Verbänden Applaus für seinen Entscheid, Verhandlungen mit der EU vorzubereiten – oft allerdings verbunden mit einem «Aber». Dieses ist bei den Gewerkschaften besonders ausgeprägt. Sie haben schon Anfang Woche lautstark beklagt, die Ergebnisse der bisherigen Gespräche seien inakzeptabel, der Lohnschutz sowie die Qualität des Service public nicht gewährleistet.
Die Arbeitgeber hingegen zeigen sich zuversichtlich, dass Wege gefunden werden, um Lohndumping zu verhindern. Im Vergleich zum Rahmenabkommen habe es in den Sondierungsgesprächen erhebliche Fortschritte gegeben, sagt Arbeitgeberdirektor Roland Müller. «Niemand will, dass der Lohnschutz sinkt», versichert er. Das Ziel sei, Schweizer Eigenheiten abzusichern und – wo das nicht möglich sei – innerstaatliche Lösungen zu finden, damit das Schutzniveau nicht sinke.
«Die Probleme sind überschaubar»
Anders als die Gewerkschaften versuchten die Arbeitgeber, mögliche Probleme gezielt anzugehen – nicht mit der Giesskanne. Die Gewerkschaften hätten ein Pfand in der Hand, weil man am Ende auf ihre Zustimmung angewiesen sei. Dass sie versuchten, dies auszunutzen, möge verständlich sein, sei aber nicht zielführend. «Wir könnten unsererseits das Momentum nutzen, um den Umfang der Kontrollen abzubauen. Das tun wir aber nicht», sagt Müller.
Konkret fordern die Gewerkschaften etwa Mindestlöhne für zusätzliche Branchen. Die Arbeitgeber stellen sich auf den Standpunkt, dass es in Branchen, in denen oft ausländische Arbeitnehmer in die Schweiz kommen – etwa Bau oder Gastro –, bereits Mindestlöhne gibt.
Wird es am Ende nicht doch nötig sein, den Gewerkschaften etwas anzubieten? Auf diese Frage sagt Müller: «Ich weiss nicht, ob und wann der Tag der Geschenke kommen wird.» Als Beispiel einer möglichen neuen gewerkschaftlichen Forderung nennt er einen 20-wöchigen Elternurlaub. Die Gewerkschaften sollten sich aber vor Augen halten, dass die Personenfreizügigkeit und geregelte Beziehungen zur EU auch im Interesse der Arbeitnehmenden seien.
«Wir wiederum müssen auch auf die Akzeptanz in unseren Reihen schauen», sagt Müller. Das Abwehrdispositiv gegen Lohndumping könne nicht so hoch geschraubt werden, dass 80 Prozent der Betriebe in der Schweiz unter Regeln litten, die wegen weniger Entsendebetriebe erlassen würden.
Aus Sicht der Arbeitgeber sind die zu lösenden Probleme «überschaubar». Die EU-Spesenregelung etwa werde auch von EU-Ländern wie Deutschland nicht eingehalten. Deshalb müsse in den Verhandlungen ein Entgegenkommen der EU möglich sein. Die kürzere Voranmeldefrist soll durch digitalisierte Prozesse möglich werden.
Die bisherigen Gespräche zwischen den Sozialpartnern hätten zu einem 16-seitigen Bericht mit Lösungsansätzen geführt, sagt Müller. Dessen Inhalt sei vertraulich. Er beinhalte aber beispielsweise auch Veränderungen bei der Anwendung von Gesamtarbeitsverträgen.
Verhandlungen mit der EU dürften nicht «blindlings in ein chancenloses Liberalisierungsprogramm führen».
Die SP wirft den Arbeitgebern eine «Blockadehaltung» vor. Die Verhandlungen dürften nicht «blindlings in ein chancenloses Liberalisierungsprogramm führen», schreibt sie in einer Mitteilung. Derweil richtet die FDP den Blockadevorwurf an die Gewerkschaften. Dass sie den bilateralen Weg «torpedieren» würden, sei verantwortungslos, damit setzten sie Arbeitsplätze aufs Spiel. Den Schritt zu Verhandlungen begrüssen die Freisinnigen. Allerdings schreiben sie auch, es müsse sichergestellt werden, dass die Schweizer Souveränität gewährleistet bleibe.
Von einem «längst überfälligen Schritt» sprechen die Grünen. Nun gelte es, die proeuropäischen Kräfte zu bündeln. Fundamentalopposition leistet einzig die SVP. Sie kritisiert, der Bundesrat wolle die Schweiz zu einer «Rechtskolonie der EU» machen. Zudem fordert sie, dass die Regierung das Papier mit den Resultaten der Sondierungsgespräche öffentlich macht.
Brüssel reagiert knapp
Die Mitte-Partei begrüsst, dass «endlich» wieder Bewegung ins Europa-Dossier kommt. «Ohne Konsens zwischen den Sozialpartnern wird auch die Bevölkerung nicht zu überzeugen sein», schreibt die Mitte.
Die EU quittierte den Entscheid des Bundesrats nur knapp. Sie werde das «Common Understanding», sprich das Dokument, das die Ergebnisse der bisherigen Gespräche zusammenfasst, in den nächsten Wochen diskutieren. Dann entscheide sie, ob sie Verhandlungen mit der Schweiz starten wolle.
Fehler gefunden?Jetzt melden.