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Schutz der Politikerin vor Hassbotschaften
Chantal Galladé wirft dem Kanton Doppelmoral vor

Vereidigung neuer Kantonsrat.
Chantal Gallade (GLP)
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Eigentlich wollte Chantal Galladé (GLP) mit einem Komitee von bürgerlichen Politikerinnen und Politikern in den ersten Tagen des neuen Jahres mit der Unterschriftensammlung für die Initiative «Ja zu Förderklassen» beginnen. Mit dem Volksbegehren wollen sie die Wiedereinführung von Kleinklassen für verhaltensauffällige oder leistungsschwache Kinder ermöglichen. 

Doch daraus wird vorerst nichts. Die kantonale Direktion der Justiz und des Inneren (JI) besteht darauf, dass alle Komiteemitglieder ihre Privatadressen im Amtsblatt bekannt geben. Dies sei vorgeschriebene und ständige Praxis, heisst es in einem Schreiben an die Initianten.

Für Chantal Galladé ist dies ein Problem, denn sie ist während ihrer Politlaufbahn wiederholt gestalkt und bedroht worden. Im Jahr 2007 wurde in Winterthur das Haus, in dem sie damals zur Miete wohnte, sogar mit Hassbotschaften verschmiert. Und per Post und E-Mail gingen schon Todesdrohungen gegen sie und ihre Kinder ein.

Datum: 16.10.07, Haus von Chantal Galladé versprayt Habsburgstrasse 33

Die Gefährdung der ehemaligen SP-Nationalrätin wurde von der Polizei schon als so ernsthaft eingestuft, dass sie zeitweise unter Polizeischutz gestellt war. Sowohl Kantonspolizei als auch das Fedpol hätten geraten, ihre Adresse nie öffentlich zu machen.

Doch in einem Schreiben aus dem alten Jahr verlangt die Justizdirektion, dass sie es trotzdem tut. Dies ist auch brisant, weil die Justizdirektion von einer ehemaligen Weggefährtin Galladés aus Winterthur geführt wird, von Regierungsrätin Jacqueline Fehr. 2014 war Galladé im Kampf um eine Regierungsratsnomination in der SP gegen Fehr angetreten und unterlegen.

«Falsch verstandene Transparenz»

Chantal Galladé, die heute im Zürcher Kantonsrat für die GLP politisiert, meint zur Forderung der JI: «So werden Menschen wie ich daran gehindert, ihre politischen Rechte wahrzunehmen.» Darüber hinaus stört sie aber auch die «Doppelmoral der Justizdirektion». Eben hat diese eine Anlaufstelle für Politikerinnen und Politiker eingerichtet, die bedroht oder belästigt werden, und eine grosse Umfrage unter ihnen lanciert.

Auslöser dafür waren Hasszuschriften an eine weitere Winterthurerin, an Sozialdemokratin Sarah Akanji, welche sie zum Rücktritt aus dem Kantonsrat bewegten.

Winterthur 27.09.2014
SP wählt ihre Regierungsratskandidatin. Bilder von der Delegiertenversammlung in der Reithalle.
Chantal Galladé gratuliert Jacqueline Fehr  zu ihrer Nomination
Bild: Patrick Gutenberg

Gewalt gegen Frauen sei zudem ein Legislaturschwerpunkt von Jacqueline Fehr, sagt Galladé weiter und meint: «Aber bedrohte Politikerinnen werden mit einer falsch verstandenen Transparenz-Regelung ihren Feinden und anonymen Drohern ausgeliefert.»

Inzwischen hat Galladé mit einem Brief an die zuständige Stelle in der JI interveniert. Sie müsse sich aus dem Initiativkomitee zurückziehen, wenn die Behörde an ihren Vorgaben festhalte, schrieb sie kurz vor Weihnachten.

Ausnahme ist möglich

Noch gleichentags reagierte die Justizdirektion und wies Galladé auf eine Spezialregelung hin. Wenn sie ein Bestätigungsschreiben von Fedpol oder Kantonspolizei einreiche, welches ihre Gefährdung bestätige, könne ausnahmsweise eine Postfach- oder Geschäftsadresse akzeptiert werden, heisst es im Antwortschreiben, das dieser Redaktion vorliegt.

Wie Galladé am Dienstag mitteilte, hat ihr das Fedpol eine entsprechende Bestätigung bereits zugesandt.

Anlehnung an die Praxis des Bundes

Die Justizdirektion bestätigt den Sachverhalt auf Anfrage. Sie begründet diese langjährige Praxis des Kantons Zürich mit dem Grundsatz der Transparenz: «Die Stimmberechtigten sollen sich ein Bild machen können, wie ein Initiativkomitee personell, politisch und geografisch zusammengesetzt ist.»

Es werde dabei kein Unterschied gemacht zwischen gewöhnlichen Stimmberechtigten und bekannten Personen aus der Politik. Die Justizdirektion bestätigt auch die Ausnahmeregelung für konkret gefährdete Personen.

Die kantonale Praxis stimme mit derjenigen des Bundes überein. Die Justizdirektion sieht darin keinen Widerspruch zu den Bemühungen, Hassreden gegen Politiker zu reduzieren oder zu verhindern. Bei der Umfrage werde lediglich ermittelt, wie stark Zürcher Politikerinnen und Politiker vom Problem betroffen seien.

Inzwischen hat die JI das Schreiben des Fedpols erhalten und Galladé am Dienstagabend mitgeteilt, sie mache bei ihr eine Ausnahme.

Galladé will «Missstand» beheben

Gleichwohl will Galladé nun politisch aktiv werden, um «diesen Missstand» zu beheben.  Zusammen mit FDP-Kantonsrat Marc Bourgeois, der ebenfalls im Initiativkomitee ist und seine Privatadresse veröffentlichen muss, entwirft sie gegenwärtig einen Vorstoss.

Künftig soll niemand mehr die private Adresse angeben müssen, wenn er oder sie eine Volksinitiative einreiche. Wer für ein Amt kandidiere, müsse dies schliesslich auch nicht tun.

Demnächst wollen Galladé und Bourgeois das Postulat ihren Fraktionen vorlegen und dann auch bei weiteren Parteien im Kantonsrat um Unterstützung dafür werben.