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Traurige Bilanz in Übersee
Schusswaffen häufigste Todesursache bei jungen Menschen in den USA

Mütter und Väter haben genug von den Massakern an Schulen: Frauen und Männer protestieren vor dem Capitol in Washington gegen die lockeren Waffengesetze in den USA.
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Schusswaffen haben Autounfälle als häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen in den USA abgelöst. Offiziellen Daten der Gesundheitsbehörde CDC aus dem Jahr 2020 zufolge starben insgesamt 4368 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahren durch Schusswaffen. Im Vergleich dazu gab es 4036 Todesfälle im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen – der bisher häufigsten Todesursache in dieser Altersgruppe.

Die Zahl der getöteten Kinder und Jugendlichen durch Schusswaffen entspricht einer Rate von 5,4 pro 100’000. Fast zwei Drittel dieser Todesfälle waren Tötungsdelikte.

Dass Todesfälle mit Fahrzeugen an der Spitze abgelöst wurden, liegt wohl auch daran, dass sich die Massnahmen zur Verkehrssicherheit im Laufe der Jahrzehnte verbessert haben. Unterdessen wurden Waffengesetze eher gelockert. Die Trendlinien kreuzen sich im Jahr 2020 – jüngere Daten liegen noch nicht vor.

Die Zahlen waren vergangene Woche in einem Schreiben an das Fachmagazin «New England Journal of Medicine» veröffentlicht worden. In dieser Woche erst wurden 19 Kinder bei einem Schulmassaker in Texas getötet.

Die Autoren des Schreibens an das Fachmagazin stellten fest, dass die neuen Daten zusammen mit anderen Belegen übereinstimmen, wonach Waffengewalt während der Corona-Pandemie aus nicht eindeutigen Gründen zugenommen hat. Es könne allerdings «nicht davon ausgegangen werden, dass sie später wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückgeht».

Auch eine Frage der Hautfarbe

Bei den meisten Todesfällen durch Schusswaffengebrauch handelt es sich um Suizide. Schulmassaker wie im texanischen Uvalde machen nur einen kleinen Teil der Todesfälle durch Schusswaffen im Kindesalter aus. Bei Jungen war die Wahrscheinlichkeit, durch eine Waffe zu sterben, sechsmal höher als bei Mädchen.

Die Todesfälle betreffen überproportional oft schwarze Kinder und Jugendliche, die mehr als viermal so häufig sterben wie weisse Kinder. Für diese stellen immer noch Fahrzeuge eine grössere Bedrohung dar. Nach Regionen aufgeschlüsselt, war die Todesrate durch Schusswaffen in der Hauptstadt Washington am höchsten, gefolgt vom Bundesstaat Louisiana und Alaska.

Wissenschaft soll aktiver werden

Holden Thorp, Chefredakteur der führenden Fachzeitschrift «Science», forderte in einem Leitartikel vom Donnerstag mehr Forschung über die Auswirkungen des Waffenbesitzes auf die öffentliche Gesundheit, um eine Änderung der Politik zu erreichen. «Wissenschaftler sollten nicht tatenlos zusehen, wie andere diese Sache ausfechten», schrieb er.

«Mehr Forschung über die Auswirkungen des Waffenbesitzes auf die öffentliche Gesundheit wird weitere Beweise für die tödlichen Folgen liefern», fuhr er fort. Thorp argumentierte, dass schwere psychische Erkrankungen, die oft für Schusswaffenangriffe in den USA verantwortlich gemacht werden, in anderen Ländern, in denen es nicht regelmässig zu Amokläufen kommt, ähnlich häufig vorkommen.

Das alte Gesetz und die starke Waffenlobby

Das Recht auf Waffenbesitz ist in der US-Verfassung verankert. Diesen zweiten Verfassungszusatz aus dem 18. Jahrhundert wagt niemand anzutasten. Er war zwar für eine Zeit gemacht, in der die USA grossenteils aus unerschlossener Wildnis bestanden und ihre Bürgerinnen und Bürger weit entfernt von Ortschaften lebten. Maschinenpistolen und Sturmgewehre gab es da noch nicht. Aber das Recht für jeden, eine Waffe zu haben, ist geblieben. Vielen Amerikanern ist es heilig.

Bemühungen um schärfere Waffengesetze laufen seit Jahren ins Leere – vor allem, weil die Republikaner dagegen sind. Und weil die Waffenlobby, allen voran die National Rifle Association (NRA), vehement jeden Versuch bekämpft, Waffenbesitz stärker zu regulieren.

Die Tagung in Houston 

Die NRA ist eine der mächtigsten Lobbygruppen der USA. Die Zahl der Mitglieder geht in die Millionen. Sie hat enormen Einfluss auf die Politik. Die NRA pumpt grosse Summen in Wahlkämpfe und benotet etwa Abgeordnete mit Blick auf deren Haltung zu Waffen-Themen – quasi als Handreichung an ihre Mitglieder, wen diese wählen sollten und wen nicht. Die NRA hat schon politische Karrieren beendet. Manche Politiker haben regelrecht Angst vor der Organisation.

US-Präsident Joe Biden sagte nach dem Massaker von Texas: «Als Nation müssen wir uns fragen, wann in Gottes Namen wir der Waffenlobby die Stirn bieten werden.» Eine Mehrheit dafür gibt es im Kongress nicht.

Ab diesem Freitag wollte die NRA in Texas zu ihrer Jahrestagung zusammenkommen. Trump und andere prominente Republikaner standen auf der Rednerliste in Houston, rund 450 Kilometer von Uvalde entfernt. Der Amoklauf veranlasste die NRA nicht zu einer Planänderung, auch Trump nicht. Der Republikaner hat nie einen Hehl daraus gemacht, auf welcher Seite er steht (»Ich liebe die NRA.»). Ausgerechnet bei der NRA-Tagung wurde vorab ein Waffenverbot während der Trump-Rede erlassen – auf Anweisung der Sicherheitsleute des Ex-Präsidenten.

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AFP/SDA/fal