Interimspräsident des Amtes enthobenSüdkorea blamiert sich nach Kräften
Den putschenden Präsidenten Yoon hat das Parlament zu Recht vom Hof gejagt. Nun hat es auch den Interimspräsidenten erwischt. So sieht das aus, wenn zwei unversöhnliche Lager am Werk sind.
Als Privatmann findet Han Duck-soo es möglicherweise gar nicht so schlimm, dass er vorerst nicht mehr der Interimspräsident Südkoreas sein soll. Die starke Opposition im Parlament hat ihn am Freitag einstimmig suspendiert, nachdem er vor zwei Wochen erst wegen der Amtsenthebung des eigentlichen Präsidenten Yoon Suk-yeol an dessen Stelle gerückt war.
Han ist 75 Jahre alt. Er hat eine lange Karriere als Spitzenbürokrat für liberale und konservative Regierungen hinter sich. Er gilt als Charakter mit ausgleichender Vernunft. Aber damit kommt er nicht weiter im Gerangel der Parteien. Warum also am Amt hängen? Warum Zeit verschwenden mit einem politischen Tauziehen, bei dem sich fast nichts bewegt?
Das Chaos wird noch grösser
Aber als treuer Staatsdiener kann Han Duck-soo diese Amtsenthebung nicht gut finden. Denn sie macht das Chaos in Südkoreas Politik noch grösser, als es ohnehin schon ist. Der demokratische Süden der koreanischen Halbinsel macht seit Wochen einen verheerenden Eindruck. Erst rief Präsident Yoon am 3. Dezember mitten im Frieden das Kriegsrecht aus, weil er offensichtlich die Opposition lahmlegen wollte. Dann, als das Parlament den Putschversuch mit knapper Not abgewehrt hatte, boykottierten die Konservativen Yoons Amtsenthebung. Und jetzt, da Yoon endlich suspendiert ist, setzt die grösste Oppositionspartei, die liberale DP, auch den Interimspräsidenten ab, weil dieser nicht tut, was sie will.
Was geht da vor in den politischen Köpfen Südkoreas? Was sollen die freiheitlichen Staaten der Welt denken, die Südkorea als verlässlichen asiatischen Partner in einer Region mit den bedrohlichen Nachbarn China und Nordkorea sehen wollen?
Südkorea ist erst seit 1987 eine einigermassen stabile Demokratie. Anhaltende Proteste bewegten den autoritären Präsidenten Chun Doo-hwan damals zu Reformen. Aber seither prägen zwei unversöhnliche Lager die politische Landschaft: die Konservativen, die so etwas wie die antikommunistische, streng proamerikanische Nachfolgebewegung der alten Machtcliquen sind. Und die liberalen, eher USA-kritischen Freiheitskämpfer von einst, die kompromissbereiter sind bei der Annäherung an Nordkorea. Lösungsorientierte Debatten bringen diese Lager fast nicht zustande.
Unter Präsident Yoon wurde der Graben noch tiefer. Denn Yoon ist ein früherer Staatsanwalt. Dass die Staatsanwaltschaft zu viel Macht hat, ist ein alter, berechtigter Vorwurf der Liberalen, den Yoon natürlich falsch findet. Sein Putschversuch vom 3. Dezember war die Eskalation dieses innenpolitischen Krieges.
Die Abgeordneten müssen endlich ihre Egos einfangen
Yoons extreme Aktion hätte eine Mahnung zum Besseren sein können. Sie hätte beiden Lagern zeigen können, dass aus ihrem Krieg ein konstruktiver Streit werden muss, wenn sie die heimische Demokratie retten wollen. Aber das gelingt nicht. In der konservativen PPP sitzen zu viele unbelehrbare Yoon-Anhänger. Und die DP macht auch keine Kompromisse. Sie hat seit Mai 2022 so viele Verfahren gegen verschiedene Amtsinhaber eingeleitet, als wäre Amtsentheben ein Sport. Interimspräsident Han wiederum hat nicht vermitteln können. Seine jüngsten Entscheidungen waren einseitig gegen die DP. Prompt tat sie wieder das, was sie eben kann.
Diese Amtsenthebung bringt nichts ausser noch mehr Unsicherheit. Südkoreas Parlamentarier müssen ihre Egos einfangen und gemeinsam diese Krise überwinden, die eine Blamage für die Idee eines demokratischen Südkoreas ist. In Nordkorea amüsiert sich wahrscheinlich gerade Machthaber Kim Jong-un. In seinem autoritären Reich gibt es so ein Chaos nicht.
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