Schon früher ernteten Gymi-Neubauten Kritik
Eine Schülerdemo spielte eine entscheidende Rolle, dass die Rämibühl-Schulen in den 1960er-Jahren gebaut wurden.
Die Planung einer neuen Kantonsschule, von Wohnungen und Gewerbeliegenschaften im Au-Park von Wädenswil wird intensiv diskutiert und teils heftig kritisiert. Anwohner bezeichnen das Projekt als «zu viel des Guten». Es sei zu verdichtet geplant und passe nicht in die Landschaft.
Eine Kritik, die nicht neu ist – wie ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt: Genau so argumentierten vor 50 Jahren schon Projektgegner beim Neubau der Kantonsschule Rämibühl in Zürich. Damals hiess es: «Ein falsches Projekt am falschen Platz.» Heute stört sich in Zürich aber kaum mehr jemand am markanten Bau.
Ende der 50er-Jahre stiegen die Schülerzahlen an Gymnasien – wie heute – drastisch an. Deshalb wurden neue Gymis geplant. 1959 startete ein Planungswettbewerb für den Umbau des Rämibühl-Areals zwischen dem Kunsthaus und dem Universitätsquartier unter der Voraussetzung, Natur und Architektur harmonisch und ästhetisch miteinander zu verbinden. Das Siegerprojekt des Architekten Eduard Neuenschwander wurde stark kritisiert, nicht zuletzt wegen des von Gegnern als ungünstig bezeichneten Standorts. Das Villenquartier und die historisch gewachsene Parklandschaft des Zürichbergs würden bei der Bebauung zerstört. Andere Kritiker des Rämibühl-Projekts fanden dagegen, dass das Gebiet für die Universität Zürich reserviert bleiben sollte. Deshalb wurden alternative Standorte wie das Seefeld- oder das Lettenquartier vorgeschlagen.
Anwohner profitieren
Ottavio Clavuot, Lehrer am Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasium Rämibühl (MNG), hat die Geschichte des Neubauprojekts in einer Broschüre aufgearbeitet. Er kann der damaligen Kritik der Anwohner wenig abgewinnen: «Man muss beachten, dass gerade die Anwohner von der Parkanlage profitierten. Die Parkanlage bietet einen guten Freizeit- und Erholungsort, und rund um das Schulareal profitierte das lokale Gewerbe», erklärt er.
Ebenso viel wurde über die Kosten diskutiert. Das Vorhaben sei mit 67 Millionen Franken, verglichen mit dem Neubau des Gymnasiums Freudenberg, welcher 26 Millionen beanspruchte, zu teuer. Um den Sparbemühungen gerecht zu werden, wurde das tragende Betongerüst – also Decken, Träger, Pfeiler – nicht verputzt. Vielmehr nutzte der Architekt den Sichtbeton als gestalterisches Element. «Die negative Bewertung der Ästhetik ist paradox, weil man zuerst die Kosten und dann die Sparbemühungen bemängelte», erörtert Clavuot.
Knappe Mehrheit für Gymi
Der Kredit für die neue Kantonsschule wurde vom Kantonsrat mit knapper Mehrheit beschlossen. Als Folge gründete die Gegnerschaft noch vor den Volksabstimmungen ein Referendumskomitee, welches aus Einwohnern der Landgemeinden sowie von Vertretern aus der Unilandschaft entstand. Gegen Schluss schlossen sich auch Anwohner, welche sich für den Heimatschutz und die Denkmalpflege der alten Villen einsetzten, dem Referendum an.
Die Befürworter bildeten ein Aktionskomitee, wobei sie versuchten, möglichst viele Parteien und Gewerkschaften für sich zu gewinnen. Das Aktionskomitee bestand vor allem aus den Schulleitungen des Real- und Literargymnasiums und der Oberrealschule sowie der Schülerschaft. Sie warben mit Vorträgen, Diskussionen, Plakaten und Flyern im Abstimmungskampf. Die Schüler der Oberrealschule (OR, heute MNG) organisierten einen gut durchdachten Schülerzug kurz vor der Abstimmung. Die Demonstration war diszipliniert und wurde sogar im Fernsehen gezeigt, und so gewann das Neubauprojekt viel Sympathie. Auf diese Weise konnten die Stimmbürger knapp vom Neubau überzeugt werden. 1971 konnte das neu gebaute Schulareal bezogen werden.
Auf dem Rämibühl-Areal wird laut Ottavio Clavuot Architekt Neuenschwanders Vorstellung von Moderne einheitlich mit der Natur verbunden. Es sei ein Zeugnis des wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs der Schweiz seit dem 19. Jahrhundert und der städtebaulichen Entwicklung Zürichs. Clavuot meint dazu: «Die Kantonsschule Rämibühl ist die Inszenierung des liberalen Bildungsgedankens und ein Ausdruck der damaligen Bildungspolitik.»
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