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Corona-Not in Deutschland
Scholz’ Koalition gerät unter die vierte Welle

Zur Pandemie schwieg er bisher fast nur: Der wahrscheinlich nächste deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD).
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Was eine Woche oder zwei in einer Pandemie für einen Unterschied machen können. Vor kurzem, die Entwicklung hin zu einer mächtigen vierten Welle war längst unverkennbar, planten die künftigen deutschen Regierungsparteien noch die grosse Entwarnung. Sozialdemokraten, Grüne und Liberale wollten Ende November die «epidemische Notlage nationaler Tragweite» aufheben, die Regierungen in Bund und Bundesländern bisher weitreichende Sonderrechte einräumte. Mit der pauschalen Schliessung von Restaurants, Theatern, Hotels, Schulen oder Kitas sollte es ein für alle Mal ein Ende haben.

Die FDP bejubelte den Plan euphorisch: «Ein grosses Ziel der FDP für Freiheit, Bürgerrechte und Gewaltentrennung rückt näher», freute sich der Spitzenpolitiker Marco Buschmann. Andere Liberale sprachen vom 25. November, dem Enddatum der «Notlage», als einem «kleinen Freedom Day», ab dem die schädlichsten Schutzmassnahmen eingestellt würden. Im geplanten neuen Gesetz war auch bereits festgeschrieben, dass ab dem 20. März 2022 überhaupt keine Einschränkungen mehr erlaubt sein sollten – nicht einmal mehr die Pflicht, eine Maske zu tragen.

Möchte auch in der Pandemie lieber auf Einschränkungen der Freiheit verzichten: FDP-Chef Christian Lindner. 

Die FDP legte auch Wert auf die Feststellung, dass in diesen Wintermonaten Ungeimpfte «auf keinen Fall» schlechter gestellt werden dürften als Geimpfte, wie Parteivize Wolfgang Kubicki sagte. FDP-Chef Christian Lindner verstieg sich noch vor wenigen Tagen in den «Tagesthemen» der ARD zur Behauptung, seine Partei wehre sich gegen alle Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, etwa für Ungeimpfte, da deren Wirkungslosigkeit wissenschaftlich belegt sei. Als ihm Wissenschaftlerinnen und Politiker heftig widersprachen, bedauerte er seine Aussage und nahm sie zurück.

Vom Sozialdemokraten Olaf Scholz, der Anfang Dezember zum Kanzler gewählt werden möchte, war inmitten sprunghaft steigender Infektionszahlen über viele Tage kein öffentliches Wort zur Pandemie und ihrer Bekämpfung zu hören. Und Angela Merkel, die scheidende Kanzlerin, mahnte zwar neue Massnahmen an, wollte aber nicht mehr ihr ganzes politisches Gewicht dafür einsetzen.

In der Zwischenzeit stellt sich die epidemische Lage längst wieder dramatisch dar, die vierte Welle übertrifft die vorangegangenen bereits bei weitem. Letzte Woche wurden an einem Tag mehr als 50'000 neue Infektionen gemeldet, die 7-Tage-Inzidenz ist erstmals seit Beginn der Pandemie deutschlandweit über 300 gestiegen. An manchen Tagen werden bereits wieder über 250 Covid-Todesfälle gemeldet.

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Am schlimmsten ist es in Bayern, Thüringen und Sachsen, wo die Inzidenzen teilweise über 1000 liegen, allerdings mit grossen Unterschieden: In Sachsen, wo deutschlandweit am wenigsten Menschen geimpft sind, lag die Inzidenz unter Ungeimpften zuletzt bei 1718 – unter Geimpften bei 62. In vielen Spitälern werden angesichts der vielen ungeimpften Covid-Kranken die Intensivbetten knapp. Selbst in der reichen Millionenstadt München telefonieren Intensivmediziner bereits wieder stundenlang, um einen Hirnschlag- oder Herzinfarktpatienten noch irgendwo unterzubringen.

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Angesichts der Lage dachten schliesslich auch die künftigen Ampel-Koalitionäre um. SPD und Grüne rebellierten gegen die FDP und zwangen Scholz, die Krise zur Chefsache zu machen. Statt den Koalitionsvertrag fertig zu verhandeln, stritten Scholz, Lindner sowie die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck zuletzt tagelang um das künftige Corona-Management.

In Windeseile schärften sie das geplante Gesetz nach, das nach Auslaufen der «epidemischen Notlage» gelten soll, und überschritten dabei viele Linien, die die FDP vor kurzem noch rot angemalt hatte. In Deutschland stehen spätestens ab nächster Woche an vielen Orten Freizeitaktivitäten nur noch Geimpften und Genesenen offen (2-G-Regel), während im öffentlichen Verkehr und am Arbeitsplatz erstmals überhaupt flächendeckend 3-G gilt (bzw. eine Homeoffice-Pflicht). Grüne und SPD wollen überdies bestimmte Berufe gesetzlich zum Impfen verpflichten, konnten sich damit aber gegen die FDP vorerst nicht durchsetzen.

Schulen schliessen verboten

Den Bundesländern wird es – anders, als die FDP schwor – weiterhin erlaubt sein, aus dringenden epidemischen Gründen Kultur- und Sportveranstaltungen abzusagen. Alkoholverbote im öffentlichen Raum sind ebenso weiter gestattet wie Besuchsverbote in Heimen oder Spitälern. Nicht mehr erlaubt ist es aber künftig, Restaurants oder Hotels, Schulen oder Kitas pauschal zu schliessen. Auch Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte sind verboten. Deutschland geht also vorerst nur bis an die Grenze zu einem «Lockdown für Ungeimpfte», nicht wie Österreich darüber hinaus.

Das neue Infektionsschutzgesetz soll am Donnerstag vom Bundestag verabschiedet werden, am Freitag dann vom Bundesrat, der Länderkammer. Am Donnerstag trifft sich Merkel zudem noch einmal mit den 16 Bundesländern, um zu sehen, auf wie viele deutschlandweit einheitliche Regeln man sich einigen will oder kann.

Die «epidemische Notlage» beenden die Ampel-Parteien auf jeden Fall – reale Notlage hin oder her. Nicht nur die FDP, auch die Grünen hatten sich bereits im Sommer so sehr darauf festgelegt, dass ein Rückzieher zum jetzigen Zeitpunkt sie das Gesicht hätte verlieren lassen. Immerhin: Von einem Ende aller Massnahmen im kommenden März ist im neuen Gesetz nicht mehr die Rede.