AboScholz’ Turbine für Putins Gas-PipelineDie Geschichte von Olaf dem Kümmerer
Was tut ein Kanzler um dem Volk zu beweisen, dass er sich ums Wichtigste kümmert? Genau, er inszeniert sich – zum Beispiel als Turbinen-Kanzler. Mit einigem Unterton.
Olaf Scholz hat sich warmgeredet in Halle 81 von Siemens Energy in Mülheim bei Duisburg. Seit einer halben Stunde spricht Deutschlands Regierungschef nun schon, ab und an blickt er kurz nach rechts auf das stählerne Ungetüm, das Hausherr Christian Bruch, der Chef dieser Firma, bei der Begrüssung des hohen Besuchers aus Berlin «das Objekt der Begierde» genannt hat: 18,5 Tonnen geballte Hightech, mit deutlich über drei Metern Höhe ist die riesige Turbine mehr als doppelt so gross wie der Kanzler.
Scholz kommt allmählich zum Schluss, er weiss: höchste Zeit für Klartext. Seine rechte Hand zuckt nach rechts zum blanken Stahl. Als sei die Turbine in der Werkshalle für ihn der Elefant im Raum – also der unwiderlegbare Beweis für seine Wahrheit. Und für Moskaus Lügen: «Es ist offensichtlich, dass nichts, wirklich gar nichts dem Weitertransport dieser Turbine und ihrem Einbau in Russland entgegensteht», sagt Scholz, «sie kann jederzeit transportiert und genutzt werden.» Wenn Russland dennoch seine Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 reduziere und seine Lieferverträge nicht erfülle – dann gebe es dafür «keinerlei technische Gründe». Sondern nur politische, aber das sagt Scholz so nicht.
Scholz, der Mann der Zeitenwende, inszeniert sich an diesem Mittwoch als Turbinen-Kanzler. Er will nach vorn. Und er will weg von dem Eindruck, seine Regierung tue zu wenig, um Land und Bürger zu schützen vor einem eiskalten Winter ohne Gasheizung und Warmwasser. Seine Aussenministerin Annalena Baerbock hat neulich ja eingeräumt, in einem Telefonat mit ihrer kanadischen Amtskollegin für diesen Fall sogar vor «Volksaufständen» in Deutschland gewarnt zu haben. Deshalb Scholz' kurzfristige Reise mitten ins Ruhrgebiet, deshalb diese Inszenierung mitten im Hochsommer: Die Turbine ist da, Putin könne sie jederzeit haben: «Es muss nur jemand sagen: Ich möchte sie haben. Dann ist sie ganz schnell da.»
Seit dem 18. Juli steht die technische Lösung aller Gas-Lieferprobleme bereits in Halle 81. Das Wunderwerk sieht aus wie ein Flugzeugtriebwerk, und tatsächlich sprechen Ingenieure von einer «aero-derivativen Turbine», also von Technik, die aus der Luftfahrt abgeleitet ist. Zuvor war die Turbine in Kanada gewartet worden und dann von Montreal über Köln zurück nach Deutschland geflogen worden – trotz aller westlichen Sanktionen. Bis Mittwoch war man bei Siemens in Mülheim ein wenig stolz darauf gewesen, dass der Lagerort dieses «beeindruckenden Stücks Technik» (Olaf Scholz) geheim geblieben war. Nun schaut die ganze Welt darauf.