Kanzler-Besuch in PekingScholz: «Ein ‹business as usual› ist nicht möglich»
Der deutsche Kanzler hat China als erster westlicher Staatsgast seit Beginn der Pandemie besucht. Vorab kündigte er einen neuen China-Kurs an – und will auch über Differenzen sprechen.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz ist zum Auftakt seines Besuchs in Peking vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping empfangen worden. Bei dem Treffen mit dem Staats- und Parteichef wolle er über Möglichkeiten beraten, wie die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und China «weiterentwickelt» werden könnten, sagte Scholz zu Beginn der Unterredung am Freitag. Darüber hinaus wolle er aber auch solche Themen ansprechen, «in denen wir unterschiedliche Perspektiven verfolgen», sagte der Kanzler – «das ist das Ziel eines Austausches», fügte er hinzu.
Chinas Präsident Xi sagte bei dem Treffen, der Besuch des Kanzlers werde «die praktische Zusammenarbeit» vertiefen, wie chinesische Staatsmedien berichteten. Die Visite werde zur «Vertrauensbildung» und zur Weiterentwicklung der deutsch-chinesischen Beziehungen «in der nächsten Phase» beitragen. Beide Seiten sollten die Grundsätze des gegenseitigen Respekts und der Suche nach Gemeinsamkeiten beachten sowie Differenzen aussen vor lassen.
Aktuell ist das Verhältnis Deutschlands zu China allerdings von erheblichen Differenzen geprägt. Sorge bereiten der Bundesregierung etwa die chinesische Unterstützung Russlands trotz des Ukraine-Kriegs, die Drohungen Pekings mit militärischer Gewalt gegen Taiwan, die Lage der Menschenrechte sowie Markt- und Handelshemmnisse für westliche Unternehmen.
Xi Jinping will Beiträge zu Frieden leisten
Bereits vor der Abreise hatte Scholz eine Neujustierung der deutschen China-Politik angekündigt. Ein «business as usual» sei nicht möglich, weil sich die Politik der Volksrepublik in den vergangenen Jahren verändert habe und konfrontativer geworden sei. Bei der Begegnung mit Xi in der Pekinger Grossen Halle des Volkes betonte Scholz die Wichtigkeit des persönlichen Austausches auch mit der chinesischen Führung. Es sei «gut, dass wir einen ganz intensiven Austausch haben werden über alle Fragen» sagte er.
Dies gelte insbesondere, da sein Besuch in eine Zeit falle, «die «von grossen Spannungen geprägt ist ganz besonders durch den russischen Krieg gegen die Ukraine», sagte Scholz. Ansprechen wolle er zudem Themen wie die globale Nahrungsmittelkrise, den Klimawandel und die Überschuldung vieler Staaten.
Wie Xi Jinping nach einem Bericht des chinesischen Staatsfernsehens sagte, sei die internationale Lage «komplex und wechselhaft». China und Deutschland sollten als einflussreiche Länder zusammenarbeiten und «in Zeiten von Veränderung und Chaos» mehr Beiträge zu Frieden und Entwicklung leisten.
Scholz darf sich nur in einer «Blase» bewegen
Der Besuch des Kanzlers ist in mehrerlei Hinsicht besonders. Er findet unter den in China gültigen scharfen Corona-Restriktionen statt. Nach der Landung in Peking musste sich der Kanzler einem PCR-Test unter Aufsicht der chinesischen Gesundheitsbehörden unterziehen – er fiel nach deutschen Regierungsangaben negativ aus.
Xi Jinping begrüsste den Kanzler zwar ohne Maske, aber nicht mit Handschlag. Die beiden sassen sich an zwei langen Tischen mit Abstand gegenüber. Scholz und seine Delegation können sich nur in einer hermetisch abgeriegelten «Blase» bewegen. Die Visite ist mit elf Stunden so kurz wie keine China-Reise zuvor. Aus Pandemieschutzgründen wurde auf eine Übernachtung in China verzichtet.
Zudem ist Scholz der erste westliche Staatsgast seit Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Jahren, der in dem abgeschotteten Land empfangen wurde. Er ist damit auch der erste Regierungschef aus dem Westen, der den chinesischen Präsidenten Xi trifft, seit dieser vor zwei Wochen auf dem Parteitag der chinesischen Kommunistischen Partei seine Alleinherrschaft festigte.
Besuch wird von vielen Seiten kritisiert
Kritik von vielen Seiten begleitet den Kanzler auf seiner Reise. Die Koalitionspartner Grüne und FDP verlangen von ihm ein klares Eintreten für die Menschenrechte. Diese Forderung kommt auch von Menschenrechtsgruppierungen und Dissidenten, die der Volksrepublik schwerste Vergehen etwa in der von den muslimischen Uiguren bewohnten Provinz Xinjiang vorwerfen.
Bemängelt wurde auch der Zeitpunkt der Reise so kurz nach dem Parteitag, auf dem die Kommunistische Partei ihren von massiver staatlicher Repression flankierten Machtanspruch in der Volksrepublik noch einmal mit Nachdruck bekräftigte.
Zugleich hat China als wichtigster Handelspartner Deutschlands eine wirtschaftlich wichtige Stellung. Der Kanzler wird von einer Wirtschaftsdelegation begleitet, mit dabei sind unter anderem die Chefs von VW, BMW, BASF, Adidas, Biontech und Deutscher Bank. Die deutsche Wirtschaft will ihre lukrativen Geschäfte mit der Volksrepublik fortsetzen – zugleich wachsen die Sorgen vor einer zu grossen Abhängigkeit Deutschlands von China.
Angesichts dieser Spannungsfelder gilt der Besuch in Peking auch als diplomatische Bewährungsprobe für den Kanzler. Konkret erhofft sich Berlin etwa, dass China mässigend auf seinen Partner Russland und dessen Kriegsführung in der Ukraine einwirkt – insbesondere angesichts der jüngsten nuklearen Rhetorik aus Moskau.
SDA/AFP/lif
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