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Tragödie am Escher-Wyss-Platz
«Unglaublicher Schmerz»: Mutter des in Zürich tödlich verunfallten Buben erzählt erstmals

Unfall- und Trauerstelle Escherwyssplatz.
19.12.2023
(Tages-Anzeiger/Urs Jaudas)
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«Ich habe nur geschrien. Sehr, sehr, sehr lange geschrien», antwortet Susanne Schmetkamp in der SRF-Sendung «Sternstunde der Nacht» auf die Frage des Moderators, wie sie auf die Nachricht zum Tod ihres kleinen Sohnes reagiert habe.

Tony, noch nicht mal sechs Jahre alt, wurde kurz vor Weihnachten 2022 auf dem Weg in den Kindergarten auf dem Escher-Wyss-Platz von einem Lastwagen erfasst und verstarb. Ein Unfall, der die Stadt erschütterte – und die Mutter fast zerrissen habe. Denn genau so fühle sich die Nachricht vom Tod des eigenen Kindes an, wie Schmetkamp in einem SRF-Interview mit der Philosophin Barbara Bleisch erzählt. Sie sei zum Unfallort gerannt und habe agiert wie ein wildes Tier, «dem ein Teil des Herzens aus dem Leib gerissen wird». 

«Man lebt in verschiedenen Wirklichkeiten»

Danach folge die Ohnmacht, ein «Schrecken und unglaublicher Schmerz», sagt die Mutter. In dieser Zeit brauche es vor allem Menschen im Umfeld, welche helfen würden, diejenigen Alltagsdinge zu erledigen, die man selber nicht mehr schaffe. «Ich konnte beispielsweise nicht alleine einkaufen. Oder alleine Tram fahren. Das war alles sehr problematisch», sagt Schmetkamp in der Sendung. Sie spricht im Interview nicht nur als Betroffene von einem tragischen Schicksalsschlag, sondern auch als Philosophin und Ethikerin. Schmetkamp ist Assistenzprofessorin für Philosophie an der Universität Fribourg.

Susanne Schmetkamp in der SRF-Sendung «Sternstunde der Nacht».

Gerade bei einem plötzlichen Tod komme der Verstand nicht mehr hinterher. Man lebe wie in verschiedenen Zeiten und Wirklichkeiten, beschreibt sie. In der einen Wirklichkeit nehme das Leben seinen geordneten Gang. In der anderen Wirklichkeit herrsche Stillstand oder auch Verlorenheit, weil etwas radikal unterbrochen worden sei.

Nicht ihr erster Verlust

Susanne Schmetkamp musste bereits viele Verluste in ihrem Leben ertragen. Beispielsweise starb ihr Vater, als sie 13 Jahre alt war. Und vor knapp elf Jahren verlor die fünffache Mutter bereits einen Jungen. Er starb ebenfalls unerwartet und plötzlich – nur einen Tag nach der Geburt, weil die Nabelschnur riss. Die eigenen Kinder zu verlieren sei «wie eine Geburt unter umgekehrten Vorzeichen», beschreibt sie: «Als würde einem das Kind, mit dem man leiblich verbunden war, erneut aus dem Leib geholt. Aber nicht um zu leben, sondern um zu sterben.» 

Dass sich der Tod des eigenen Kindes so viel schmerzhafter anfühle als der Verlust von anderen Personen, habe mit der bedingungslosen Liebe zu tun, welche Eltern den Kindern entgegenbrigen. «Und mit unserer Fürsorgeverantwortung», so die Mutter und Philosophin. Nicht nur der Verlust erschüttere die Eltern, sondern auch das Gefühl, nicht in der Lage gewesen zu sein, das Kind zu schützen. «Das rüttelt an unserer Identität. Da kommen Scham- und Schuldgefühle auf.»

«Hinwegkommen geht nicht, höchstens zurechtkommen»

Die Trauer um den Tod von Tony vor anderthalb Jahren sei immer noch sehr intensiv. «Eigentlich mag ich nicht einmal sagen ‹immer noch›, denn es kann sein, dass das immer so bleibt», so Schmetkamp. Aber sie sei mittlerweile nicht mehr ganz so verzweifelt und könne wieder arbeiten und ihre Aufmerksamkeit auf ihre Kinder, ihren Partner, die Familie und Freunde richten. Über den Tod von Tony hinwegkommen werde sie nie – «über solche Einbrüche des Schicksals kann man nicht hinwegkommen. Sondern nur, wenn überhaupt, mit ihnen zurechtkommen.»