Keine Zustände wie in Deutschland Schweizer Bahnen bleiben vom Sparhammer verschont
Der Bundesrat hebt die Mittel für den Unterhalt und die Erneuerung der Bahninfrastruktur auf nie gekannte Höhen. Die Sparpolitiker leisten keinen Widerstand – obwohl sonst fast überall Kürzungen drohen.
Während der Sparhammer beim Bund angesichts der drohenden Milliardendefizite kaum einen Bereich verschont, lässt der Bundesrat bei den Bahnen Grosszügigkeit walten: Für Betrieb und Erneuerung des Schienennetzes, der Bahnhöfe und sonstiger Bahnanlagen will er in den kommenden vier Jahren 16,4 Milliarden Franken ausgeben – so viel wie noch nie.
Das sind rund 2 Milliarden Franken mehr als in der laufenden Periode und 1,3 Milliarden mehr, als der Bundesrat ursprünglich vorgeschlagen hatte. Dieses Geld reicht nicht nur, um die Teuerung auszugleichen. Sondern den Bahnen stehen real mehr Mittel zur Verfügung, um Bahnhöfe, Gleise, Tunnel, Brücken und Sicherungsanlagen im Schuss zu halten und auf den neusten Stand der Technik zu bringen.
Schweiz soll Bahn-Vorzeigeland bleiben
Im Ausland werde die Schweiz für ihr hervorragendes Bahnsystem beneidet, sie gelte als Vorzeigeland, sagte Verkehrsminister Albert Rösti. «Nur wenn wir kontinuierlich ins Netz investieren, bleibt es in einem guten Zustand.» Mit Blick auf Deutschland, wo Verspätungen und Zugausfälle an der Tagesordnung sind, fügte er an: «Wir sehen in unserem Nachbarland, was geschieht, wenn man über Jahrzehnte zu wenig in den Substanzerhalt investiert.»
Dass der Zahlungsrahmen trotz knapper Kassen dermassen deutlich erhöht wird, liegt an den Stellungnahmen der Kantone und Verbände sowie der Transportunternehmen selbst. Eine überwiegende Mehrheit befand in der Vernehmlassung, die vom Bundesrat ursprünglich beantragten 15,1 Milliarden Franken reichten nicht aus, um etwa eine Verschlechterung des Netzzustandes zu verhindern und den Bahnbetrieb ganz generell auf dem aktuellen Qualitätsniveau erhalten zu können.
Die Erhöhung muss noch vom Parlament bewilligt werden, was allerdings kein ernsthaftes Hindernis darstellen dürfte. Eben erst haben die Räte mit deutlicher Mehrheit beschlossen, bis 2035 mehr als 27 Milliarden Franken in das Bahnnetz zu investieren – allerdings ging es da nicht wie jetzt um Unterhalt und Betrieb, sondern um Ausbauprojekte. Unter anderem soll damit der Lötschberg-Basistunnel durchgehend auf zwei Spuren ausgebaut und zwischen Genf und Lausanne ein neuer Tunnel gebaut werden.
Bahnen bleiben vom Spardruck verschont
Fast alle müssen sparen, nur nicht die Bahnen – wie ist das möglich? Es liegt daran, dass ihre Mittel nicht aus der allgemeinen Bundeskasse kommen. Also nicht von dort, wo die Finanzlage zurzeit so angespannt ist wie seit 20 Jahren nicht mehr. Deshalb suchen Experten zurzeit im Auftrag von Finanzministerin Karin Keller-Sutter fieberhaft nach Möglichkeiten, pro Jahr 4 Milliarden Franken einzusparen. Die Mittel für Betrieb, Erhalt und Ausbau des Bahnnetzes hingegen kommen aus dem Fonds für Bahninfrastruktur (BIF), einem zurzeit noch gut gefüllten Sonderkässeli.
Ab 2029 könne es zwar im Bahninfrastrukturfonds Löcher geben, räumte Rösti ein. Seine diesbezüglichen Sorgen hielten sich aber in Grenzen, zumal bei der Bahn nicht immer nur die Finanzen das Problem seien. Oft fehlten auch die Arbeitskräfte, oder man könne nicht alle nötigen Bauarbeiten auf einmal während des laufenden Bahnbetriebs realisieren.
«Hohe Investitionen zur Behebung der Engpässe erforderlich»
Trotz Rekordausgaben halten sich die Sparpolitiker mit Kritik zurück. Es sei ein sehr hoher Betrag, sagt etwa der Luzerner Mitte-Nationalrat Leo Müller. «Wenn die Schweiz aber die Engpässe beheben und die Infrastruktur auf Vordermann bringen will, sind hohe Investitionen erforderlich.» Das zeige, dass die Politik die Mängel und die Bedürfnisse der Bevölkerung ernst nehme.
Die Finanzierung erfolge zwar nicht aus dem ordentlichen Finanzhaushalt, sagt FDP-Präsident Thierry Burkart. Wichtig sei aber, dass die Investitionen in Bezug auf die zusätzlichen Betriebskosten überprüft würden, die sie auslösen: «Nicht, dass die SBB, wie zurzeit, in ein paar Jahren wieder eine Finanzspritze von 1,3 Milliarden aus dem Finanzhaushalt beantragen muss.»
Die SBB hatten nach dem ursprünglichen Vorschlag des Bundesrats eindringlich gewarnt, das reiche nirgends hin. Sie nannten eine ganze Reihe konkreter Folgen – von Streckensperrungen über den Verzicht auf Perronverlängerungen und zunehmenden Sicherheitsrisiken bis hin zu einer weiteren Verzögerung des behindertengerechten Umbaus bis Ende der 2030er-Jahre.
Ihr Ruf wurde nun zumindest teilweise erhört: Sie bekommen einen Zustupf von 8,4 Milliarden Franken aus dem Bahninfrastrukturfonds. Das ist gut die Hälfte des gesamten Betrags – etwas mehr, als der Bundesrat den SBB zuerst gewähren wollte, aber auch nicht ganz so viel wie gefordert.
Damit sei es möglich, die baureifen Projekte für den barrierefreien Zugang von Menschen mit Beeinträchtigung «in den kommenden Jahren» umzusetzen, wie es beim Bundesamt für Verkehr heisst.
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