Keine Basishilfe für Sans-PapiersSchon wieder: Zürcher Bezirksrat hebt Beschluss von Rot-grün auf
Das Stadtparlament wollte Sans-Papiers Zugang zu einer alternativen Sozialhilfe verschaffen. Das gehe nicht, sagten die Bürgerlichen und beschwerten sich. Jetzt hat der Bezirksrat das Vorhaben gestoppt. Zum zweiten Mal.
Die Idee hatte Stadtrat Raphael Golta (SP) unter Applaus der Linken lanciert. Sans-Papiers, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus kein Anrecht auf Sozialhilfe haben, sollten in Zürich bei Bedarf trotzdem eine «wirtschaftliche Basishilfe» erhalten. Der Sozialvorsteher führte die zeitlich beschränkte Massnahme für Migrantinnen und Migranten im Juli 2021 ein.
Goltas Vorstoss stand aber auf rechtlich wackligen Beinen, wie sich herausstellte. Der Bezirksrat Zürich hob die Basishilfe acht Monate später auf, nachdem die FDP eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht hatte. Gemäss der Aufsichtsbehörde verstiess Goltas Vorhaben gegen Bundesrecht.
Die Stadt wollte den Entscheid anfechten, verpasste aber wegen einer Panne die Frist dafür.
Parlament doppelt nach Panne nach
Also doppelte der Gemeinderat nach. SP, Grüne und AL setzten im April 2023 im Parlament eine ähnliche Regelung zugunsten der Sans-Papiers durch: «So schliessen wir eine Lücke im Sozialsystem und lindern akute Notsituationen», sagte damals Gemeinderätin Hannah Locher (SP). 2,4 Millionen Franken wurden für ein dreijähriges Pilotprojekt gesprochen. Und dazu weitere 3 Millionen «wirtschaftliche Basishilfe» für Personen, die keinen «risikofreien Zugang zur Sozialhilfe» haben.
Warnungen aus dem Mitte-rechts-Lager, dass übergeordnetes Recht missachtet werde, schossen die linken Parteien in den Wind. Sans-Papiers, die sich nicht legal in Zürich aufhielten, hätten höchstens Anspruch auf Nothilfe, hiess es von bürgerlicher Seite. Susanne Brunner (SVP) warf dem Stadtrat damals vor, das Prozessieren zu lieben. Die beiden Kreditentscheide wurden von der FDP abermals angefochten.
Wieder stoppt der Bezirksrat das Projekt
Und wieder hat der Zürcher Bezirksrat unter der Leitung von Mathis Kläntschi (Grüne) gegen die linke Mehrheit entschieden und die Beschlüsse aufgehoben.
Wie der Bezirksrat am Montag mitgeteilt hat, hat er die Frage geprüft, ob die Beschlüsse kantonales oder Bundesrecht im Bereich der Sozialhilfe respektive im Asyl- und Ausländerbereich verletzen. Dabei sei er zum Schluss gekommen, dass «durch das Vorgehen des Gemeinderats gesetzlich vorgeschriebene Meldepflichten und damit letztlich die Durchsetzung von ausländerrechtlichen Bestimmungen des Bundes vereitelt würden», wie er schreibt.
Zudem könnten Beträge ausbezahlt werden, die keine Grundlage in der Nothilfeverordnung haben.
FDP: «Peinliche Niederlage»
Die FDP nimmt die Entscheide «mit Genugtuung» zur Kenntnis, wie die Partei in einer Mitteilung schreibt. Es sei «eine erneute peinliche Niederlage» für die links-grüne Mehrheit im Stadt- und Gemeinderat, welche «ein eigenes Ausländer- und Sozialhilferecht schaffen» wolle, schreibt die FDP.
Die Entscheide sind nicht rechtskräftig und können noch an die nächste Instanz weitergezogen werden. Diesmal ist nicht der Stadtrat, sondern der Gemeinderat für einen allfälligen Weiterzug zuständig.
Die SP bekräftigte in einer Mitteilung ihren Willen, diesen Weg zu beschreiten. «Nie mehr sollen in Zürich Menschen für Lebensmittel anstehen müssen», schreibt die Partei.
Bezirksrat vs. Stadtrat
Damit ist die Auseinandersetzung zwischen dem links-grünen Stadtrat respektive dem ebenfalls links dominierten Gemeinderat und dem Bezirksrat, der die Stadt beaufsichtigt, um ein Kapitel reicher.
Letztes Jahr rüffelte Kläntschi – diesmal in seiner Eigenschaft als Statthalter – den Stadtrat, weil dieser den Veloumzug Critical Mass ohne Bewilligung fahren liess. Die Beschwerde war auch hier von der FDP gekommen.
Und noch vor dem erwähnten Eingriff gegen Raphael Goltas Basishilfe hatte Kläntschi, wiederum als Statthalter, Polizeivorsteherin Karin Rykart (Grüne) zurückgepfiffen, weil sie 2019 den «Marsch fürs Läbe» nicht bewilligt und damit die Versammlungsfreiheit verletzt hatte. Zwei Jahre zuvor hatte Kläntschi den Stadtrat für dessen «Politik der Duldung» rechtswidriger Zustände hinsichtlich des besetzten Koch-Areals kritisiert.
Der 62-jährige Jurist Mathis Kläntschi ist kürzlich in stiller Wahl für die Amtszeit 2025 bis 2029 bestätigt worden.
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