Sanna Marin geht zu Tony BlairEin Politstar erfindet sich neu
Sie galt als coolste Regierungschefin Europas und führte Finnland in die Nato. Sanna Marin zieht sich nun als Politikerin zurück und wird Strategieberaterin.
Sanna Marin ist erst 37, aber schon Polit-Rentnerin. «Es ist Zeit, weiterzugehen», liess die einstige Regierungschefin Finnlands vor ein paar Tagen verlauten, als sie ihren Rückzug aus der Politik bekannt gab. Fortan wirkt sie als strategische Beraterin für das Institut für Globalen Wandel in London, das von Tony Blair gegründet wurde. Der Ex-Premierminister Grossbritanniens lobt Marin laut einer Medienmitteilung als starke und pragmatische Persönlichkeit.
Zwei epochale Herausforderungen prägten die dreieinhalbjährige Amtszeit von Regierungschefin Marin: die Corona-Pandemie und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zunächst führte Marin Finnland vergleichsweise gut durch die Corona-Krise, danach reagierte sie mit Entschlossenheit auf die Kriegsaggression Russlands. Seit dem letzten April gehört Finnland der Nato an.
Ukraine muss den Krieg gewinnen
«Russland ist nicht der Nachbar, von dem wir dachten, er sei es», sagte Marin kurz nach Russlands Grossangriff auf die Ukraine. Es war ein Satz, der für Finnlands Abkehr von der jahrzehntelangen Neutralität stand und der in der schwedischen Nato-Debatte oft zitiert wurde. Schon bald reiste Marin nach Kiew zu Wolodimir Selenski, um Finnlands Solidarität mit der Ukraine zu demonstrieren. Der Ukraine müsse «was auch immer nötig ist» gegeben werden, um den Krieg zu gewinnen, sagte Marin Ende 2022.
In der europäischen Debatte über den Umgang mit Russland fiel die finnische Regierungschefin durch klare und kluge, aber auch schlagfertige Äusserungen auf. Als Marin bei einem EU-Gipfel in Prag von einem Reporter gefragt wurde, was denn der Weg aus dem Konflikt in der Ukraine sei, antwortete sie trocken: «Der Weg aus dem Konflikt ist, dass Russland die Ukraine verlässt.»
Sanna Marin brachte nicht nur Finnland in die Nato, sondern auch Glamour in die finnische Politik. Die attraktive Frau, mit 34 zur jüngsten Regierungschefin der Welt geworden, verstand es, sich in den sozialen Medien gut in Szene zu setzen. Auf Instagram etwa postete sie Fotos, die sie in legerem Outfit bei einem Rock-Festival zeigten – Finnland hatte die coolste Regierungschefin Europas.
Populär und polarisierend
Die «Rockstar-Ministerpräsidentin», wie Marin auch mal genannt wurde, war einige Jahre die populärste Politikerin Finnlands. Gleichzeitig war sie eine polarisierende Figur: Alles, was progressive und linke Menschen an der Sozialdemokratin lieben, hassen Konservative, so etwa ihre Unterstützung für die LGBTQ-Bewegung. Sie selber ist in einer Regenbogenfamilie aufgewachsen.
Marin brach immer wieder mit traditionellen Rollenbildern in der Politik. Für Konservative war das eine gute Projektionsfläche, um ihr von mangelnder Seriosität bis Drogenkonsum alles Mögliche vorzuwerfen. In einen regelrechten Shitstorm geriet Marin im Sommer 2022, als ein privates Party-Video der Regierungschefin an die Öffentlichkeit geleakt wurde.
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In dem Video ist zu sehen, wie Marin mit Freundinnen und Freunden ausgelassen tanzt und grölt. Konservative Meinungsmacher und Politiker zeigten sich empört: Darf das eine Ministerpräsidentin? Marin verteidigte ihr Recht auf ein Privatleben. Zudem müsse es möglich sein, dass sie sich selber sein dürfe. Angesichts der anhaltenden, wohl auch von russischen Trollen befeuerten Kritik unterzog sie sich einem Drogentest: Das Ergebnis war negativ.
Trotz solcher Polemiken verbesserten sich Marins Sozialdemokraten bei den Parlamentswahlen im April 2023. Doch es reichte nur für Rang 3 – hinter den Konservativen und den Rechtspopulisten. Der auch in Finnland zunehmende Rechtsruck verdrängte Marins Fünfparteienkoalition von der Macht.
Politikausstieg und Scheidung
Das war ein Anlass, sich beruflich neu zu orientieren. Marin gab den Vorsitz ihrer Partei ab, und zuletzt legte sie auch ihr Parlamentsmandat nieder. Zuvor liess sie sich nach drei Ehejahren von ihrem Mann scheiden, mit dem sie 19 Jahre liiert gewesen war. Die beiden haben eine fünfjährige Tochter.
Die Ex-Spitzenpolitikerin und studierte Verwaltungswissenschaftlerin startet nun eine neue Karriere als Strategieberaterin beim Blair-Institut für Globalen Wandel. In ihrem neuen Job wird sie Regierungen und führende Vertreter verschiedener Länder in politischen Fragen beraten, «mit denen ich vertraut bin» – dazu zählen Regierungsführung, Technologie, Klima und Geschlechtergerechtigkeit. «Ich kann», so Marin, «auch in anderen Funktionen für Finnland arbeiten.»
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