Okavango-Delta und Chobe National ParkUnvergessliche Reise durch Botswanas Flussparadies
Tourismus und Naturschutz gehen hier Hand in Hand: Eine Safari durch das grösste Binnendelta der Welt, wo Begegnungen mit Wildtieren warten.
Die Löwin pirscht durch das hüfthohe Gras, gemächlich, bedrohlich. Die nahen Zebras wedeln nervös mit den Ohren. Sie haben die Löwin erblickt und sind unsicher, ob die Raubkatze auf der Jagd ist. «Auf jeden Fall ist sie auf einer Mission», flüstert unser Guide Kelvin. Plötzlich hören wir Gebrüll: Löwenmännchen. Sie rufen das Weibchen herbei. «Dahin will sie also.»
Wir folgen der Grosskatze im Geländewagen durch das saftige Grasland des Okavango-Deltas. In der Ferne gehen spektakuläre Gewitter nieder. Die Luft duftet herrlich nach feuchter Erde. Jetzt, auf dem Höhepunkt der Regenzeit, erblüht das Leben, wohin wir auch blicken.
Langsam füllt sich das Delta mit Wasser, sodass ein unüberschaubares Mosaik aus Kanälen und Lagunen, Sümpfen und Savannen, schwimmenden Inseln und Wasserlöchern entsteht. Gräser und Bäume ergrünen, Jungtiere werden geboren, und rundum frisst sich alles satt.
Im Gebrüll der Löwen
Noch einmal hören wir Gebrüll, nun ganz nah. Wir erblicken drei Löwenmännchen, die sich auf einer abgegrasten Wiese fläzen. Hinter Büschen dösen drei Weibchen und ein Löwenbaby. Die Streunerin nähert sich dem Rudel, sie duckt sich, schleicht sich an. Plötzlich rennt sie los. Ein jüngeres Männchen springt auf und fängt die Besucherin ab. «Er spielt den Helden», sagt Kelvin und lacht. Die anderen beiden Männchen trotten unbeeindruckt davon.
Diese Reise ist ein Angebot der Schweizer Familie, mehr Informationen finden Sie hier.
Was nun geschieht, macht sogar unseren erfahrenen Begleiter sprachlos. Die beiden Raubtiere beginnen zu schmusen, dann paaren sie sich. Und das nicht nur einmal. «Drei Tage lang sind sie nun damit beschäftigt», sagt Kelvin. Bis zu 300-mal werden sie sich paaren, alle 15 Minuten. Es ist ein rabiates, erschöpfendes Liebesspiel. Dabei lässt sich das Weibchen meist mit mehreren Männchen aus dem Rudel ein. So schützt sie später ihre Neugeborenen. «Weil alle Männchen denken, sie seien der Vater, attackieren sie die Jungen nicht», sagt Fährtenleser Mr. Fox.
Grösstes Binnendelta der Welt
Wer im Okavango-Delta, im Norden Botswanas, auf Safari geht, trifft auf ungestörte Natur. Mitten in der Kalahari-Wüste liegt das grösste Binnendelta der Welt, dieses ist fast halb so gross wie die Schweiz. Gespeist wird es vom Fluss Okavango, der seinen Ursprung in den Hochebenen Angolas hat, 1600 Kilometer entfernt. Sein Wasser mündet in keinem Ozean, stattdessen versickert und verdunstet es in der Kalahari.
In der Regenzeit verursacht der Okavango eine Flut, die von der dichten Vegetation aufgehalten wird und erst nach etwa vier Monaten das andere Ende des Deltas erreicht.
Die Zeit dazwischen ist für die dortige Tier- und Pflanzenwelt überlebenswichtig: Das Wasser steht genau zur Trockenzeit am höchsten. Dann wird die Ebene zur rettenden Oase für die durstigen Bewohner der Kalahari, ein Refugium mit einer unvergleichlichen Vielfalt an Tieren und Pflanzen.
Selbst in der Regenzeit ist die Zahl der Tierbeobachtungen besonders überwältigend: Neben Löwen sehen wir bei unserem heutigen Streifzug Dutzende Flusspferde, Herden von Sumpf- und Schwarzfersenantilopen, Warzenschweine und Zebras, Letschwes und Tsessebes, Kudus und Gnus sowie die ach so stolzen Giraffen.
Ein einsamer Elefantenbulle überrumpelt uns sogar gleich neben der Lodge und flattert bedrohlich mit den Ohren. Paviane hopsen an uns vorbei mit ihren Neugeborenen auf dem Rücken. Einzig Geparden und Leoparden machen sich rar, von ihnen sehen wir an diesem Tag nur frische Fussstapfen im Sand. «Wir lassen uns jeden Tag von den Tieren überraschen», sagt Guide Kelvin: «An deren Anblick kann man sich nie gewöhnen.»
Obwohl wir viele Tierarten zu sehen bekommen, ist das bloss ein Bruchteil dessen, was im Delta fliegt, kreucht, springt, schwimmt und rennt. Mehr als 400 Vogelarten leben darin, samt 160 Säugetierarten, über 150 Reptilien- und 1500 Pflanzenarten.
Eine unglaubliche ökologische Vielfalt fernab der menschlichen Zivilisation. Denn in den Feuchtgebieten leben kaum Menschen, Dörfer und Städte liegen in der Regel an deren Rändern.
Der 30-jährige Kelvin und der 25-jährige Mr. Fox sind Söhne des Deltas, wilde Tiere kennen sie seit ihrer Kindheit.
Mit vollem Namen heissen sie Kelebamang Kelvin Zemwana und Chenjelani Fox Ikanyeng. Für Touristen seien ihre Mittelnamen aber weit einfacher zu merken, sagen sie lachend. Dass sie voller Respekt für die Natur ihrer Heimat sind, spürt man sofort. «Die Aufgabe von uns Menschen ist es», sagt Mr. Fox, «uns um diesen Garten Eden zu kümmern.»
Zu jedem Grasbüschel, jedem Vögelchen und selbst zu den Hinterlassenschaften der Tiere können die beiden eine Geschichte erzählen. Schon am Start der Expedition lieferten sie uns eine Lektion in Sachen Naturkunde.
Um zu veranschaulichen, welch einzigartiges Ökosystem das Delta bildet, führten sie uns zu einem verlassenen Termitenhügel. Rundherum begegnet man solchen Türmen hundertfach, manche sind bis zu 4 Meter hoch.
«Ohne Termiten», sagt Kelvin, «gäbe es das Delta in seiner heutigen Form nicht.»
Kleine Krabbler, grosse Wirkung
Die kleinen Baumeister buddelten über die Jahrhunderte rund 70 Prozent der mehr als 150’000 Inseln um. Mit ihren kilometerweit verzweigten Gängen belüften sie den Boden und fördern die Bildung von Nährstoffen in den oberen Erdschichten. Auf den Termiten-Inseln wachsen Bäume und Büsche, die wiederum die Lebensgrundlage für eine Vielzahl anderer Lebewesen bilden. «Ohne die Tierchen», sagt Mr. Fox, «wäre das Schwemmgebiet eintönig.»
Beispielhaft zeigt sich im Okavango-Delta, wie in Botswana der Naturschutz mit umweltfreundlichem Tourismus einhergeht. Die Tourismusindustrie trägt rund 13 Prozent des Bruttoinlandprodukts im Land bei. Und weil diese auf eine möglichst intakte Natur angewiesen ist, setzt Botswana auf Klasse statt Masse: «Auf Tourismus mit geringen Auswirkungen, aber hoher Wertschöpfung», sagt Kelvin.
Schlafen im edlen Zelt-Bungalow
So wie das Delta stehen rund 40 Prozent des Landes unter Naturschutz. Ein Teil der Schutzgebiete gehört dem Staat, ein Teil den Gemeinden. «Von den Tourismuseinnahmen profitieren schliesslich die Menschen vor Ort», sagt Kelvin. In den Schutzgebieten gibt es keine Zäune, die Tiere können sich überall frei bewegen. Beschädigen Elefanten für einmal Ackerland oder reisst ein Löwe ein Rind, erhalten die Bauern Entschädigungen vom Staat. Das soll verhindern, dass die Wildtiere getötet werden.
Gegen Wilderer geht die patrouillierende Armee ohnehin hart vor, es drohen Gefängnisstrafen von bis zu 20 Jahren. Wer in einem Schutzgebiet eine Lodge errichten will, muss sich mit seinem Konzept um eine mehrjährige Pacht bewerben. Dabei gelten strenge Vorgaben für Umweltschutz und Nachhaltigkeit.
Wie sanft sich touristische Einrichtungen in die Umgebung einfügen lassen, zeigt das vor wenigen Monaten eröffnete 4 Rivers Camp, in dem wir nach unserem ereignisreichen Safaritag übernachten. Es liegt im Osten des Deltas direkt an einer Lagune. Darin tummeln sich Nilpferde und Wasservögel, während am anderen Ufer Zebras und Giraffen grasen.
Neun edle Zelt-Bungalows und ein komfortabler Gemeinschaftsbereich verteilen sich über mehrere hundert Meter entlang des Wassers. Sie stehen auf erhöhten Holzterrassen und sind durch einen Steg miteinander verbunden, darunter gelangen Tiere ungestört ins Nass.
Für Flusspferde und Elefanten gibt es spezielle Durchgänge. Der Strom für das Camp stammt aus einer Solaranlage; Abwasser und Abfall werden gesammelt und ausserhalb des Deltas entsorgt. Der Mensch soll hier möglichst keine Spuren hinterlassen.
Abends, nachdem wir am Lagerfeuer unseren letzten Drink getrunken haben, begleitet uns Kelvin zum Zelt – wie ein Bodyguard. «Ihr könntet ja einem Tier begegnen», sagt er. Müde vom Tag und voller Eindrücke belauschen wir im Bett das nächtliche Konzert des Deltas: Es summt und klimpert, brummt und grunzt.
Vor dem Einschlummern befällt uns tiefe Ergriffenheit angesichts der Wunder der Natur. Die Soundkulisse schreckt wohl manchen Safari-Novizen aus dem Schlaf, denn Wände gibt es in den Zelten keine. Sind die Jalousien hochgerollt, trennen die Besucher einzig Moskitonetze vom nächtlichen Treiben. Es fühlt sich an, als schlafe man direkt unter dem weiten Himmel.
Beuteschrei als Weckruf
Dass Feriengäste unterwegs keinen Wecker brauchen, zeigt sich später auch im Chobe National Park, dem ältesten Nationalpark Botswanas im Nordosten des Landes. Löwengebrüll schreckt uns um 5 Uhr früh aus den Träumen. Von den stilvollen Hütten des Chobe Elephant Camps blicken wir in ein breites Tal hinab, in dem der schlängelnde Chobe-Fluss die Grenze zu Namibia markiert. Das Echo des Gebrülls hallt neuerlich durch den Morgendunst.
«Das klang wie ein Beuteschrei», sagt der 40-jährige Guide Isaac, als wir später nach Fährten suchen. Wir entdecken tatsächlich die Pfotenspuren zweier Löwinnen. «Die Tiere rannten schnell», sagt Isaac und zeigt auf die tiefen Abdrücke im Sand. «Schaut hier, das sind Giraffenhufe. Die Löwinnen verfolgten das Tier offensichtlich. Sie waren auf der Jagd.»
Dass wir die Jägerinnen nicht sehen, ist schnell vergessen. Am Ufer des Chobe warten andere Tiere und andere Attraktionen. Sanft fällt das Gelände hinab ans Wasser, auf dichten Busch folgen Savannen, durchzogen von Mopane- und Leberwurstbäumen und mächtigen Baobabs. Die Vegetation sorgt für eine enorme Tiervielfalt. Hunderte Schwarzfersenantilopen grasen neben Giraffen, über 400 Vogelarten flattern durch die Luft.
Im Fluss waten Büffel, weiden Zebras und suhlen sich Elefanten im Schlamm. Davon sind so viele zu sehen, dass wir bald aufhören, sie zu zählen. Rund die Hälfte der über 130’000 Elefanten Botswanas lebt im Chobe National Park. Dafür kein einziger Mensch. Auf einer Fläche von knapp 12’000 Quadratkilometern.
Begleiter Isaac parkiert den Geländewagen auf einer Anhöhe und öffnet die Heckklappe, diese dient uns als Buffet fürs Mittagessen. Wir speisen im Stehen, so wie die Giraffen nebenan. Mit Blick auf den Chobe erzählt uns Isaac von seiner Verbundenheit zur Natur. «Ich bin im Busch aufgewachsen», sagt er.
Als Guide wolle er nun möglichst viele Menschen dazu ermutigen, die Landschaft zu schützen. «Dass ich anderen zeigen kann, was ich liebe, ist für mich ein grosses Glück», sagt er. Auch wenn wir ihn nur wenige Stunden begleiten – wir verstehen, was dieses Glück bedeutet.
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