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Über 5000 Demonstranten in Liestal
Corona-Kritiker bejubeln die Polizei

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Grossdemo gegen Corona-Massnahmen von der Gruppe Stiller Protest am Samstag, 20. März 2021 in Liestal. © Foto: Dominik Plüss
Zwischen 5000 und 6000 Menschen haben sich am Samstagnachmittag gemäss Angaben der Polizei in Liestal eingefunden.
Die Polizei hielt sich bewusst zurück.
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Mehr als 5000 Personen demonstrierten am Samstag in Liestal gegen die Corona-Massnahmen des Bundesrats – ohne Maske, ohne Abstand. Konsequenzen gab es dafür keine.

Im Gegenteil verkamen Maskenpflicht und Mindestabstand zu Lachnummern, wie sich bereits um 13.00 Uhr zeigte, als sich immer mehr Menschen beim Bahnhof in Liestal einfanden. Die Polizei sowie auch die Veranstalter, der Verein «Stiller Protest», wiesen mehrmals auf die Maskenpflicht hin. Das Publikum reagierte mit johlendem Gelächter. Zwar standen mehrere Dialog-Teams der Polizei im Einsatz, doch versuchten sie erst gar nicht, die Menschen davon zu überzeugen, sich an geltendes Bundesrecht zu halten.

Dafür waren es schlicht zu viele. «Wir gehen von 5000 bis 6000 Menschen aus, die sich heute hier versammelten», sagt Adrian Gaugler, Sprecher der Polizei Basel-Landschaft. Viele kamen aus anderen Kantonen, aus Graubünden etwa oder aus Bern. Manche waren gar aus Deutschland und Frankreich angereist. Sie trugen Schutzanzüge, Hippiekleider oder T-Shirts mit Slogans wie «Ich grüss den Gesslerhut nicht. Ich trag auch keine Binde im Gesicht.»

Kurz nach 14 Uhr verkündete die Polizei, sie werde nun mit ihrem Fahrzeug an die Spitze des «Umzugs» fahren, um diesen zu «begleiten und unterstützen». Umstehende Corona-Kritiker applaudierten. Offenbar sahen sie in der Polizei eine Verbündete.

Wenig später setzte sich der Protestmarsch in Bewegung. Die Vorhut bildeten Hunderte von Menschen in Schutzanzügen. Sie gingen im Gleichschritt und bewegten sich, als wären sie fremdgesteuert. Sie stellten den Mainstream dar – Marionetten des Bundesrats, von unsichtbaren Fäden manipuliert. Einige imitierten Zombies. Aus mitgeführten Lautsprechern drangen die Parolen: «Regelbrecher an die Wand», «Denunziantentum ist die neue Zivilcourage» und «Keimfreiheit ist das höchste Gebot». Irgendwo schrie ein Baby.

Nach der Truppe mit Schutzanzügen folgten die nicht verkleideten Demo-Teilnehmer, die sich hie und da Geplänkel mit der Antifa lieferten. Kleine Grüppchen von Antifaschisten hatten sich am Rande der Demonstration eingefunden. «Widerstand ist Pflicht! Antisemitismus nicht!», riefen sie.

Die Demonstrationsteilnehmer reagierten hämisch: «Seht ihr hier irgendwo Nazis?», fragten sie. Oder: «Oh, habe schon lange keine Antifanten mehr gesehen.» Ein Antifa in der Nähe des Liestaler Törli wurde so wütend, dass er die Polizei anschrie: «Niemand hier hält sich an die Hygienemassnahmen. Und was tut ihr? Ihr macht nichts!»

Die Antifa wird mittels eines Absperrbands vom Protestmarsch getrennt.

Er hat recht. Die Dialog-Teams der Polizei unternahmen nicht einmal den Versuch, die Demonstranten zum Maskentragen zu bewegen. Die Organisatoren aus den Kreisen von «Stiller Protest» und «Mass-voll!», die im Vorfeld versprochen hatten, sich um die Einhaltung der Corona-Massnahmen zu kümmern, ebenfalls nicht. Sie trugen meist selbst keine Masken und konnten sich das Lachen kaum verkneifen, wenn sie am Mikrofon darauf hinwiesen, das doch bitte zu tun.

Roland Lüthi, Mediensprecher des «Stillen Protests», sagt gegenüber dieser Zeitung, dass er darin kein Problem sehe: «Das Virus ist so klein, dass es sowieso durch die Maske schlüpft. Insofern ist es nicht unverantwortlich, keine Maske zu tragen.»

Auch Mitglieder der «Mass-voll!»-Bewegung, die im Vorfeld der Demonstration noch sagte, der Protest solle auf keinen Fall zu einer Party werden, sieht man um15 Uhr biertrinkend und Fahnen schwingend auf dem Rasen des Schulhauses Frenke stehen. Entgegen vorheriger Aussagen war nicht zu sehen, dass sie sich für die Einhaltung der Schutzvorkehrungen stark machten. Co-Präsident Nicolas A. Rimoldi widerspricht: «Unsere Mitglieder waren vorbildhaft unterwegs: friedlich, ohne Musik, viele mit Masken und wir hatten alkoholfreien Punsch dabei, um uns aufzuwärmen.»

Ein junger Mann aus der «Mass-Voll!»-Bewegung schwingt seine Fahne.

Vor dem Schulhaus Frenke endete die Demonstration schliesslich mit Darbietungen verschiedener Gastredner wie etwa die des Basler Männerarztes Marco Caimi. Er bewirtschaftete seinen eigenen Fanclub. Als er in die Menge schrie «Ist es eine Diktatur?», brüllten die Demonstrationsteilnehmer «Jaaaa!». Als er fragte: «Ist es eine Tyrannei?», erschallte ein noch lauteres «Jaaaaaa!» aus über 5000 Kehlen. Nach ihm kam Alec Gagneux von den «Freunden der Verfassung». Er mimte einen reumütigen Alain Berset, der seinen Rücktritt bekannt gibt. Die Menge tobte.

Als sich die Protestaktion um 17.00 Uhr langsam auflöste, verabschiedete sich auch die Baselbieter Polizei mit einer letzten Durchsage. Die Corona-Kritiker klatschten und jubelten ihr zu.

Ist der Applaus einer Menge, die sich über geltende Regeln hinwegsetzt, etwas, worauf man als Polizei stolz sein kann? Adrian Gaugler, der um 17 Uhr ebenfalls vor Ort war, sagt: «Unsere oberste Priorität war es, die Sicherheit zu gewährleisten – auch von Drittpersonen.» Auf die Regelwidrigkeiten angesprochen, fügte er hinzu: «Wie wollen wir bei so vielen Menschen Bussen verteilen? Es ist eine Frage der Verhältnismässigkeit.»

Insgesamt, so Gaugler weiter, habe man an diesem Tag 12 Personen angehalten, weil sie die bewilligte Demonstration der Corona-Kritiker gestört hatten. Eine Person wurde «bei einem tätlichen Angriff verletzt». Ob die Person zur Corona-Demonstration oder zur Gegendemonstration gehörte, könne er noch nicht sagen. Bussen wegen Nichteinhaltens der Massnahmen wurden keine verteilt.

Für Menschen, die sich seit einem Jahr an diese Massnahmen halten, war der Grossaufmarsch in Liestal an diesem Samstag ein Hohn. Das weiss auch die Polizei. Auf die Frage, ob er verstehen könne, wenn sich die Restbevölkerung nun ärgert, sagt Gaugler: «Ja, natürlich. Aber die Stadt Liestal hat die Kundgebung bewilligt und unsere Priorität, respektive Aufgabe war es, dass die Veranstaltung ruhig abläuft und nicht eskaliert.»