Run auf AntikörpertestsDas umstrittene neue Covid-Zertifikat ist begehrt
Seit gut einer Woche gibt es in der Schweiz ein Zertifikat für positive Antikörpertests. Die Nachfrage ist enorm – obwohl die Tests teuer sind.
Habe ich schon Corona gehabt, ohne es gemerkt zu haben? Darüber gibt ein Test Auskunft, der die Antikörper misst, die sich im Blut nach der Erkrankung bilden. Auf solche Antikörpertests hat in den letzten Tagen ein regelrechter Run eingesetzt. Denn seit dem 16. November gibt es dafür ein Zertifikat, das nicht nur zwei oder drei Tage gilt wie nach einem negativen Antigen- oder PCR-Test, sondern drei Monate.
Stichtag war der Dienstag vergangener Woche, und seitdem geht die Post ab in jenen Apotheken, Arztpraxen und Labors, welche die Tests anbieten. «Die Leute stehen vom Morgen bis zum Abend draussen an und warten geduldig, bis sie an der Reihe sind», berichtet Prisca Schadock vom Labor Rothen in Basel.
«Die Zahl der Tests hat sich im Vergleich zur Vorwoche ungefähr verfünffacht», sagt Lorenz Risch von der Dr.-Risch-Gruppe, welche die Tests für Arztpraxen und Apotheken analysiert. Bei der Walk-in-Arztpraxis City-Notfall in Bern, wo zuvor höchstens ein, zwei Antikörpertests pro Tag verlangt wurden, sind es momentan 10 bis 15.
Wartezeit bis Mitte Dezember
Immerhin gibt es noch Kapazitäten – anderswo hingegen hat es sich vorläufig ausgetestet. In der Gurten-Apotheke in Wabern bei Bern zum Beispiel ist das Antikörpertest-Kontingent wegen der enormen Nachfrage aufgebraucht. Wer auf diese Weise einer vergangenen Covid-Erkrankung auf die Spur und zu einem Zertifikat kommen will, muss sich bis Mitte Dezember gedulden.
Insgesamt wurden innerhalb von sechs Tagen 2316 Zertifikate für Antikörpertests ausgestellt, wie Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) sagte. Inzwischen dürfte diese Zahl deutlich gestiegen sein. So hat allein das Labor Rothen in Basel in der letzten Woche «Hunderte» solcher Zertifikate ausgestellt, wie Schadock berichtet.
Auch die Gesamtzahl der Zertifikate für Genesene deutet in diese Richtung. Zwar wird da nicht ausgewiesen, ob die Bescheinigung aufgrund eines Antikörpertests ausgestellt wurde oder weil die Infektion mittels PCR-Test nachgewiesen worden war. Einen deutlichen Hinweis bietet aber der sprunghafte Anstieg der Zertifikate für Genesene just mit der Einführung der neuen Zertifikatsmöglichkeit.
Die grosse Nachfrage erstaunt insofern, als der Antikörpertest selbst bezahlt werden muss. Der Bund übernimmt die Kosten nur, wenn die Abklärung ärztlich angeordnet wurde, zum Beispiel bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Und das geht ins Geld. Oft kostet so ein Test deutlich mehr als die 70 Franken, die der Bund als Richtwert vor der Einführung nannte.
Günstige Zertifikate beim Labor in Basel
Im Arzthaus Zürich City oder im Berner City-Notfall zahlt man für den Test einschliesslich Blutentnahme 100 Franken. Etwas billiger kommt es meist in der Apotheke, sofern noch Tests erhältlich sind: In der Apodoc in Zürich sind es 85 Franken, in der Gurten-Apotheke in Bern 86 Franken. Mit 49 Franken am günstigsten zum Test samt dreimonatigem Zertifikat kommt, wer die Wartezeit nicht scheut und sich beim Labor Rothen in die Schlange stellt.
Im benachbarten Ausland sind die Antikörpertests aber für weniger als die Hälfte zu haben: in Berlin für 20 Euro, in Innsbruck für 25 Euro. Preisüberwacher Stefan Meierhans sieht darin «einmal mehr einen Beleg dafür, dass man in der Schweiz im Gesundheitsbereich massiv mehr zahlt als im Ausland».
Test-Tourismus empfiehlt sich dennoch nicht. Denn ein Zertifikat gibt es nur für Antikörpertests, die in der Schweiz gemacht wurden. Und dieses Zertifikat ist auch nur in der Schweiz gültig.
In der Fachwelt ist die Aussagekraft der Tests umstritten. «Antikörpertests sagen sehr zuverlässig, ob man mit dem Virus schon Kontakt hatte oder nicht», formuliert es Taskforce-Chefin Tanja Stadler. «Sie sagen aber nichts über den Zeitpunkt der Infektion aus. Je weiter zurück diese liegt, desto geringer der Schutz vor Neuansteckung und schwerer Erkrankung.»
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