Nationaltrainer in der KritikDie Frage bleibt: War es das für Murat Yakin?
Die Schweiz kann in Rumänien Sieger ihrer EM-Qualifikationsgruppe werden – aber selbst das nimmt dem Verband nicht die Aufgabe ab, einen Grundsatzentscheid zu fällen.
Einen kleinen Triumph gönnt er sich. Zweimal stellt ihm der Mann des rumänischen Verbands ein Wasserfläschchen vor die Nase. Zweimal räumt es Murat Yakin souverän wieder weg. Und gleich ist da wieder dieses feine Lächeln, das einen grossen Teil seines Charmes ausmacht.
Sonst gibt es allerdings für Yakin wenig Gründe zu lächeln. Gleich die erste Frage geht in die Vollen: «Glauben Sie, dass das Ihr letztes Spiel als Schweizer Nationaltrainer sein wird?» Es gibt angenehmere Momente in einer Trainerkarriere.
Dass Yakin nicht ernsthaft auf die Frage eingeht, versteht sich von selbst. Auch sonst haben die Aussagen am Medientermin einen Tag vor dem Spiel gegen Rumänien den zu erwartenden Informationswert: Er tendiert gegen null. Hier der Versuch, einige Fragen trotzdem zu beantworten.
Ist das Murat Yakins letztes Spiel als Nationaltrainer?
Das weiss wohl nur Pierluigi Tami. Und glaubt man dem Direktor der Nationalmannschaften beim Schweizerischen Fussballverband, dann weiss es nicht einmal er. Im Dezember will er sich mit Yakin und Verbandspräsident Dominique Blanc hinsetzen und eine Analyse machen.
Warum das so lange dauert? Schwer zu beantworten. Schliesslich müsste Tami längst alle Fakten haben. Er kennt die Spieler, er kennt den Trainer, er kann Resultate lesen – und er kann Fussballspiele beurteilen. Es wäre Yakin gegenüber nur fair, wenn der Entscheid – in welche Richtung auch immer – schnell verkündet würde.
Wo hat Murat Yakin recht?
Der Nationaltrainer redet gern vom dominanten und offensiven Fussball, den seine Mannschaft spiele. Und es gibt durchaus Zahlen, die diese Aussagen stützen.
Die Schweizer haben in dieser Qualifikation im Schnitt über 70 Prozent Ballbesitz. Sie schiessen pro Spiel 17-mal aufs Tor und lassen bloss 6 Schüsse zu. Sie haben sich in jedem Spiel ausser der Auswärtspartie in Kosovo deutlich mehr Chancen herausgespielt als die Gegner.
Ruben Vargas nimmt vor der Partie in Bukarest sich selbst in die Pflicht: «Wenn ich mehr meiner Chancen verwertet hätte, würden wir heute nicht über Kritik reden.»
Was spricht gegen Murat Yakin?
Von den letzten sechs Spielen hat die Schweiz bloss gegen Andorra den Sieg in der zweiten Halbzeit nicht mehr aus den Händen gegeben.
Es mag stimmen, dass die Gegner für ihre Tore jeweils überraschend wenig Schüsse gebraucht haben. Aber die Gegentreffer fielen in Momenten, in denen die Schweizer entweder jegliche Konzentration verloren hatten, wie gegen Rumänien oder Weissrussland. Oder in Phasen, in denen sie sich überraschend dominieren lassen mussten, wie zweimal in der Schlussphase gegen Kosovo oder in der zweiten Halbzeit gegen Israel.
Ein Systemausfall mag als Zufall durchgehen. Fünf sind etwas viel, um sie bloss auf die Launen des Fussballs zu schieben.
Yakin hat bislang nicht herausgefunden, welches Innenverteidiger-Duo funktioniert, und wechselt häufig den Partner von Manuel Akanji.
Er hat es nicht geschafft, in einem zentralen Mittelfeld für Ordnung zu sorgen, in dem es reichlich Talent hat. Yakin weigert sich auch konsequent, rechte Aussenverteidiger aufzubieten und bietet so komplett unnötigerweise eine stete Angriffsfläche.
Und vor allem ist ihm eines nicht gelungen: der Umgang mit Granit Xhaka. Weder gibt er Xhaka völlig freie Fahrt, zu tun und zu lassen, was ihm beliebt. Noch hat er ihn so weit diszipliniert, dass keine Dissonanzen an die Öffentlichkeit dringen.
Wobei es dem Trainer helfen würde, wäre er sich sicher, dass ihm der Verband in der Auseinandersetzung mit dem Captain den Rücken stärkt. So sieht es aber halt nicht aus, wenn Vater Ragip Xhaka vor dem Spiel in Pristina Pierluigi Tami ins kosovarische Spezialitätenrestaurant ausführt.
Worum geht es in Bukarest eigentlich noch?
Um den Gruppensieg. Und der ist mehr wert als bloss Ruhm und Ehre. Die Töpfe für die Gruppenauslosung der Endrunde werden gemäss der Qualifikations-Rangliste eingeteilt. Hätten die Schweizer also Xhakas Vorhaben umgesetzt und alle zehn Spiele gewonnen, wären sie in Topf 1 gelandet und wären den grössten Nationen aus dem Weg gegangen.
Das geht nicht mehr, Topf 1 ist ausser Reichweite. Die Ausgangslage lautet jetzt: Gewinnt die Schweiz, ist sie als einer der schwächsten Gruppensieger in Topf 2. Gewinnt sie nicht, rutscht sie als einer der schwächsten Gruppenzweiten in Topf 4.
Am Samstag sagte Yakin: «Es ist nicht so wichtig, in welchem Topf wir landen.» Am Montag hat der Gruppensieg dann doch «einen hohen Stellenwert.» Er stellt mit Blick auf die Gruppenauslosung aber auch fest: «Eigentlich müssen sich die Gegner Gedanken darüber machen, ob sie auf uns treffen wollen.» Es ist der Beweis, dass Yakin zumindest verbal sein Selbstvertrauen nicht verloren hat.
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Bukarest – war da nicht mal was?
Aber natürlich! 28. Juni 2021: Die Schweiz spielt eine Partie, über die der «Kicker» danach schreibt: «Ein Spiel, das in der EM-Historie nicht in Vergessenheit geraten wird.» Die Schweiz liegt gegen Frankreich mit zwei Toren zurück, Paul Pogba feiert mit einem lockeren Tänzchen. Dann kommen die Schweizer zum 3:3 zurück. Am Ende hält Yann Sommer den entscheidenden Penalty gegen Kylian Mbappé.
Es ist der Moment, in dem es scheint, als ob die Schweizer Nationalmannschaft die Welt erobern könnte. Und heute? Ruben Vargas findet: «Ich kann nix sagen, was anders wäre als damals.»
Ausser vielleicht der feine Unterschied, dass die Schweiz damals ein 1:3 gegen den amtierenden Weltmeister gedreht hat. Während die aktuelle Ausgabe Spiele gegen die Weltnummern 48, 71, 100 und 105 aus der Hand gibt.
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