Wahlen in OstafrikaRuanda wählt, doch der Sieger steht längst fest – auch wegen eines Geldsegens aus Europa
Der umstrittene Dauerherrscher Paul Kagame wird wohl im Amt bleiben. Er regiert sein Land mit harter Hand – und profitiert vom Migrationsdeal mit Grossbritannien.
An diesem Montag wird gewählt in Ruanda. Doch die eigentlich spannende Wahl für das kleine Land in Ostafrika fand bereits vergangene Woche knapp 7000 Kilometer weiter nördlich statt. In Grossbritannien. Dort regiert jetzt die Labour-Partei. Und der neue Premierminister Keir Starmer teilte direkt nach seinem Wahlsieg mit, dass er ein Prestigeprojekt der konservativen Vorgängerregierung in der politischen Mülltonne entsorgen werde: den Migrationsdeal mit Ruanda. Das Abkommen, sagte Starmer, sei «tot und begraben».
Der Deal sah vor, dass Menschen, die im Vereinigten Königreich um Asyl ersuchen, nach Ruanda geflogen werden. Dort sollte ihr Antrag bearbeitet werden – und dort sollten sie im Fall eines positiven Bescheids bleiben dürfen. Der Deal wurde in ganz Europa hitzig diskutiert. Doch kein einziger Asylbewerber aus Grossbritannien ist je in Ruanda gelandet.
Und so wird es wohl auch bleiben. Die umgerechnet fast 300 Millionen Euro aber, die London bereits nach Kigali überwiesen hat, werde man behalten, teilte ein ruandischer Regierungssprecher mit. Eine Geld-zurück-Garantie habe man nicht vereinbart.
99 Prozent der Stimmen für Kagame
Rein finanziell war der Migrationsdeal also ein Gewinn für Ruandas Präsidenten Paul Kagame. Und auch sonst steht er gut da. Dass Kagame am Montag im Amt bestätigt wird, ist sicher. 99 Prozent bekam er bei der letzten Wahl vor sieben Jahren, mit einem ähnlichen Ergebnis ist auch dieses Mal zu rechnen. Sechs der acht Herausforderer des Präsidenten wurden schon vorab von der Wahl ausgeschlossen. Die beiden verbliebenen Kandidaten sind dieselben wie 2017. Einen echten Wahlkampf hat es nicht gegeben.
Der heute 66 Jahre alte Kagame beendete 1994 den Bürgerkrieg und den Völkermord in Ruanda an der Spitze einer Armee. Mindestens 800’000 Menschen, vor allem Angehörige der Tutsi-Minderheit, waren zuvor innerhalb von nur 100 Tagen auf häufig bestialische Weise ermordet worden. Seitdem hat Kagame, selbst Tutsi, das Sagen in dem Land mit 14 Millionen Einwohnern. Zunächst als Vizepräsident und Verteidigungsminister, seit 2000 als Präsident. Eine Begrenzung seiner Amtszeit auf zwei Legislaturperioden liess Kagame 2015 per Referendum aus dem Weg räumen. Stand jetzt könnte er bis 2034 im Amt bleiben.
Kagame hat Ruanda nach dem Völkermord befriedet und stabilisiert. Die Wirtschaft wächst. Die Hauptstadt Kigali hat sich zu einer der saubersten und sichersten Städte Afrikas entwickelt, die Kagame auch zunehmend als Standort für internationale Firmen und globale Sportveranstaltungen in Stellung bringt. Selbst die Hutu-Mehrheit im Land – jene Volksgruppe also, der die meisten Täter des Völkermords entstammten – steht Untersuchungen zufolge hinter dem Präsidenten.
Doch der Preis ist die Freiheit. Kagame regiert Ruanda mit harter Hand. Seit Jahren werden ihm massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Die Opposition wird zahllosen Berichten zufolge eingeschüchtert und drangsaliert, Regimegegner und kritische Journalisten werden eingesperrt, verschleppt und ermordet. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International rief Ruandas Regierung auf, «ihre fortdauernden und schweren Verstösse gegen die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht» unverzüglich zu beenden und «Raum für abweichende Meinungen vor, während und nach der Wahl» zuzulassen.
Kagame soll Rebellen mit Waffen und Geld unterstützen
Kritik zieht Kagame nicht nur wegen seines repressiven Regimes im Inneren auf sich, sondern auch wegen seiner zunehmend expansiven Aussenpolitik. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo, Ruandas westlichem Nachbarn, gibt es seit drei Jahren immer heftigere Kämpfe; Millionen Menschen sind bereits geflohen.
Die grösste der zahlreichen hier aktiven Milizen und Rebellengruppen heisst M23. Kagame wird schon lange vorgeworfen, M23 mit Waffen und Geld zu unterstützen. Die Vorwürfe wies er stets zurück. Inzwischen soll Ruanda im Kongo nicht mehr nur einen Stellvertreterkrieg führen, sondern selbst in die Kämpfe eingreifen. Ein Ende Mai veröffentlichter Bericht der Vereinten Nationen spricht von bis zu 4000 ruandischen Soldaten im Land. «Die rasant eskalierende M23-Krise könnte sich zu einem überregionalen Konflikt auswachsen», heisst es im UNO-Bericht.
Im Osten des Kongo ist die Feindschaft zwischen Hutu und Tutsi auch 30 Jahre nach dem Völkermord nicht beendet. Die M23 besteht hauptsächlich aus Tutsi. Sie kämpft gegen die Hutu-Miliz FDLR, in der 1994 viele Täter des Völkermords Zuflucht fanden und die bis heute, so stellt es zumindest Kagame dar, eine Bedrohung für Ruanda darstelle. Kritiker werfen ihm vor, den Konflikt nur als Vorwand zu nutzen, um sich im rohstoffreichen Osten des Kongo festzusetzen.
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