Zürcher Kulturzentrum in NotFehler in Personalplanung: Rote Fabrik muss Hunderttausende Franken sparen
Das Zürcher Vorzeige-Kulturzentrum ist in ernsthaften Schwierigkeiten. Gemäss einem internen Schreiben wird beim Personal gespart und die «Fabrikzeitung» eingestellt.
«Klar ist: Die Situation ist für alle richtig beschissen.»
Der Vorstand der IG Rote Fabrik findet deutliche Worte im Schreiben, das er am Freitag an die Mitarbeitenden verschickt hat. Darin informiert er über die aktuelle «Notlage», in der sich das Kulturzentrum befindet. Im laufenden Geschäftsjahr zeichne sich gemäss Vorhersage ein Defizit von einer halben Million Franken ab. Das ist viel für eine Kulturinstitution, die mit ihren Veranstaltungen weniger als eine Million Franken pro Jahr einnimmt.
Aufgrund der prekären Situation und der Gefahr, den Betrieb nächstes Jahr sogar einstellen zu müssen, hat der Vorstand Sofortmassnahmen ergriffen. Einschneidend sind vor allem geplante Einsparungen beim Personal in Höhe von 380’000 Franken im nächsten Jahr.
Der Sparbetrag soll mit «Vertragsauflösungen», Pensenreduktionen und der Sistierung der seit 1984 erscheinenden Fabrikzeitung erreicht werden. Eine Massenentlassung sei dagegen nicht vorgesehen. Die aktuelle Bilanz kann nur durch die Auflösung von Covid-Rückstellungen aus den Vorjahren gerettet werden.
«Fehlendes Selfcontrolling»
«Es stellt sich für uns keine Schuldfrage», schreibt der Vorstand im Brief, der dieser Redaktion vorliegt. Es gebe nicht die eine grosse Abweichung vom Budget, sondern viele verschiedene, die sich summiert hätten. Dazu gehörten nicht erreichte Einnahmeziele (minus 118’000 Franken gegenüber dem Budget 2023), ungeplante Mehrausgaben (minus 103’000 Franken) und «fehlendes Selfcontrolling in der Personalplanung» (minus 127’000 Franken). Was das im Detail bedeutet, bleibt unklar. Die basisdemokratisch organisierte IG Rote Fabrik hat die Fragen dieser Redaktion am Mittwoch bis Redaktionsschluss nicht beantwortet. Antworten wurden für Donnerstag in Aussicht gestellt.
Gemäss seinem Schreiben will der Vorstand Defizitbeiträge für den Verein Dock18 und den Bereich Fabrikvideo stoppen. Dock18 betreibt in der Roten Fabrik einen «Raum für Medienkulturen der Welt» und organisiert das Vintage Computer Festival; Fabrikvideo ist eine Anlauf- und Fachstelle für Videoprojekte. Ob und wie die weitere Zusammenarbeit sinnvoll und wünschenswert sei, werde nun geklärt.
Die beiden Abteilungen Fabrikzeitung und Konzeptbüro werden «unter Einhaltung bestehender Verpflichtungen» sistiert. Das Konzeptbüro ist für Veranstaltungen zu politischen und gesellschaftlichen Fragen zuständig und bildet die dritte wichtige Säule des Hauses neben der Musik und dem Theater.
Eigenkapital fehlt, um Löhne zu gewährleisten
Trotz «aller Gewichtigkeit dieser Massnahmen» bleibt laut Vorstand ein grosser Restbetrag, den es zu sparen gilt. Auch im Technikteam, im Musikbüro, im Clubbüro und in weiteren Bereichen sollen Mittel gekürzt werden.
Mit diesen Sparzielen soll das Eigenkapital des Vereins wieder einen Minimalbetrag erlangen. Lange Zeit betrug dieses 600’000 Franken. Schon vor einem Jahr schrumpfte es wegen des damaligen Defizits auf 355’000 Franken. Bis 2028 soll das es wieder auf 700’000 Franken aufgebaut werden. Erst dann wäre es gemessen am Jahresaufwand hoch genug, um insbesondere die Lohnzahlungen über mindestens drei bis vier Monate zu gewährleisten.
Die von den Einsparungen betroffenen Bereiche sollen nun als Nächstes die Auswirkungen der Massnahmen auf ihre Planung überprüfen. Diese Woche finden klärende Diskussionen und Kündigungsgespräche statt.
Stadt plant keine Massnahmen
Die IG Rote Fabrik erhält 2,5 Millionen Franken an Subventionen von der Stadt Zürich. Ausserdem werden ihr die Mietkosten in Höhe von 875’000 Franken erlassen. Damit ist die Rote Fabrik hochgradig subventioniert. Im Jahr 2022 nahm sie rund 944‘000 Franken über eigene Veranstaltungen ein. Die Personalkosten betrugen 2,5 Millionen Franken.
Die Kulturabteilung der Stadt Zürich hat als Subventionsgeberin Einsitz im Vorstand und ist deshalb über die finanzielle Situation informiert. Die Szenarien seien in der Vorstandssitzung vom 30. November 2023 diskutiert worden, sagt Lukas Wigger, der Sprecher des städtischen Präsidialdepartements. Die Situation sei angespannt, auch weil bereits letztes Jahr ein Defizit resultiert habe.
Die Rote Fabrik hat bei der Stadt Zürich keine zusätzlichen Mittel beantragt. «Die Stadt geht davon aus, dass die IG Rote Fabrik die angespannte finanzielle Situation mit dem bestehenden städtischen Betriebsbeitrag bewältigt», sagt Wigger.
Die Jungen übernahmen den Vorstand
Die Rote Fabrik hat unruhige Zeiten hinter sich. Im Sommer 2021 kam es zu einer turbulenten Mitgliederversammlung. In einem sechseinhalbstündigen Online-Meeting wurde heftig gestritten, es wurden Rücktritte verkündet und Vorstandsmitglieder abgewählt. Der Hintergrund war für Aussenstehende einigermassen banal: eine Forderung der Leiterin des Clubbüros, Isabelle von Walterskirchen, nach mehr Autonomie und einem eigenständigen Bereich in der Struktur der Roten Fabrik.
Langjährige Vorstandsmitglieder gaben noch während der Versammlung ihren Rücktritt bekannt oder wurden abgewählt. Sechs von neun Sitzen im Vorstand wurden schliesslich neu besetzt, teils mit jungen Mitgliedern, die sich spontan aufstellen liessen.
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