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Meinung

Ronja Fankhausers Brief an die Mutter
Warum ich mein Geld teile

Hey Mama,

du findest, ich gehe nicht vorsichtig genug mit meinem Geld um, gebe zu viel davon weg.

Es ist wahr: Ich mag Geld nicht, mag nicht, es zu haben, darüber entscheiden zu müssen, das Ganze kommt mir unfair vor. Ich kriege 600 Franken dafür, auf einer Bühne zu sitzen und vorzulesen, ein paar Fragen zu beantworten. Währenddessen schrubbt jemand eine Stunde lang Böden und Fenster, holt sich Rückenprobleme und raue Handinnenflächen, kriegt 19 Franken die Stunde. Währenddessen sitzt ein Mann im Hochglanzbüro, spielt auf dem Handy Sudoku und macht Millionen.

Geld ist nicht und war nie eine faire Angelegenheit. Wer kann schon entscheiden, welche Arbeit wie viel Lohn verdient?

Ein paar Jahre lang habe ich mein Geld in einem Kollektiv mit fünfzehn Menschen geteilt. Mein gesamtes Einkommen und meine gesamten Ausgaben liefen damals über das gemeinsame Konto. Obwohl wir immer knapp bei Kasse waren, gab mir die Gruppe ein Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit, bei finanziellen Problemen suchten wir gemeinsam eine Lösung, und es fühlte sich gut an, nicht nur für mich selbst zu arbeiten.

Ich lernte, bewusster zu konsumieren – schliesslich kostete jeder Kauf nicht nur mich, sondern auch die anderen –, lernte, für meine Bedürfnisse einzustehen und die der anderen zu respektieren.

Wir hatten alle sehr unterschiedliche Sichtweisen auf unsere Finanzen: Manche hatten reiche Eltern und Aussicht auf Erbe, gaben deswegen unbesorgt das gemeinsame Geld aus – andere hatten ständig Angst, dass wir bankrottgehen würden, sparten, wo es nur ging, verzichteten auf Arztbesuche und andere Grundbedürfnisse. Dieser ungleiche Umgang war einer der Gründe, warum ich das Kollektiv irgendwann verlassen habe. Heute teile ich mein Geld noch mit zwei Personen.

Ich glaube, Geld ist wie eine Droge: macht süchtig, macht high. Schwierig, ihm nicht zu verfallen, wenn es mit seiner tiefen Stimme nach uns ruft, uns mit Versprechen lockt. Strandhäuser, Privatjets, Infinitypools.

Es gibt diese Story, die uns verkauft wird, ein Scheinbild: Auch du kannst es schaffen, wenn du dich nur genug anstrengst, schlau investierst.

Tatsächlich aber ist Reichtum selten das Ergebnis harter Arbeit, sondern meistens ein Puzzle aus Privilegien, Erbschaften, Zufällen, Networking und der Ausbeutung anderer. Solange es noch Menschen gibt, die auf der Strasse schlafen, solange es noch an stabilen Gesundheits- und Bildungssystemen mangelt, solange nicht die Grundbedürfnisse aller Menschen der Welt mehr oder weniger gedeckt sind – so lange sollte niemand mehrere Häuser oder mehrere Boote oder mehrere Flugzeuge besitzen.

Du sagst mir, das sei radikal. Du sagst mir, dass ich verstehen muss, dass ich mit solchen Meinungen auf Widerstand stossen werde. Aber du sagst nicht, ob du findest, dass ich recht habe. Ich glaube, insgeheim stimmst du mir zu.

Bis bald,

Ronja

Ronja Fankhauser wuchs auf einem Bauernhof auf. Hier schreibt sie ihrer Mutter aus dem Stadt-Land-Graben.