Riesenslalom in AdelbodenEin Schweizer Jubeltag – und Odermatt zieht mit einer Legende gleich
Der Ausnahmekönner triumphiert vor Loïc Meillard. Es handelt sich um den vierten Sieg in Folge am Chuenisbärgli. Doch er sagt: «Ich hatte Sauglück.»
Geht es besser? Wohl kaum. Was die Tausenden Zuschauerinnen und Zuschauer am Sonntag am Chuenisbärgli und an den Bildschirmen geboten bekommen, ist Skisport vom Feinsten. Und die Schweizer spielen dabei die Hauptrolle.
Da fahren Loïc Meillard und Luca De Aliprandini wie entfesselt, aber einer ist halt noch schneller. Mit zwei Zehnteln Vorsprung triumphiert Marco Odermatt vor Teamkollege Meillard, deren sieben beträgt die Differenz auf den Italiener. Natürlich verwundert es nicht, schwingt im Riesenslalom einmal mehr er obenaus. Die beiden Ausfälle zum Saisonstart sind längst vergessen, der Nidwaldner ist wieder die unangefochtene Nummer 1 in seiner Paradedisziplin. Doch Odermatt hält fest: «Ich hatte Sauglück.»
Auf einer Stufe mit Stenmark
Ob es nun Glück oder Können war, das liegt im Auge des Betrachters. Nach einem für seine Verhältnisse verhaltenen ersten Lauf – vor allem im ersten Streckenteil – geht Odermatt in der Entscheidung wieder auf tutti. Dabei verschlägt es ihm kurz vor dem Zielhang die Ski. Nicht viele hätten sich dabei auf den Füssen gehalten, er aber dreht nochmals auf und legt im Zielhang die Basis für seinen Sieg. Nur De Aliprandini und Luca Aerni (7.) fahren diese Passage noch schneller. Bezeichnend: Der Halbzeit-Führende Meillard liegt bis zur letzten Zwischenzeit noch vor Odermatt. Meillard sagt: «Das regt mich schon auf. Aber wenn ich schaue, woher ich komme, dann habe ich heute meinen Job gemacht. Und Marco hat es verdient.»
Seit Monaten kämpft der Walliser mit gravierenden Rückenproblemen. Bei den Vorbereitungen auf den Saisonauftakt in Sölden erlitt er im Oktober einen Schlag in den Rücken. Die Untersuchungen ergaben einen Riss in einer Bandscheibenhülle – eine sehr schmerzhafte Verletzung. Und wegen der gekrümmten Haltung behindert sie Meillard im Riesenslalom mehr als im Slalom. «Bis heute hat mir der Mut gefehlt, Vollgas zu geben. Deshalb bin ich zufrieden», sagt er. Zumal er am Samstag noch einen Rückschlag der anderen Art hinnehmen musste: Als Disziplinen-Führender schied er schon im ersten Lauf des Slaloms aus.
Odermatt schreibt derweil in Adelboden mit seinem vierten Sieg in Folge Geschichte. Weil er schafft, was nicht einmal Grössen wie Hermann Maier, Michael von Grünigen oder Marcel Hirscher gelungen ist. Einzig Ingemar Stenmark triumphierte hier zwischen 1979 und 1982 ohne Unterbruch. «Jeder Sieg ist auf seine Art anders», sagt Odermatt. «Aber heute waren ein bisschen weniger Emotionen im Spiel, weil Loïc noch oben stand.»
Tumler versöhnt sich mit Adelboden
Dank der Ausnahmekönner kommt Adelboden also doch noch zu seinem Skifest, das am Samstag nach dem wetterbedingten Tausch und dem durchzogenen Auftritt der Schweizer Slalomfahrer nicht so recht entstehen wollte. Die 15’000 Zuschauerinnen und Zuschauer erleben bei prächtigem Winterwetter eine Galadarbietung der Einheimischen.
Denn neben Odermatt und Meillard ist da auch noch Thomas Tumler, der mit dem 4. Platz sein mit Abstand bestes Ergebnis am Chuenisbärgli feiert. 35 musste er werden, ehe er im Dezember in Beaver Creek sein erstes Weltcuprennen gewinnen konnte. Es folgte ein 25. Platz in Val-d’Isère respektive ein Ausfall in Alta Badia. «Ein Dreifachsieg wäre schön gewesen. Aber nach meinen letzten Rennen hätte ich im Vorfeld für diesen 4. Platz sofort unterschrieben», sagt Tumler. «Ich bin mir hier oft selbst im Weg gestanden, heute hat es geklappt. Die harten Zeiten haben mich stärker gemacht, davon profitiere ich jetzt.»
Es passt zu diesem Sonntag, lässt sich der Drittplatzierte De Aliprandini fast schon als halber Schweizer verkaufen. Der Italiener ist mit Michelle Gisin verlobt und spricht Schweizerdeutsch. «Wenn ich zwei Läufe ohne Fehler runterbringe, kann ich schnell sein. Das habe ich heute zu 95 Prozent gezeigt», hält er fest und spricht den zeitraubenden Fehler zu Beginn des ersten Durchgangs an. Ein paarmal habe er im zweiten Lauf an seine Verlobte gedacht, die ihm immer wieder einrede, nicht so nah an den Toren zu fahren. «Aber dann sagte ich mir: Jetzt gehst du all in.» Diese Herangehensweise münzt im zweiten Podestplatz im Weltcup.
Apropos Podestplätze: 17 Weltcuprennen bestritten die Männer in diesem Winter, nur dreimal stand kein Schweizer auf dem Podium. Nun macht sich der Tross auf nach Wengen, wo kommende Woche Super-G, Slalom und die legendäre Lauberhornabfahrt anstehen. Die Aussichten auf weitere Höhenflüge sind günstig. Was nicht nur, aber vor allem an Odermatt liegt.
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17 – Alexis Pinturault
Er konnte hier schon dreimal gewinnen. Das war allerdings vor seiner schweren Knieverletzung, die er Anfang Jahr erlitten hat. Das Comeback ist Pinturault halbwegs geglückt. Das gilt auch für den ersten Lauf am Chuenisbärgli – er hält den Schaden mit 1,60 Sekunden Rückstand in Grenzen.
Marco Odermatt im Interview
Der Dritte des ersten Laufs sagt gegenüber dem Schweizer Fernsehen: «In den ersten drei, vier Toren spürte ich die Ski nicht perfekt. Deshalb nahm ich mir ein paar Tore Zeit, bis es besser wurde. Es war nicht meine beste Fahrt der Saison, aber zumindest unten war es perfekt, da fuhr ich genau so, wie es geplant war. Zum Glück ist mir das gelungen, so ist der Rückstand noch nicht zu gross. Die Piste ist genial, sogar noch besser als erwartet.»
16 – Manuel Feller
Wie sehr nagt der Ausfall vom gestrigen Slalom an ihm? Das ist die Frage bei Manuel Feller. Als Führender konnte er gestern in der Entscheidung antreten – und schied aus. Nun vielleicht etwas mehr, als ihm lieb ist. Feller verliert 2,7 Sekunden auf Meillard – das ist die bisher schlechteste Zeit.
15 – Timon Haugan
Der Sieger des Slaloms von Alta Badia ist unterwegs. Er bewies jüngst mit Platz 5 auf der Gran Risa, dass er auch mit selektiven Riesenslalom-Hängen zurecht kommt. In Adelboden aber verliert Haugan kontinuierlich Zeit. Am Ende sind es 1,33 Sekunden – Zwischenrang 10.
14 – River Radamus
Der Amerikaner färbt seine Haare regelmässig, manchmal trägt er einen Zebra-, oder Leopardenmuster auf dem Kopf, manchmal überrascht er mit einem Blumen-Look. Seine Frisuren aber geben in diesem Winter bisher mehr zu reden als seine Resultate, noch befindet er sich nicht in Bestform. Am Chuenisbärgli, wo er 2024 Vierter war, äuft es nicht besser, Radamus reicht es nur für den 13. und derzeit letzten Rang.
13 – Alex Vinatzer
Schon oben verliert der Italiener fast neun Zehntel. Am Ende sind es 2,12 Sekunden Rückstand und der vorerst letzte Platz. Übrigens: Seit 20 Jahren und Massimiliano Blardone konnte im Riesenslalom-Klassiker kein Italiener mehr triumphieren.
12 – Joan Verdu
Der Andorraner war einer der Aufsteiger des letzten Winters, fuhr zweimal aufs Podest. Um etwas dazu zu verdienen, ist er seit kurzem auf «Onlyfans», einer Plattform mit Schmudel-Image. Prominente und solche, die es sein möchten, bieten dort Geld für einen Blick hinter die Kulissen – und meistens auf viel nackte Haut. Nun ja, in Adelboden will Verdu seine Haut primär teuer verkaufen. Es gelingt ihm: Mit 93 Hundertsteln Rückstand wird er Sechster, direkt hinter Tumler.
11 – Thomas Tumler
Sein Sieg in Beaver Creek rührte Teamkollege Fadri Janutin zu Tränen. Weil Tumler ein Beispiel dafür sei, dass es sich eben lohne, nie aufzugeben. 35 musste der Bünder werden, um erstmals zu triumphieren. Seither setzte es einen 25. Platz in Val-d’Isère ab und in Alta Badia schied er gar aus, weil er einen Stein erwischte. Und nun in Adelboden? Er fährt einen starken Mittelteil, verliert letztlich 0,68 Sekunden auf Copain Meillard – das war ein sehr solider Lauf.
10 – Luca de Aliprandini
Der Verlobte von Michelle Gisin hat in dieser Saison schon ein Rennen gewonnen, allerdings war es im September «nur» ein Riesenslalom des Südamerika-Cups in Argentinien. Schon oben unterläuft ihm ein grober Fehler, der ihn über eine Sekunde kostet. Nach der ersten Zwischenzeit aber kommt fast nichts an Rückstand hinzu. Dennoch wird er Letzter.
9 – Stefan Brennsteiner
Und gleich der nächste Österreicher. Wobei der Auftritt zu Ende ist, ehe er richtig begonnen hat. Nach fünf Toren rutscht Brennsteiner auf dem Innenski aus – das wars.
8 – Marco Schwarz
Nach fast einjähriger Verletzungspause tut sich der Österreicher beim Comeback schwerer als erhofft. Er müsse durch diese schwere Phase durch, sagt Schwarz, den wir am Freitag noch gut gelaunt beim Abendessen gesehen haben. Vorerst geht es auch in Adelboden nicht richtig vorwärts – «Blacky» reiht sich zuhinterst im Klassement ein.
7 – Alexander Steen Olsen
Und schon der dritte Norweger. Alexander Steen Olsen triumphierte zum Saisonstart in Sölden, zuletzt wurde er Dritter in Alta Badia. Aber der 23-Jährige kämpft mit Knieproblemen. Ob das der Grund ist für die unsaubere Fahrt im Zielhang? Jeweils handelt sich Steen Olsen einen Rückstand von rund einer Sekunde ein.
6 – Zan Kranjec
Vor fünf Jahren gewann der Slowene in Adelboden, 2022 holte er in Peking hinter Odermatt Olympia-Silber. Kranjec gehört seit neun Jahren zu den Top 15 der Riesenslalom-Weltrangliste, auch in diesem Winter (3. in Beaver Creek) ist er schon auf dem Podest gestanden. Obs heute für die Top 3 reichen wird? Nun, Kranjec büsst fast eine Sekunde ein und fährt auf Zwischenrang 5.
5 – Filip Zubcic
Auch der Kroate weiss, wie es sich anfühlt, in Adelboden auf dem Podest zu stehen. Er verliert aber kontinuierlich Zeit, gerade im Zielhang – am Ende resultiert ein Rückstand von 1,16 Sekunden.
4 – Marco Odermatt
Schon nach der Besichtigung rund 70 Minuten vor dem Start machte er im Zielraum die Welle mit den bereits anwesenden Fans. Adelboden und Odermatt, das passt: Hier hat der Nidwaldner zuletzt dreimal in Folge triumphiert. Umso erstaunlicher ist es, dass er bis zum Zielhang 76 Hundertstel verliert – ohne ersichtlichen Fehler. Aber Odermatt zündet gegen Ende noch den Turbo, holt über vier Zehntel auf und büsst letztlich «nur» 34 Hundertstel auf seinen Teamkollegen ein. Rang 3 und eine spannende Ausgangslage für Lauf 2.
3 – Henrik Kristoffersen
Und gleich der nächste Norweger. Henrik Kristoffersen mag Adelboden, keine Frage. Fünfmal schaffte er es im Riesenslalom-Klassiker schon aufs Podest. Und heute? Nun: Im Mittelteil fährt Kristoffersen sehr stark, kommt fast an Meillard heran. Doch im Zielhang verliert er wieder an Boden – 0,27 Sekunden Rückstand.
2 – Atle Lie McGrath
Vater Felix fuhr Skirennen für die USA, die norwegische Mutter Selma war Spitzen-Längläuferin. Der Junior will endlich seinen ersten Riesenslalom-Sieg, seine Ambitionen untermauerte er zuletzt in mehreren Interviews. Nach dem Ausfall gestern im Slalom erreicht McGrath das Ziel, er büsst auf Meillard aber vorab wegen des nicht optimalen Zielhangs 35 Hundertstel ein.
1 – Loïc Meillard
Es geht los! Loïc Meillard eröffnet diesen Riesenslalom von Adelboden. Gestern erlebte der Neuenburger mit dem Ausfall im Slalom einen Dämpfer. Zudem kämpft er mit gravierenden Rückenproblemen, die ihn gerade im Riesenslalom behindern. Seine Zeit: 1:15.15.
Weitere Favoriten
Ein Geheimfavorit ist Alexander Steen Olsen längst nicht mehr. Zum Saisonauftakt triumphierte der 23-jährige Norweger in Sölden, zuletzt wurde er in Alta Badia Dritter. Aber er kämpft mit Knieproblemen. Gewiss zum engsten Favoritenkreis gehört auch Henrik Kristoffersen, der Zweite von Sölden und Dritte vom gestrigen Slalom. Er stand in Adelboden schon fünfmal auf einem Riesenslalom-Podest – aber noch nie zuoberst. Aussenseiterchancen haben Filip Zubcic und Atle Lie McGrath
Prominenter Zuschauer
Auch Sportprominenz befindet sich unter den Tausenden Zuschauerinnen und Zuschauern am Chuenisbärgli. So ist Schwimmer Noé Ponti nach Adelboden gereist, um Marco Odermatt und Co. anzufeuern. Jüngst unterlag der dreifache Kurzbahn-Weltmeister dem Über-Skifahrer in der Wahl zum Sportler des Jahres, die gegenseitige Sympathie hat das nicht beeinträchtigt. Für Ponti ist es übrigens eine Premiere, noch nie zuvor hat er ein Skirennen vor Ort verfolgt. «Die Stimmung ist mega. Anders, als in einer Schwimmhalle, aber gut», hält er gegenüber SRF fest.
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