Neue EP «Losloh» Riana ist die erste Appenzellerin, die Popsongs im Dialekt singt
Während Gleichaltrige im Jodelchor sangen, wollte Riana Steinmann eigene Lieder schreiben. Über die Tücken einer Popkarriere in Appenzell Innerrhoden.
Riana Steinmann, 23 Jahre alt, musste weg aus dem Dorf, in dem sie zuvor 22 Jahre lang gelebt hatte. Der Grund ist pragmatisch: Sie will Musik machen, und dafür ist Appenzell, ihr Heimatort, doppelt ungünstig. «Wenn ich Konzerte spielte, egal wo, hatte ich immer mindestens eineinhalb Stunden Weg.» Nach Bern und zurück war sie jeweils vier Stunden mit dem Auto unterwegs.
Überhaupt sei es nicht einfach, wenn man in Appenzell Popmusik machen will. «Es gibt dort kaum Bands, ausser vielleicht am Gymi. Wer mit Bands in Kontakt kommen will, muss weg», sagt Steinmann, die ihren Vornamen Riana zu ihrem Künstlerinnennamen gemacht hat.
Jetzt wohnt sie seit vergangenem Jahr in Winterthur. In einer Musikstadt, in der zahlreiche Bands heranwachsen, wo es Konzertlokale und die jährlichen Musikfestwochen gibt. Und die für Steinmann nahe genug bei ihrer Heimat Appenzell liegt, wo die gesamte Familie lebt. In 50 Minuten ist sie dort. «Manchmal vermisse ich das Ländliche», sagt Riana.
«Ich bin aufgefallen. Warum soll man sich vor andere hinstellen und eigene Lieder singen?»
Als sie neun Jahre alt ist, nimmt sie erste Gesangsstunden – zuerst im Dorf, später in St. Gallen, was Steinmanns musikalischen Horizont schon früh über Appenzell hinaus weitet. Als Teenager beginnt sie erste eigene Lieder zu schreiben, damals noch ausschliesslich auf Englisch. Nach der Matura sagt sie sich: «Entweder mache ich etwas draus, oder ich lasse es.»
2018 bewirbt sich Riana beim Ostschweizer Talentwettbewerb Band X Ost – und gewinnt. «Ich wurde da komplett ins kalte Wasser geworfen. Ich hatte keine Ahnung vom Musikgeschäft.»
Als Steinmann den Band-Contest gewinnt, ist sie 18 Jahre alt, im Finale spielt sie drei eigene Lieder. Der Gewinn des Wettbewerbs öffnet weitere Türen: Sie erhält für ein Jahr lang Unterstützung und Beratung, nimmt Lieder auf, die zu einem ersten Minialbum werden, tritt bei Festivals in der Region auf – und sie trifft sich mit Labelvertretern in Zürich, der Hauptstadt des hiesigen Musikgeschäfts. Steinmann erhält gleich mehrere Anfragen.
Im Dorf werden die ersten Schritte der Nachwuchsmusikerin skeptisch beäugt. «An einem kleinen Ort, wo alle alle kennen, war es nicht einfach, etwas anderes zu machen. Ich bin aufgefallen», sagt Riana. «Warum soll man sich vor andere hinstellen und eigene Lieder singen?» Während Gleichaltrige bei Jodelchören oder der örtlichen Harmonie mitmachen und Volksmusikstücke lernen, sucht sie weiter nach ihrer eigenen Popstimme.
Die Angebote von den Labels aus Zürich lehnt sie damals allesamt ab. Es sei teilweise von grossen Plänen geredet worden, von Konzerten im Ausland. Doch die Nachwuchskünstlerin will sich nicht in eine Rolle drängen lassen. «Es wäre nicht gut gekommen», sagt sie heute.
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2020 schreibt Riana das erste Mundartlied, «Heweh» heisst es, der weiche Appenzellerdialekt entfaltet sich schon in diesem einzigen Wort. Damals sei das mehr als Jux gedacht gewesen, im Stück singt sie von Töffli, Traktoren und Gülle, vom garstigen Wetter, aber auch von der frischen Bergluft.
Die Mundart lässt sie nicht mehr los. «Je mehr ich ausprobiere, desto wohler fühle ich mich damit.» Natürlich könne sie viel besser sagen, was sie fühlt, wenn sie das auf Appenzellerisch tue. «Wenn ich die richtigen Worte finde. Schweizerdeutsche Texte verwerfe ich häufiger. Ich bin da viel kritischer, es klingt schnell kitschig.»
Auch auf Englisch schreibt sie weiterhin, auf der jüngsten EP sind vier Lieder in Dialekt und zwei auf Englisch gesungen. Für die Sprache entscheidet sie sich gefühlsgeleitet. «Da ist keine Strategie dahinter.»
«Schöne, alte Wörter»
Riana ist zurzeit die Einzige im Land, die hauptsächlich Pop im Appenzellerdialekt macht. Das Appenzellerische werde stark mit Volksmusik in Verbindung gebracht.
Der Dialekt eigne sich sehr zum Singen, sagt die Musikerin. «Er ist melodisch und hat schöne, alte Wörter.» Wie gut er klingt, zeigen die Titel ihrer neusten Lieder, «Fö eu», «Dehem», oder der Satz, den Steinmann auf Instagram gepostet hat, um auf ihre Musik zu verlinken: «Vö Musig chasch do chli go schnöchsle.»
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Inzwischen arbeitet die Musikerin mit ihrem Wunschlabel Bakara zusammen, bei dem zuvor schon Steff la Cheffe, Nemo oder Lo & Leduc gross geworden sind. Nach einem Auftritt bei SRF 3 im Februar sei sie kontaktiert worden. Sie und ihre Bandmitglieder hätten «eine Scheissfreude» gehabt. «Wir fühlen uns am richtigen Ort.»
Mit der neuen EP «Losloh» macht sich Riana nun an die Fleissarbeit, sich ein Publikum zu erspielen. 40 Konzerte hat die Musikerin innert einem Jahr gegeben, bis Januar folgen weitere. Gerade ist sie mit Marius Bear unterwegs, dem ESC-Teilnehmer von 2022 aus Enggenhütten AI, fünf Autominuten vom Hauptort Appenzell entfernt. Er ist ein paar Jahre älter, aber man kennt sich schon länger, aus Gymizeiten.
«Das Schöne an Konzerten ist, dass ich nicht nur Streamingzahlen sehe, sondern tatsächliche Menschen, die meine Musik hören», sagt Riana. «Das Schönste wäre, wenn sie bei den Konzerten irgendwann meine Texte mitsingen könnten.» Im Dorf fragt sich niemand mehr, was Riana Steinmann da macht.
Live: 9. Dezember, Hermannbier St. Gallen; 5. Januar, Schüür Luzern. Die EP «Losloh» mit sechs Liedern ist am 24. November erschienen.
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