Neuer Nationaltrainer der FrauenDie Wahl des Verbands zeigt vor allem die Probleme auf
Reto Gertschen hat keinerlei Erfahrung mit Frauenteams – trotzdem steht er in den kommenden Länderspielen an der Seitenlinie. Das sagt einiges aus über den Schweizer Frauenfussball.

Reto Gertschen erlebt gerade turbulente Tage, es ist eine Abzweigung in seinem Trainerleben, mit der er wohl kaum gerechnet hat. Letzte Woche, er war in den Ferien, meldete sich der Schweizerische Fussballverband bei ihm: Man suche einen Cheftrainer, beim Nationalteam der Frauen. Ob er das machen wolle.
Gertschen, eigentlich Leiter des Ressorts Trainerausbildung im Verband, sagte zu, «wenn ihr etwas braucht, bin ich da». Und schon ist er der Nachfolger von Inka Grings, der SFV hatte sich von ihr getrennt, einvernehmlich, wie es heisst. Am Mittwoch wurde publik, dass Grings in Deutschland in einen Gerichtsfall verwickelt war, der nichts mit dem Sportlichen zu tun hatte, Ende Woche folgte die Trennung, dann das Telefonat mit Gertschen.
Zwei Spiele stehen nun für den 58-Jährigen an, er übernimmt das Team interimistisch. Am kommenden Freitag spielt die Schweiz in Luzern gegen Schweden, am Dienstag darauf auswärts in Italien. Sie will für einen versöhnlichen Abschluss der Nations League sorgen, in der der Abstieg in die zweite Stärkeklasse schon fast garantiert ist. Vier Spiele, null Punkte, 1:14 Tore, das war die Bilanz von Grings.
Die Wahl Gertschens ist unspektakulär, aber sie sagt auch einiges über die Zustände des Schweizer Frauenfussballs aus. Da ist einerseits die Erkenntnis, dass die Auswahl an möglichen Nachfolgerinnen und Nachfolgern eher beschränkt ist. Gertschen war bisher stets bei den Männern oder Junioren tätig. Mit Fussball spielenden Frauen hat er bisher keine Erfahrungen gemacht. Ausser: Einmal hatte er in einer U-13-Mannschaft vier Mädchen, wie er am Freitag sagt.
Es wird andererseits auch schnell klar, dass der SFV von Grings’ früheren Aktivitäten in Deutschland überrumpelt wurde und diese am Ende zum Trennungsgrund wurden. Der Verband war trotz der teilweise blamablen Auftritte ganz offensichtlich gewillt, mit Grings zumindest die Nations League zu Ende zu spielen. Sonst wäre es in der Nachfolgefrage kaum zu diesem Schnellschuss gekommen.
Aufgebot ohne Aufreger
Am Freitag sitzt Gertschen in Bern erstmals in seiner Rolle als Nationaltrainer vor den Medien. Diese zwei Spiele sollen es werden, nicht mehr. Allerdings schliesst niemand ganz aus, dass Gertschen auch über den kommenden Zusammenzug hinaus Nationaltrainer bleiben könnte.
Durch seine Rolle als Ausbilder kennt Gertschen immerhin schon einige Spielerinnen des Nationalteams, jene, die gerade parallel zu ihrer Karriere auf dem Platz das C-Diplom als Trainerin absolvieren: Livia Peng, Ana-Maria Crnogorcevic, Noelle Maritz, Viola Calligaris, Riola Xhemaili, Luana Bühler und Coumba Sow.
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Sie alle gehören auch zu Gertschens Aufgebot, das er am Freitag verkündete. Es ist eines ohne Überraschungen, einzig die Rückkehr Ella Touons ist erwähnenswert, die Aussenverteidigerin kam 2021 unter Grings’ Vorgänger Nils Nielsen zu ihrem Debüt im Nationalteam und spielt bei St. Pölten. Der österreichische Verein ist auch in der Champions League vertreten, am Mittwoch stand Touon noch gegen Olympique Lyon über 90 Minuten im Einsatz.
Ansonsten vertraut Gertschen auf eine routinierte Gruppe, die er am Montag erstmals treffen wird. Es ist gerade nicht die Zeit für verrückte Experimente beim Nationalteam der Frauen.
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