Neue Läden, neue RestaurantsSo sieht die renovierte Bahnhofshalle im Hauptbahnhof Zürich aus
Nach fünf Jahren Bauzeit ziehen im renovierten Südtrakt wieder Läden und Restaurants ein – und viel Konkurrenz für Niki de Saint Phalles blauen Engel.
Die Säulen im Restaurant Imagine im Südtrakt des Hauptbahnhofs waren grau, die Wände und Decken in den Press&Books-Räumen von Rauch abgedunkelt, denn einst durfte hier geraucht werden. Überhaupt schien der Südtrakt des Hauptbahnhofs Zürich miefig und bieder.
Dann, ab Juni 2018, wurde der Trakt, der auf der Seite der Bahnhofstrasse steht, saniert und modernisiert. Fünf Jahre dauerten die Bauarbeiten. Am Montagmorgen wurden die Räumlichkeiten den Medien und geladenen Gästen vorgestellt.
Wandelhalle wieder erlebbar
Am kommenden Freitag öffnen die ersten Geschäfte ihre Türen. Es sind dies Sprüngli und die Bahnhofsapotheke. Beide überdauerten die Bauzeit in Provisorien in der Bahnhofshalle.
Die Bahnhofsapotheke bezieht wieder ihre früheren Räumlichkeiten in der ehemaligen Wandelhalle, die einst tatsächlich eine Flaniermeile war. Daran erinnert heute der Natursteinboden.
Auch wurde laut Gesamtprojektleiter Marc Brunkhorst der Mieterin Amavita die Auflage gemacht, die Gestelle nur so hoch zu konzipieren, dass die Fensterfront und der Durchblick zur östlichen Wandelhalle nicht versperrt werden.
Corine Mauchs Erinnerungen
In der prunkvollen Säulenhalle werden die SBB im kommenden Februar ihr Reisezentrum eröffnen. Und dort erzählt die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) den Gästen bei der Eröffnung, wie sie einst als Mädchen vom Lande – konkret vom aargauischen Oberlunkhofen – den Hauptbahnhof gemieden habe, weil sie sicher war, sich dort hoffnungslos zu verirren.
Zürichs Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh freute sich, dass nun die Zürcher Bevölkerung insbesondere am Sonntag ein noch breiteres Angebot zum Einkaufen habe – und hoffte, dass dies auch auf die Bahnhofstrasse ausstrahlen möge.
Walker Spähs Träume
Sie spielt damit auf ein Thema an, das ihr schon lange am Herzen liegt und sie 2021 gegenüber dieser Redaktion so ausdrückte: «Erklären Sie mal einem Touristen, warum im Hauptbahnhof die Post abgeht, an der Bahnhofstrasse direkt nebenan aber nichts los ist.»
Im Januar werden im Erdgeschoss auch wieder ein Kiosk und neu eine Filiale des Seifengeschäfts Soeder einziehen. Zudem wird es verschiedene Gastroangebote geben.
Im Dezember werden das Gourmetrestaurant The Counter, dort wo zuvor das Bonadea war, und die Brasserie Süd eröffnet. Im Januar öffnet das für seine Fried Chicken bekannte Yard Bird aus dem Kreis 3 eine Filiale, auch eine Action-Burger-Filiale wird in den nächsten Monaten im Erdgeschoss eröffnet.
Nicht zurückkehren wird hingegen das Restaurant Au Premier – im zweiten Obergeschoss entstehen stattdessen Büroräumlichkeiten. Und ganz oben, im neuen Aufbau mit grossartiger Aussicht auf Zürich, eröffnen das Ärztezentrum Permanence und das Zahnarztzentrum Praxisräume, die täglich geöffnet sind.
Verglichen mit dem Zustand vor der Sanierung, kommt es einem vor, als ob man aus einem früheren Schwarzweissfoto in ein Farbbild tritt. Denn die grau angestrichenen Säulen wurden von bis zu dreizehn Farbschichten befreit. Darunter ist gelblich schimmernder Stuckmarmor zum Vorschein gekommen.
Die Rauchschicht an Decken und Wänden wurde sorgfältig entfernt. Sie geben nun wieder ihre einst fröhlich-festliche Farbigkeit preis. Und der üppige Bahnhofsengel von Niki des Saint Phalle in der Halle erhält im Südtrakt gleich achtzigfache Konkurrenz.
So viele Engel wurden nämlich restauriert und wieder ins rechte Licht gesetzt. Dazu kamen 300 Deckenkassetten 500 Stuckrosetten, Löwen, Füllhörner, Hermes- und Atlasfiguren.
Der 1871 erbaute Sandsteinbau wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz wieder in seinen ursprünglichen Zustand gebracht. Er wurde damals von Friedrich Wanner als lichtdurchfluteter Palast für die breite Bevölkerung konzipiert. Diese war allerdings streng in drei Klassen unterteilt – mit getrennten Wartesälen und Restaurants.
Damals fuhr die Eisenbahn noch dampfend in die Halle ein, und wenn die Reisenden aus dem Bahnhof traten, mussten sie darauf achten, nicht von einer Kutsche erfasst zu werden. Ab 1882 kamen noch die rasenden Rösslitrams dazu.
Als dann 1902 die Züge nicht mehr in die Halle einfuhren, wurde diese frei für andere Nutzungen, was bis heute immer wieder zu Diskussionen führt. So verstellte etwa in den 1950ern das Kino Rex den freien Raum.
Es ist die erste umfassende Sanierung des Südtraktes in seiner über 150-jährigen Geschichte. Der Sandsteinbau war bereits in den 1960er-Jahren in einem so schlechten Zustand, dass ein Abriss und Neubau diskutiert wurde.
Mehrkosten wegen Komplexität
In den letzten fünf Jahren wurde der Gebäudeteil nicht nur restauriert, sondern auch umfassend modernisiert, wie Gesamtprojektleiter Marc Brunkhorst ausführte. Rund sechzig Firmen waren daran beteiligt.
Ursprünglich hatten die SBB dafür etwas über 140 Millionen Franken veranschlagt. Die Kosten betragen nun aber 175 Millionen Franken, die vollständig von SBB Immobilien finanziert werden. Laut Brunkhorst haben unvorhergesehene Projektanpassungen bei diesem komplexen Unterfangen zu den Mehrkosten geführt.
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