Regierung denkt an UmbenennungHeisst Indien bald nicht mehr Indien?
Die Einladung zu einem G-20-Treffen sorgt in Indien für Aufregung. Offenbar ist der Name Indien den Hindu-Nationalisten rund um Premier Modi zu britisch.
Es ist nur eine förmliche Einladung für Staatsgäste zum Dinner, wie sie im Rahmen eines G-20-Gipfels ausgesprochen wird, doch diesmal ist sie ungewöhnlich: Es bittet hier nicht wie üblich «the President of India» für Samstag zum grossen Bankett, sondern «the President of Bharat».
Die Präsidentin von Indien heisst Draupadi Murmu und hat, ähnlich wie der Bundespräsident in Deutschland, eher eine repräsentative Funktion. Gerade darum aber wundern sich nun viele Beobachter des Gipfels, dass eine neue Bezeichnung gewählt wurde. Wobei Bharat tatsächlich keine neue, sondern eine sehr alte Bezeichnung für Indien ist.
Bharat ist die Sanskrit-Bezeichnung für Indien, die auf frühe hinduistische Texte zurückgeht. Sie wird vor allem von Hindus verwendet. Man findet den Begriff im ganzen Land beispielsweise in Firmen-Bezeichnungen oder als Kürzel in Parteinamen. Für die etwa 1,4 Milliarden Inderinnen und Inder ist er gebräuchlich. Für die Staatsgäste, vom Bundeskanzler Olaf Scholz bis zum US-Präsidenten Joe Biden, allerdings wohl nicht.
Für die BJP ist Indien ein «Symbol der Sklaverei»
Haben Premierminister Narendra Modi und seine hindunationalistische Regierung der «Bharatiya Janata Partei» (BJP) die Änderung vorgenommen, um ihre politische Linie klarzumachen? Abgeordnete der BJP argumentieren schliesslich, dass der Name Indien von den britischen Kolonialherren eingeführt wurde und ein «Symbol der Sklaverei» sei. Die Briten regierten Indien rund 200 Jahre, bis das Land 1947 seine Unabhängigkeit erlangte.
Modi und seiner Partei wird seit langem vorgeworfen, aus dem säkularen Indien einen ethnischen Hindu-Staat machen zu wollen. Die BJP versucht Namen, die mit Indiens Mogul- und Kolonialvergangenheit zusammenhängen, zu tilgen und durch neue, oder noch lieber, durch alte zu ersetzen.«Ein weiterer Schlag gegen die Mentalität der Sklaverei», twitterte etwa der höchste gewählte Beamte des Bundesstaates Uttarakhand, Pushkar Singh Dhami, ein BJP-Hardliner, auf X über die Dinnereinladung des «President of Bharat».
Die Regierung steht auf dem Standpunkt, die Namensänderungen seien ein Versuch, Indiens hinduistische Vergangenheit zu würdigen. Es wurden schon einige Strassen und Plätze nach diesem Prinzip unbenannt und umgewidmet.
Die Opposition hält am Namen «Indien» fest
Es wird nun spekuliert, dass die Regierung in den nächsten Parlamentssitzungen vom 18. bis 22. September einen offiziellen Vorschlag zur Umbenennung des Landes einbringen will.
Indiens Oppositionsparteien kritisierten hingegen den Vorgang. Shashi Tharoor, Abgeordneter der oppositionellen Kongresspartei twitterte, die Inderinnen und Inder sollten «weiterhin beide Wörter verwenden, anstatt unseren Anspruch auf einen geschichtsträchtigen Namen aufzugeben, der in der ganzen Welt anerkannt ist».
Im kommenden Jahr wird in Indien gewählt, und der Streit über die Bezeichnung «Indien» oder «Bharat» hat an Bedeutung gewonnen. Auch weil die traditionsreiche Kongresspartei einen grossen Teil der zersplitterten Opposition hinter sich versammelt hat, um dem populären Narendra Modi und seiner BJP etwas entgegenzusetzen. Das Oppositionsbündnis hat sich den Namen «Indian National Developmental Inclusive Alliance» gegeben – abgekürzt: INDIA.
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