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Millionen-Coup im Grünen Gewölbe
Prozess gegen Verdächtige begonnen

Sechs Beschuldigte im Alter von 22 bis 28 Jahren müssen sich vor dem Landgericht in Dresden verantworten. (28. Januar 2022)
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Mehr als zwei Jahre nach dem spektakulären Juwelendiebstahl aus dem Historischen Grünen Gewölbe in Dresden hat vor dem Landgericht der sächsischen Landeshauptstadt der Prozess gegen sechs mutmassliche Täter begonnen. Die Angeklagten hätten bei dem Einbruch «einzigartige und unersetzbare Schmuckstücke» gestohlen, sagte Staatsanwalt Christian Weber am Freitag bei der Anklageverlesung. Die Verteidigung hält die Beweislage hingegen nicht für ausreichend und warnte vor einer Vorverurteilung der Angeklagten wegen deren Zugehörigkeit zu einem einschlägig bekannten Berliner Familienclan.

Die Beschuldigten im Alter von 22 bis 28 Jahren waren bei mehreren Razzien gefasst worden, sie sind wegen schweren Bandendiebstahls, Brandstiftung und besonders schwerer Brandstiftung angeklagt.

Mutmassliche Täter waren bewaffnet

Die Verlesung der Anklage dauerte rund 20 Minuten. «Die Tat war gezielt vorbereitet», sagte der Staatsanwalt Christian Weber. Die Angeklagten hätten den späteren Tatort ausspioniert und Autos mit falschen Kennzeichen verwendet, um ihre Identität zu verwischen. Mehrere Tage vor dem Einbruch schnitten sie der Anklage zufolge ein historisches Gitter am Residenzschloss, in dem sich das Grüne Gewölbe befindet, auf und präparierten es so, dass zwei der Angeklagten – Mohamed R. und Wissam R. – am frühen Morgen des 25. November 2019 dort eindringen konnten. Zudem waren die mutmasslichen Täter laut Anklageschrift bewaffnet. Demnach hatten sie einen Revolver und einer Pistole mit Schalldämpfer dabei.

«Die Tat war gezielt vorbereitet»,

Staatsanwalt Christian Weber

In einem Ausstellungszimmer schlugen die mutmasslichen Täter mit 56 Axtschlägen auf eine Vitrine ein und rissen Schmuckstücke «von überragender kulturhistorischer Bedeutung» heraus, sagte Weber. Nach der Tat setzten sie eines der Fluchtautos in einer Tiefgarage in Brand und beschädigten dadurch mehr als 60 weitere Fahrzeuge. Durch das Feuer hätten sie zudem in Kauf genommen, dass Menschen in den darüber liegenden Wohnungen gesundheitlich zu Schaden kommen, sagte der Staatsanwalt.

Juwelen «eigentlich unverkäuflich»

Bei dem Einbruch wurden insgesamt 21 Schmuckstücke mit insgesamt 4300 Diamanten und Brillanten aus dem frühen 18. Jahrhundert im Gesamtwert von über 113 Millionen Euro gestohlen und im Zuge des spektakulären Coups auch Sachschäden in Höhe von über einer Million Euro hinterlassen. Von der Beute fehlt bislang jede Spur. Für Hinweise, die zum Auffinden des Schmucks führen, sind insgesamt anderthalb Millionen Euro Belohnung ausgesetzt.

Die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), Marion Ackermann, geht nicht davon aus, dass der gestohlene Schmuck aus dem Grünen Gewölbe weiterverkauft werden kann. «Weltweit sind die Stücke bekannt gemacht worden», und eigentlich unverkäuflich, sagte sie am Freitag dem Radiosender Bayern 2. Sie hoffe, dass durch den nun beginnenden Prozess die Aufmerksamkeit gesteigert werde. «Und dass es dadurch noch unmöglicher gemacht wird, dass es wirklich zu einem Transfer kommt.»

Verteidigung beklagt Vorverurteilung

Keiner der Angeklagten liess sich am ersten Prozesstag zu den Tatvorwürfen ein. Die Verteidiger halten ihre Mandanten allerdings weitgehend für unschuldig oder sehen zumindest keine ausreichenden Beweise, die die Vorwürfe belegen könnten. Der Anwalt von Bashir R. sagte vor Gericht, sein Mandant werde «am Ende freizusprechen sein». Auch die Anwältin von Ahmed R. sagte, es fehlten «objektive valide Beweise». Auch ein Anwalt von Rabieh R. bezweifelte, «dass DNA-Spuren eine Tatbeteiligung belegen».

Die Verteidiger kritisierten zudem eine Vorverurteilung ihrer Mandanten durch die Medien. Die Zugehörigkeit zu einem Familienclan dürfe nicht mit Clankriminalität gleichgesetzt werden. Auch hier gelte die Unschuldsvermutung, argumentierten die Anwälte.

Die Angeklagten stammen laut Staatsanwaltschaft alle aus einer arabischstämmigen Berliner Grossfamilie und sind Deutsche. Vier von ihnen sitzen in Untersuchungshaft, zwei verbüssen noch eine Jugendstrafe wegen des ebenfalls spektakulären Diebstahls einer riesigen Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum 2017.

Weitere 40 Personen im Verdacht

Aus Sicherheitsgründen verhandelt das Landgericht in einem eigens für Terror- und Extremismusverfahren geschaffenen Spezialsaal am Stadtrand. Die Kammer hat sich beim Prozess auf Monate eingestellt und bis Ende Oktober 50 Verhandlungstage terminiert – Fortsetzung möglich. Die Hauptakte zu dem Fall umfasst 65 Bände, und auch wegen der Zahl der Verfahrensbeteiligten ist es ein besonderer Prozess: 14 Verteidiger – Anwälte aus Dresden, Leipzig, Berlin, Hannover und Hamburg -, drei Staatsanwälte, Vertreter der Jugendgerichtshilfe und Dutzende Zeugen.

DNA-Spuren aus Autos und vom Tatort, Videos, Daten und Zeugenaussagen stützen der Staatsanwaltschaft zufolge den ermittelten Ablauf der Tat. Die Arbeit der Sonderkommission «Epaulette», benannt nach einem der Beutestücke, geht unterdessen weiter. Gegen weitere 40 Beschuldigte, darunter vier Wachmänner sowie vier mögliche Helfer der Täter, gibt es demnach einen begründeten Anfangsverdacht.

Die Polizei war mit einem Grossaufgebot rund um das Areal in Dresden im Einsatz. (28. Januar 2022)

Zum Prozessauftakt herrschte grosser Medienandrang, die Polizei war mit einem Grossaufgebot rund um das Areal im Einsatz. Am ersten Verhandlungstag ging es um mehrere Anträge, unter anderem um Zulassung von Rechtsvertretern des geschädigten Freistaats Sachsen als Nebenkläger. Darüber soll demnächst entschieden werden.

Zudem beantragte die Verteidigung von Mohamed R. und Abdul R., das Verfahren gegen die beiden zur Tatzeit Heranwachsenden abzutrennen – sie waren zur Tatzeit 20 Jahre alt. Die Anwälte verwiesen dabei auf den erzieherischen Gedanken des Jugendstrafrechts. Wegen der beiden Heranwachsenden wird vor der Jugendkammer des Landgerichts verhandelt.

SDA/AFP/aru