Gefangenenaustausch USA – RusslandProfisportlerin gegen «Händler des Todes»
Um die in Russland inhaftierte Basketballerin Brittney Griner und einen weiteren US-Bürger nach Hause zu holen, ist die Biden-Regierung offenbar bereit, einen Waffenhändler freizulassen. Dazu gibt es in den USA zwei Lesarten.
Die USA haben Russland offenbar einen Gefangenentausch angeboten, um Brittney Griner und Paul Whelan zurück in die Heimat zu holen. Man habe ein «umfangreiches Angebot auf den Tisch gelegt», sagte Aussenminister Antony Blinken auf einer Pressekonferenz am Mittwoch.
Im Gepäck der Profibasketball-Spielerin Griner hatten Beamte am Flughafen von Moskau im Februar Haschisch-Öl gefunden, sie muss sich gerade vor Gericht verantworten. Whelan, ein ehemaliger Soldat der US-Marines und nun Manager einer Sicherheitsfirma, wurde 2019 in Moskau wegen Verdachts auf Spionage verhaftet.
Aus dem Umfeld des Verteidigungsministeriums ist laut übereinstimmenden Medienberichten zu hören, dass die Vereinigten Staaten offenbar bereit sind, für Griner und Whelan den russischen Waffenhändler Viktor Bout freizulassen. Sein Spitzname: «Merchant of Death», «Händler des Todes». Der frühere Sowjetoffizier soll Autokraten und Rebellen in zahlreichen Ländern illegal mit Waffen ausgerüstet haben.
Weltweite Bekanntheit hatte Bout, 2008 in Thailand verhaftet und 2011 in New York zu 25 Jahren Haft verurteilt, durch den Film «Lord of War» (2005) erlangt: Die Geschichte des von Nicolas Cage verkörperten Protagonisten basiert lose auf den Aktivitäten von Bout. Russland fordert seine Freilassung seit Jahren.
Griners Verhaftung als politisches Druckmittel
Profisportlerin gegen den «Händler des Todes»; das ist die Verknappung des amerikanischen Angebots, über die in US-Medien nun debattiert wird – zumal es bereits vor kurzem einen Gefangenenaustausch zwischen beiden Ländern gegeben hat, der ähnlich wenig ausbalanciert klingt. Im April schickten die USA Konstantin Jaroschenko nach Russland; er war 2011 zu 20 Jahren Haft verurteilt worden, weil er Kokain im Wert von mehr als 100 Millionen Dollar in die Vereinigten Staaten geschmuggelt haben soll. Freigelassen wurde dafür der ehemalige Soldat Trevor Reed, der bei einer Kneipenschlägerei einen Polizisten angegriffen haben soll. Die USA begründeten den Tausch mit Reeds Gesundheitszustand.
Aussenminister Blinken äusserte sich am Mittwoch weder zu Details des Angebots noch zu Meldungen, dass US-Präsident Joe Biden bereit sei, Bout freizulassen. Er sagte nur, dass die US-Regierung stärker gegen die aus ihrer Sicht unrechtmässigen Inhaftierungen vorgehen wolle: «Wir wollen die weltweite Norm gegen all diese willkürlichen Verhaftungen bestärken; gegen eine wirklich schreckliche Praxis.»
Der Vorwurf, den Blinken nicht direkt aussprach: Mit Griners Verhaftung am 17. Februar, eine Woche vor Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, wollte sich Russland ein politisches Druckmittel gegen die US-Regierung sichern. Es war klar, dass diese Verhaftung für Aufregung sorgen würde, weil Griner eine der besten Basketballspielerinnen der Welt ist. Und so kam es dann auch: In den folgenden Monaten forderten zahlreiche Prominente wie Basketballer LeBron James oder Entertainerin Amy Schumer den Präsidenten auf, mehr für eine schnelle Freilassung Griners zu tun.
Von einer unrechtmässigen Verhaftung Griners sprach die US-Regierung offiziell erst am 4. Mai, mehr als zwei Monate nach der Verhaftung. Davor war sowohl von Griners Familie als auch von Mitspielerinnen zu hören gewesen, dass diese sich besser nicht öffentlich äussern sollten, um Verhandlungen zwischen beiden Ländern nicht zu beeinflussen.
Blinken will bald mit Lawrow sprechen
Das klappte nicht lange, der öffentliche Druck wuchs weiter, und Griner schickte am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, einen Brief an Biden, in dem es heisst: «Ich sitze hier in einem russischen Gefängnis, allein mit meinen Gedanken und ohne Schutz meiner Frau, meiner Familie, meiner Freunde. Ich bin dankbar für alles, was Sie derzeit tun können, um mich nach Hause zu holen. Ich habe grosse Angst, dass ich für immer hierbleiben muss.» Über Bidens Antwortbrief, dessen Inhalt der Öffentlichkeit nicht bekannt ist, sagte Griners Ehefrau Cherelle, sie freue sich darüber, dass der Präsident alle Mittel zur Freilassung in Bewegung setze. Auch das freilich erhöhte den Druck auf Biden.
In den USA gibt es zwei Lesarten des kolportierten Gefangenenaustausches: CNN zitiert einen Mitarbeiter der Regierung, die inhaftierten Amerikaner würden wie ein «Faustpfand» behandelt werden. Das Angebot sowie der Tausch im April könnten anderen Nationen als Hinweis dienen, dass die USA bereit seien, auf unausgeglichene Deals einzugehen, um Landsleute nach Hause zu holen. Das allerdings, so die andere Interpretation, sei oberste Priorität, und so unausgeglichen sei das Angebot nicht, wie zum Beispiel im Magazin «Politico» schon Anfang Juli stand: Aufgrund seiner nun 14 Jahre in Haft habe Bout sein Netzwerk ohnehin verloren.
Blinken äusserte sich dazu nicht; er sagte nur, dass er in dieser Woche mit Russlands Aussenminister Sergej Lawrow am Telefon sprechen wolle: «Meine Hoffnung ist es, dass wir durch dieses Gespräch die Freilassung vorantreiben können.» Es sei wichtig, wieder direkt mit Russland zu kommunizieren. Das letzte direkte Gespräch zwischen Blinken und Lawrow hatte noch vor dem Krieg stattgefunden.
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