Alarm zeigt Wirkung Produktion verbotener Ozonkiller gestoppt
Wissenschaftler messen in der Atmosphäre überraschend keine schädlichen Substanzen mehr aus chinesischen Industriebetrieben. Am Erfolg sind auch Schweizer Forscher beteiligt.
Ozonforscher sind erleichtert: Noch vor zwei Jahren schlugen sie Alarm. Verschiedene Forschungsinstitute weltweit, darunter das Schweizer Institut für Materialforschung Empa, entdeckten in Ostchina neue Quellen der verbotenen Substanz FCKW-11. Der Stoff kommt in der Atmosphäre in grossen Mengen vor, zerstört die für den Menschen lebenswichtige Ozonschicht und erwärmt gleichzeitig als Klimagas die Erde.
Nun geben die Forscher im aktuellen Wissenschaftsmagazin «Nature» Entwarnung. «Es scheint, dass China nach der Entdeckung sofort gehandelt hat», sagt Empa-Forscher und Mitautor Stefan Reimann. Die Emissionen aus diesem Land sind gemäss den neuesten Resultaten markant zurückgegangen. «Die regionalen Emissionen sind so tief wie noch nie, seit 2008 mit den Messungen von FCKW in dieser Gegend der Welt begonnen wurde», sagt Reimann.
Der Stoff, Trifluorchlormethan oder auch F-11, gehört zur Klasse der Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Er wird vor allem für die Herstellung von Schaumstoff für die Gebäudeisolation produziert. Zudem steckt die Substanz in der Isolation von alten Kühl- und Gefrierschränken. Das Montreal-Protokoll, seit 1989 in Kraft, verbietet die Herstellung solcher Substanzen. FCKW-11 wird gemäss dem Ozonsekretariat der UN-Umweltbehörde Unep seit 2010 weltweit nicht mehr zu Konsumzwecken produziert.
Illegal Schaumstoff hergestellt
Deshalb wunderten sich die Ozonforscher, dass die Emissionen zwischen 2012 und 2017 plötzlich wieder anstiegen. Die Forscher gehen davon aus, dass jährlich immer noch etwa 50’000 Tonnen FCKW-11 in die Atmosphäre gelangen – durch die Entsorgung alter Kühlschränke, aber vor allem durch die stetige Verdampfung der Substanz aus dem Schaumstoff.
Die Wissenschaftler rechnen, dass die Emissionen seit den 1990er-Jahren kontinuierlich sinken. Das war auch der Fall, bis 2012. Danach verlangsamte sich die Abbaurate. Dank der frühen Entdeckung sei das Schlimmste verhindert worden, sagt Reimann. Dennoch: Die chinesische Industrie hat während Jahren illegal FCKW-11 für Schaumstoff hergestellt, sodass gemäss der neusten Ergebnisse das aktuelle FCKW-Depot in Schaumstoffen wohl um rund 100’000 Tonnen angereichert wurde. Damit wird die Abbauzeit der ozonschädlichen Substanzen in der Atmosphäre verlängert. Die Menge sei jedoch zu gering, um die Erholung der lebenswichtigen Ozonschicht um Jahre zu verzögern, erklären die Autoren in «Nature».
«Daten von Messorten in China sind bis heute nicht verfügbar.»
Der Zufall half
Die Wissenschaftler sehen in den guten Nachrichten für die Ozonschicht aber noch eine andere Botschaft: Der Erfolg politischer Massnahmen wie etwa im Montreal-Protokoll ist nur durch ein effektives Monitoring gewährleistet. Dass die illegalen Quellen entdeckt wurden, ist auch einem Zufall anzurechnen.
Zwar gibt es seit 1978 das weltweite Messnetz Agage (Advanced Global Atmospheric Gases Experiment), zu dem auch die Messstation auf dem Jungfraujoch gehört. Dort werden alle zwei Stunden Daten gesammelt. Zudem misst die US-Behörde für Ozean- und Atmosphärenforschung (NOAA) ebenso Emissionen wie FCKW. Dank diesem Verbund kann die Entwicklung der Konzentration der «Ozonkiller» global beobachtet werden. Aber: Ohne die Messorte auf der südkoreanischen Insel Jeju und der japanischen Insel Hateruma hätten die lokalen Verschmutzungsquellen nie geortet werden können. China verfügt zwar über Messorte. «Doch die Daten sind bis heute nicht verfügbar», sagt Stefan Reimann.
Hilfreiches Empa-Computermodell
Die Messstationen in Südkorea und Japan jedoch spürten die illegalen Substanzen auf, sobald verschmutzte Luft von China über das Meer die Messorte erreichte. Dank verschiedenen Computermodellen – ein Modell stammt von der Empa – konnten die Forscher den Weg der Luftströmungen rekonstruieren und mit den Umweltmessungen vergleichen. Auf diese Weise erkannten die Wissenschaftler auch, dass die globalen FCKW-Emissionen wieder gesunken sind.
Die Forscher schätzen, dass etwa 60 Prozent des Erfolgs auf Massnahmen in Ostchina zurückzuführen sind. Über den Rest ist nichts bekannt. Laut Empa Forscher Stefan Reimann könnte ausschliesslich China für den Anstieg der Emissionen verantwortlich sein, da es keine Daten zum Beispiel von den Industriegebieten Westchinas gibt. Ebenso sind aber auch Indien und Russland weisse Flecken auf der Karte der Messstationen. «Das weltweite Messnetz muss ausgebaut werden, um Verstösse etwa gegen das Montreal-Protokoll aufzudecken», sagt Stefan Reimann. «Seit das Montreal-Protokoll in Kraft ist, ist die Meinung verbreitet, dass das Problem mit dem Ozonloch über Antarktis gelöst sei», warnt der Forscher. Aber wie dieses Beispiel zeige, ist eine bessere Überwachung durchaus nötig.
Die Erholung des Ozonlochs geht nur langsam voran. Noch gibt es genug ozonzerstörende Substanzen in der Atmosphäre, sodass die Ozonschicht in jedem antarktischen Winter ausgedünnt wird. Im letzten Jahr sogar rekordverdächtig. Das Beispiel China zeigt, dass trotz Montreal-Protokoll illegale FCKW-Quellen nicht partout verhindert werden können und eine Überwachung durchaus angebracht ist.
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