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Ozonkiller aus China

FCKW-11 kann mehr als 50 Jahre in der Atmosphäre bleiben: Ozonloch über der Antarktis (blau) im November 2018. Foto: Nasa Ozone Watch
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Was US-Ozonforscher vor wenigen Monaten befürchteten, hat sich nun bewahrheitet. In Ostchina wird die weltweit verbotene ozonschädliche Substanz FCKW-11 weiterhin produziert. Dieser Stoff, Trichlorfluormethan, gehört zur Klasse der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die in der Atmosphäre in grossen Mengen vorkommen und die Hauptschuld an der Ozonzerstörung tragen.

Es war ein internationales Forschungsteam, das die Quellen lokalisieren konnte. Die Wissenschaftler arbeiten in 13 Instituten, darunter auch Experten des Instituts für Materialforschung (Empa) in Dübendorf. Die Resultate werden heute im Fachmagazin «Nature» publiziert. Das Montreal-Protokoll, seit 1989 in Kraft, verbietet die Herstellung solcher Substanzen. FCKW-11 wird gemäss dem Ozonsekretariat der Umweltbehörde Unep seit 2010 weltweit nicht mehr zu Konsumzwecken produziert. Die Statistik beruht auf den Produktionsangaben der einzelnen Vertragsstaaten des Umweltabkommens.

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FCKW-11 wurde vor allem für die Herstellung von Schaumstoff für die Gebäudeisolation produziert. Zudem steckt der Stoff in alten Kühl- und Gefrierschränken. Rund 60'000 Tonnen gelangen jährlich immer noch in die Atmosphäre – durch die Entsorgung alter Kühlschränke, aber vor allem verdampft die Substanz stetig aus dem Schaumstoff. «Eigentlich sollten die Emissionen allmählich sinken, da kein neuer Schaumstoff mehr hergestellt wird», sagt Stefan Reimann, Empa-Forscher und Mitautor der neuen Studie. Die FCKW-Konzentration erreichte Anfang der 1990er-Jahre das Maximum und sank dann kontinuierlich. Bis 2012. Seither begann sich die Abbaurate erstaunlicherweise zu verlangsamen.

Luftmassen rekonstruiert

Das erkannte zuerst ein Team um den US-Ozonforscher Stephen Montzka. Der Atmosphärenchemiker macht seit 20 Jahren Analysen der Bodenluft an zwölf Messstationen auf der Nord- und Südhalbkugel. Die Wissenschaftler erkannten: In den letzten Jahren wurde FCKW-11 um die Hälfte langsamer abgebaut als im Durchschnitt von 2002 bis 2012.

Grundsätzlich kann sich die Konzentration der Substanz auch durch Schwankungen in der Fortbewegung der Luftmassen verändern. FCKW bauen sich erst ab, wenn sie die Stratosphäre erreichen – im Durchschnitt etwa ab 12 Kilometer Höhe. Dort ist die UV-Strahlung der Sonne stark genug, um die Chlormoleküle abzuspalten, die dann das Ozon zerstören.

Eine Verlangsamung der Luftzirkulation kann den vertikalen Austausch der Luftmassen reduzieren, was an den Bodenstationen zu höheren Emissionswerten führt. Die Forscher filterten solche Effekte aus den Computermodellen heraus und kamen zum eindeutigen Fazit: Es muss eine neue illegale Quelle geben.

Jährlich gelangen immer noch 60'000 Tonnen FCKW-11 in die Atmosphäre.

Die Autoren der eben veröffentlichten Studie gingen noch einen Schritt weiter und studierten die Daten von zwei Messstationen: Ein Messort ist auf der südkoreanischen Insel Jeju, der zweite auf der Insel Hateruma südlich von Japan.

Sie verwendeten verschiedene Computermodelle, die sonst auch bei Wettervorhersagen zum Einsatz kommen. Ein Modell stammt von der Empa. Die Ozonforscher können damit den Weg der Luftströmungen für jeden Tag rekonstruieren und mit den Umweltmessungen vergleichen. «Ohne die Station in Südkorea wäre es sehr schwierig geworden, die Verschmutzungsquelle zu finden», sagt Stefan Reimann von der Empa. Sobald verschmutzte Luft von China über das Meer Südkorea erreichte, seien die Konzentrationen angestiegen.

7000 Tonnen FCKW

Die Spitzenwerte nach 2012 waren deutlich höher als vorher. Die Forscher können die Emissionen auf Provinzen eingrenzen – betroffen sind vor allem Shandong und Hebei und etwas weniger die Region um Shanghai. Einzelne Orte oder gar Fabriken können jedoch nicht geortet werden. Dafür ist das Messnetz zu wenig dicht. Recherchen der Environmental Investigation Agency weisen darauf hin, dass es sich um 18 Unternehmen handeln könnte, verteilt über mehrere Provinzen. Zudem sei die Herstellung von FCKW-11 immer noch eine verbreitete Praxis in der Industrie.

Die Emissionen der Substanz ist in Ostchina seit 2013 um rund 7000 Tonnen pro Jahr angestiegen. Der Ausstoss stammt dabei wohl nicht von der Produktion der Stoffe selbst, sondern von der Herstellung des Schaumstoffs. «10 bis 20 Prozent des verwendeten FCKW gehen dabei verloren und entweichen in die Atmosphäre», sagt Stefan Reimann. Das heisst: Rund 35'000 Tonnen – das sind voll beladene Eisenbahnwagen in einer Länge von 30 Kilometer – bleiben im Schaumstoff zurück und werden erst im Verlauf der nächsten Jahrzehnte an die Luft abgegeben. FCKW-11 kann mehr als 50 Jahre in der Atmosphäre verweilen.

«Die Zusammenarbeit zwischen den weltweit führenden Forschungsgruppen zeigt, wie man unbekannte oder gar verbotene Emissionen identifizieren kann, indem man Umweltmessungen mit atmosphärischer Computermodellierung kombiniert», sagt Empa-Forscher und Mitautor Stephen Henne. Die Emissionsdaten wurden mithilfe des Messnetzes Agage (Advanced Global Atmospheric Gases Experiment) ermittelt. Die Messungen werden seit 1978 durchgeführt. Zu diesem Verbund gehört auch die Messstation auf dem Jungfraujoch, die alle zwei Stunden Daten sammelt. Zudem sind Informationen von Messorten verwendet worden, welche die US-Behörde für Ozean- und Atmosphärenforschung (Noaa) betreut.

Schwächen des Monitorings

Für das UNO-Ozonsekretariat sind die Entdeckungen ein Beleg dafür, dass das Montreal-Protokoll und die dazugehörenden Forschungsinstitutionen funktionieren. Die Befunde zeigen jedoch auch Schwächen des Monitorings auf: Die Forscher der neuen Studie weisen darauf hin, dass sie weitere Quellen in Asien, Afrika und Südamerika nicht ausschliessen können. «Die Qualität der Messstationen ist gut, aber das Netz müsste noch viel dichter sein», sagt Reimann. So gibt es zum Beispiel in Russland und in Indien keine Messstationen. Auf der Südhalbkugel seien die Emissionen vernachlässigbar. China verfügt selber über Messorte, doch sind die Daten bis heute nicht zugänglich.

An den Agage-Messstationen werden fast alle durch das Montreal-Protokoll verbotenen Substanzen gemessen. Die Produktion von FCKW-11 hat den Nebeneffekt, dass weitere Ozon-abbauende Substanzen entstehen. Zum Beispiel Tetrachlorkohlenstoff CCl4, das Ausgangsmaterial für die Herstellung von FCKW-11. «Seit das Montreal-Protokoll in Kraft ist, ist die Meinung verbreitet, das Problem sei gelöst», sagt Reimann. Deshalb sei es auch schwierig, das kontinuierliche Monitoring aufrechtzuerhalten. In Kanada konnten Wissenschaftler knapp verhindern, dass das Ozonmonitoring aufgehoben wurde. Das jüngste Beispiel zeigt jedoch: Ohne funktionierendes Überwachungssystem lässt sich der Erfolg des Umweltvertrags nicht überprüfen. Falls diese Quelle nicht gefunden worden wäre, hätte sich die Erholung der Ozonschicht wohl um Jahre verzögert, sagt Reimann. Vorausgesetzt, die Politik reagiert darauf.

So hoffen die Autoren, dass die neue Studie politisch Wirkung zeigt. Insofern ist es ein Test, wie viel Kraft im Montreal-Protokoll steckt und ob die im Umweltvertrag festgeschriebenen Verpflichtungen China dazu zwingen, die FCKW-Quellen zu schliessen.