Regierungskrise in PakistanPremier Khan stürzt, gibt sich aber nicht geschlagen
Das Parlament in Islamabad setzt den Regierungschef ab. Der frühere Cricket-Star will aber zurück an die Macht. Dem Land stehen unruhige Zeiten bevor.
Alle Fernsehreden an die Nation und alle trickreichen Manöver, mit denen sich Pakistans Premier Imran Khan an die Macht klammerte, haben am Ende nichts mehr genützt. Nach wochenlangen hitzigen Auseinandersetzungen ist der Regierungschef in Islamabad in der Nacht von Samstag auf Sonntag durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt worden.
Das hat es in der 75-jährigen Geschichte der Nation so noch nie gegeben, häufiger waren es mehr oder weniger kaschierte Interventionen des Militärs, die widerspenstige Premiers entmachteten.
Zu dieser drastischen Wendung ist es dieses Mal nicht gekommen, das Verfahren folgte den parlamentarischen Regeln, wie es der Supreme Court des Landes strikt eingefordert hatte. Der Premier hatte schon zuvor seine Mehrheit in der Nationalversammlung verloren, weil ihm eigene Abgeordnete und wichtige Koalitionspartner die Treue aufgekündigt hatten.
Unklare Rolle der Armee
Im Fall Khan ist die Rolle der Armee noch nicht klar auszumachen. Das Militär pocht stur darauf, nicht interveniert zu haben, doch klar ist auch, dass es im Umgang mit Russland und dem Krieg in der Ukraine Differenzen gibt zwischen dem sogenannten Establishment, wie das Militär im Land euphemistisch genannt wird, und dem eigenwilligen Regierungschef. Die Armee hat den Krieg Wladimir Putins als «Aggression» gegeisselt, Khan hingegen weigerte sich, Russland zu verurteilen. Er war am Tag der Invasion sogar in Moskau. Ein lange geplanter Trip, wie er sagte.
Khan hatte noch in der vorangehenden Woche versucht, sich dem Misstrauensvotum zu entziehen, indem er das Parlament auflösen liess und Neuwahlen ankündigte. Damit beschwor er eine konstitutionelle Krise herauf. Doch die obersten Richter erklärten den Schritt für verfassungswidrig und verlangten die Rückkehr zu einem geordneten Verfahren. Analysten werteten dies als bedeutsamen Schritt, die Justiz hat sich nicht von politischen Kräften verleiten lassen, den Verfassungsbruch abzusegnen.
Andererseits ist die schwere Krise damit nicht vorüber. Khan hat schon in der Nacht zuvor in einer Fernsehansprache erklärt, dass er eine neue Regierung nicht anerkennen werde. Alle rechnen damit, dass nun Oppositionsführer Shehbaz Sharif die Nachfolge Khans antreten wird, er ist der Bruder des früheren Premiers Nawaz Sharif, der über Korruptionsvorwürfe und die Panama Papers gestürzt war. Khan aber will ausserparlamentarischen Widerstand organisieren, ein beliebtes Mittel in Pakistan, um Regierende vor sich herzutreiben.
Khan will also nicht aufgeben, er verlegt seinen Kampf auf die Strasse. Khan strickt seit Tagen an der Erzählung, dass nur er die gebeutelte Nation als stolzes und unabhängiges Land retten könne. Alle anderen würden doch nur als Marionetten des Westens und vor allem der USA agieren, schimpft er. Diese Leute liessen es zu, so Khan, dass die Pakistaner zu Sklaven anderer Mächte degradiert würden.
Er ist ein geschickter Rhetoriker und weiss Emotionen zu schüren. In den Mittelpunkt rückt er dabei den Vorwurf, er sei Opfer einer westlichen Verschwörung geworden. Angeblich hat es handfeste Drohungen aus den USA gegeben, die er aber nicht offenlegen will, weil sie geheim seien.
Khan will Volk aufwiegeln mit Antiamerikanismus
Das schürt Zorn im Volk. Verschwörungsmythen haben in der vernebelten Politik ohne Transparenz in Pakistan immer Konjunktur, besonders wenn es um die USA geht. Schon Barack Obamas Drohnenkrieg gegen Extremisten entlang der afghanischen Grenze nährte den Antiamerikanismus, Khan greift diese Stimmung auf.
Er stellt es so dar, als habe Washington einen Regimewechsel herbeiführen wollen und dafür die pakistanische Opposition eingespannt. Er lässt seine Gegner als Verräter dastehen und hofft auf die grosse Aufwallung im Volk, die ihm den Weg zurück an die Macht ebnen soll. Die mögliche Rache des Imran Khan, sie ist in seinen Drohungen schon spürbar.
Ob der entmachtete Premier dafür das Volk aber wird einspannen können? Angesichts seiner eher enttäuschenden Regierungsbilanz ist ungewiss, ob der aussenpolitische Plot ausreicht, um die Massen zu mobilisieren. Grosse Proteste sind auch nur dann möglich, wenn die Sicherheitskräfte diese zulassen und laufen lassen.
Khan ist mit seinem Anspruch gescheitert, Pakistan in eine neue Ära zu führen.
Der frühere Cricket-Star Khan, der 2018 als Aussenseiter an die Macht kam, galt einmal als grosse Hoffnung, vor allem junge Wähler sehnten sich nach einem Ausweg aus dem verkrusteten System, in dem sich feudale Politikerclans – die Bhuttos und die Sharifs – mit dem Militär arrangierten und eine breite Entwicklung des Wohlstands eher bremsten als förderten.
Aber Khan ist mit seinem Anspruch gescheitert, Pakistan in eine neue Ära zu führen, es ist ihm nicht gelungen, der Jugend Jobs zu verschaffen. Und dann kam auch noch die Pandemie, die Pakistans Niedergang beschleunigte, die Preise in die Höhe trieb und die Qualen der Armen noch vergrösserte.
Ex-Cricket-Star will bis zum letzten Ball spielen
Um den Kollaps abzuwenden, braucht Pakistan ein Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds und Hilfe aus China. (Lesen Sie zum Thema «Warum Imran Khan China so sehr hofiert».) Es braucht auch ein handlungsfähiges Regierungsteam in Islamabad, das Khans Nachfolger nun erst einmal auf die Beine stellen muss. Die Mehrheit eines neuen Premiers wird eher wackelig sein. Es ist möglich, dass es doch noch Neuwahlen geben wird vor dem regulären Termin im Jahr 2023.
Als phänomenaler Cricket-Captain hat Khan einst Sportgeschichte geschrieben, nun will er nicht als politischer Verlierer dastehen. Er werde bis zum letzten Ball spielen, verspricht er. Das Misstrauensvotum betrachtet er aber wohl noch nicht als Ende der Partie. Sein Nachfolger wird mit ihm rechnen müssen.
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