Geheimdienstaffäre belastet BeziehungPrag weist 18 russische Diplomaten aus – Moskau reagiert prompt
Tschechien verdächtigt Russland, hinter Anschlägen in einem Munitionsdepot vor knapp sieben Jahren zu stecken. Der Polizei zufolge weisen die Vorfälle auch eine Verbindung zur Vergiftung des übergelaufenen russischen Spions Sergej Skripal auf.
Tschechien wirft Russland vor, an der Explosion eines Munitionslagers mit zwei Todesopfern im Jahr 2014 beteiligt gewesen zu sein. Ministerpräsident Andrej Babis sprach am Wochenende von «eindeutigen Beweisen». Das EU- und Nato-Mitgliedsland wies deshalb am Samstag 18 Beschäftigte der russischen Botschaft aus – angeblich Agenten der Geheimdienste SWR und GRU. Die Regierung setzte ihnen eine Frist von 48 Stunden, binnen der sie Tschechien verlassen müssen.
In dem Munitionslager in Vrbetice im Osten des Landes war es im Oktober und Dezember 2014 zu mehreren Explosionen gekommen. Dabei kamen zwei Beschäftigte einer Rüstungsfirma ums Leben, zudem entstand hoher Sachschaden. «Tschechien ist ein souveräner Staat und muss auf diese nie dagewesenen Enthüllungen in entsprechender Form reagieren», sagte Babis. Der Präsident des Senats, Milos Vystrcil, sprach von «Staats-Terrorismus».
Nach der Ausweisung weist Moskau seinerseits 20 tschechische Diplomaten aus. Sie müssen das Land bis Montag verlassen, erklärte das russische Aussenministerium. Moskau bestellte am Sonntag den tschechischen Botschafter Vitezslav Pivonka ins Aussenministerium ein und nannte die Ausweisung der russischen Diplomaten einen «feindlichen Akt». Vor der Einbestellung hatte das Ministerium mitgeteilt: «Wir werden Vergeltungsmassnahmen ergreifen, die die Urheber dieser Provokation zwingen, ihre volle Verantwortung für die Zerstörung der Grundlage der normalen Beziehungen zwischen unseren Ländern zu verstehen.
Das russische Aussenministerium sprach zuvor von einer «beispiellosen Entscheidung», die völlig unbegründet sei. Die Vorwürfe seien absurd. Moskau vermutet hinter der Ausweisung seiner Diplomaten den Einfluss Washingtons. «In ihrem Wunsch, den USA vor dem Hintergrund der jüngsten US-Sanktionen gegen Russland zu gefallen, haben die tschechischen Behörden in dieser Hinsicht sogar ihre Herren jenseits des grossen Teichs übertroffen», erklärte das Aussenministerium.
Kürzlich erst hatten die USA und Polen zusammen 13 russische Diplomaten ausgewiesen, unter anderem mit Verweis auf einen Hackerangriff. Daraufhin hatte Russland seinerseits 15 Diplomaten der beiden Staaten des Landes verwiesen. Zudem gibt es neue Spannungen zwischen Russland und der Ukraine.
Zusammenhang mit dem Fall Skripal
Die tschechische Polizei veröffentlichte Fahndungsfotos zweier Tatverdächtiger. Die Bilder zeigen zwei Russen, die bereits in Zusammenhang mit einem Nervengift-Anschlag auf den früheren Doppelspion Sergej Skripal in Grossbritannien 2018 gesucht werden. Russland weist jede Verwicklung in den Fall Skripal zurück.
Die beiden mutmasslichen GRU-Spione waren nach Polizeiangaben Mitte Oktober 2014 sechs Tage lang in Tschechien. Dabei hätten sie sich – wie später in England – als Alexander Petrow und Ruslan Boschirow ausgegeben. Sie hätten auch die Region Zlin besucht, in der sich das Munitionslager befindet. Interfax schrieb unter Berufung auf Quellen, dass Russland die Männer nicht ausliefere.
Das Munitionslager wurde von Rüstungsfirmen genutzt. Nach einem Bericht des Magazins «Respekt» war ein Teil der Güter für die Ukraine bestimmt, die im Osten gegen prorussische Separatisten kämpft. Nach den Explosionen waren Soldaten zwei Jahre lang damit beschäftigt, Blindgänger zu entschärfen und das Areal wieder sicher zu machen.
Die Enthüllungen kommen überraschend. Ursprünglich hatte Innenminister Jan Hamacek am Montag nach Moskau reisen wollen, um über Lieferungen des Corona-Impfstoffs Sputnik V zu verhandeln. Die Reise wurde kurzfristig abgesagt. Hamacek leitet derzeit kommissarisch auch das Aussenministerium.
Konsequenzen für Ausbau von AKW in Tschechien
Zuletzt gab es vor einem Jahr Spannungen zwischen Tschechien und Russland. Auslöser war die Entfernung einer Statue für den sowjetischen Weltkriegsgeneral Iwan Konew in Prag.
Die neuen Spannungen dürften Folgen für den geplanten Ausbau des tschechischen Atomkraftwerks Dukovany in Südmähren haben. Die Teilnahme russischer Firmen an dem Milliardenprojekt sei nun sehr unwahrscheinlich bis praktisch ausgeschlossen, sagte Industrieminister Karel Havlicek im Sender CNN Prima News.
SDA
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