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Kandidaten für Präsidentenwahl
Im Iran beginnt jetzt die «Stand-up-Comedy»

Former Iranian president Mahmoud Ahmadinejad poses for a picture after registering his candidacy for Iran's upcoming presidential election in Tehran on June 2, 2024. Iran's hardline former president, 67, held the post of president for two consecutive terms from 2005 to 2013 with his tenure marked by incendiary remarks on Israel and standoffs with the West especially over Iran's nuclear programme. Like all presidential hopefuls, his bid is pending the approval of the Guardian Council, a conservative-dominated 12-strong body of jurists that vets all candidates for public office. (Photo by ATTA KENARE / AFP)
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Fast klingt es, als würde in der Islamischen Republik gerade ein Wahlkampf beginnen. Als Mahmoud Ahmadinejad, der frühere Präsident, am Sonntag in Teheran im Innenministerium erschien, da berichtete die regimetreue Nachrichtenagentur Tasnim von einer «grossen Zahl an Journalisten und Fotografen», das Rennen werde jetzt «hitzig».

Ahmadinejad, der Provokateur, der damals, in seiner Amtszeit, den Holocaust leugnete und das Atomprogramm vorantrieb, er lächelte, machte für die Kameras ein Victoryzeichen und trug sich als Kandidat ein. Als Kandidat für das Amt, das er bis 2013 innehatte. Als Kandidat für die Präsidentschaftswahl am 28. Juni, eine Neuwahl, nötig geworden durch den Tod des Amtsinhabers Ebrahim Raisi. Der war im Mai mit einem Helikopter abgestürzt. (Lesen Sie hier über die EU-Reaktion auf den Helikopterabsturz)

Wächterrat hält Einfluss des Volkes in Grenzen

Ein Wahlkampf? Auch auf X, vormals Twitter, klingt es so; einem Medium, das sich im Regime der Kleriker grosser Beliebtheit erfreut. Da schrieb Ali Larijani, langjähriger Parlamentssprecher, einen Satz ans Volk: «Ohne euch schaffen wir es nicht ans Ziel.» Darunter postete er eine Karte wie aus einer Taxi-App, das Ziel: der Amtssitz des Obersten Führers, Ali Khamenei, des eigentlichen Staatsoberhaupts also.

Former Iranian parliament speaker Ali Larijani walks after addressing the media following his registration at the elections registration office in Tehran, on May 31, 2024, ahead of the country's election of a new president next month. After Iran mourned president Ebrahim Raisi, who died in a helicopter crash, the nation's focus turns to the election for his successor, with the conservative camp seeking a loyalist to supreme leader Ayatollah Ali Khamenei. The lead-up to the June 28 vote has opened the field to a broad range of hopefuls. (Photo by AFP)

So ist das in der Islamischen Republik, der Präsident ist, wenn überhaupt, nur die Nummer zwei. Larijani gilt innerhalb des Systems als eher moderat, für die Hardliner war allein sein Tweet eine Provokation. Einer von ihnen, ein konservativer Abgeordneter, schrieb unter Larijanis Taxibild: «Kein Fahrer hat auf deine Anfrage reagiert.»

Wahlkampf also, so klingt es, so sieht es aus – wer möchte, kann sich darum bewerben, der Präsident oder die Präsidentin des Landes zu werden. Ganze 80 Kandidaturen zählte das Innenministerium bis Montagabend, als die Frist ablief, darunter die von Mahmoud Ahmadinejad und Ali Larijani. Zumindest Ahmadinejad dürfte wissen, dass es ihm ergehen wird wie den meisten der 80, wenn am kommenden Dienstag der sogenannte Wächterrat an die Öffentlichkeit tritt.

Wahlbeteiligung sank auf ein Rekordtief

Der Wächterrat ist eines der Gremien der Islamischen Republik, die den Einfluss des Volkes in Grenzen halten. Die Hälfte der Wächter ernennt der Oberste Führer persönlich, die andere Hälfte der Chef der iranischen Justiz. Den wiederum hat Ali Khamanei ins Amt berufen. Kurz gesagt: Aus welchen Kandidaten die Wählerinnen und Wähler wählen dürfen, bestimmt der 85 Jahre alte Khamenei.

Eine einstellige Zahl wird von den 80 wohl übrig bleiben, bei der letzten Präsidentschaftswahl 2021 waren es vier. Larijani schloss der Wächterrat damals aus, ebenso den populistischen Ahmadinejad, der sich als Anti-Establishment-Figur inszeniert. Disqualifiziert waren auch alle Kandidaten aus dem Reformerflügel. Für Raisi, den damaligen Wunschkandidaten Khameneis, blieb damit kein ernsthafter Gegner übrig, mit echtem Wahlkampf, den es früher im Land durchaus gab, war es vorbei; auch die Wahlbeteiligung sank auf ein Rekordtief. (Einordnung nach Tod des Präsidenten)

Man darf vermuten, dass es bei der Neuwahl am 28. Juni ähnlich sein wird. Gholamhossein Karbaschi, ein prominenter Reformer, beschrieb das Registrierungsverfahren der vergangenen Tage als «Stand-up-Comedy». Für die Reformer, die früher mit den Konservativen konkurrierten, gibt es im iranischen Machtgefüge keinen Platz mehr, das Regime hat sich über die Jahre radikalisiert. Das Sagen haben in erster Linie die Revolutionsgarden.

Wer wird ausgeschlossen?

Nach und nach waren sie bis Montag ins Innenministerium gekommen: Vahid Haghanian, ein Vertrauter Khameneis, der lange als dessen rechte Hand galt; Mohammad Bagher Ghalibaf, aktueller Sprecher des Parlaments und Zweitplatzierter bei den Wahlen 2013; und Saeed Jalili, ein scharfer Konservativer, auch er ein Liebling des Obersten Führers.

Zu denen, die der Wächterrat wahrscheinlich ausschliessen wird, gehört Es’haq Jahangiri. Der war immerhin mal Stellvertreter von Hasan Rohani, jenem Präsidenten, der zwar nie etwas mit den Reformern zu tun hatte, der sich aber in seiner Zeit zwischen 2013 und 2021, also zwischen Ahmadinejad und Raisi, noch so etwas wie eine eigene Linie erlaubte – zum Beispiel beim Atomabkommen mit dem Westen.

Eine Art Aussätziger

Inzwischen gilt Rohani, vor drei Jahren noch Präsident, im Regime als eine Art Aussätziger. Ali Larijani hätte wohl Rohanis Unterstützung und die all jener, die noch hoffen, das Regime könnte sich von innen heraus ändern – falls der Wächterrat ihn zur Wahl zulässt. Manche glauben, dass Larijani nicht angetreten wäre, hätte er diesmal nicht begründete Hoffnung auf grünes Licht. Immerhin sei es im Interesse des Regimes, dass die Menschen zur Wahl gehen und ihr damit Legitimität verleihen.

Vor allem seit den Protesten im Herbst 2022 hat sich allerdings die Führung um Ali Khamenei vom Volk entfernt. Die Entscheidungen fallen in engen, verschlossenen Zirkeln. Bei der Parlamentswahl im März war die Beteiligung so niedrig wie nie, nur noch eine Minderheit nahm daran teil; es schien das Regime nicht weiter zu stören.