Prada will Versace kaufenBringt man diese beiden italienischen Modehäuser unter einen Hut?
Die innovative Marke Prada bietet 1,5 Milliarden Euro für die glamouröse Konkurrentin Versace. Die Luxushäuser im Vergleich – und die grosse Frage nach Donatella Versaces Zukunft.

Wieso will Prada seine Konkurrentin kaufen?
Die Italiener wollen endlich mit den Franzosen mithalten – genauer gesagt, mit Konglomeraten wie LVMH und Kering, die das Luxusgeschäft dominieren. Denn die Prada-Gruppe ist nebst ihren Flaggschiffen Prada und Miu Miu, den Schuhmarken Church’s und Car Shoe sowie der Traditionspatisserie Marchesi 1824 noch ziemlich übersichtlich.
Jetzt will Prada expandieren und hat 1,5 Milliarden Euro geboten, um Versace der angeschlagenen Eigentümerin Capri Holdings abzukaufen, zu der auch Marken wie Jimmy Choo und Michael Kors gehören.
Einen besseren Zeitpunkt gibt es kaum: Während andere Luxusmarken straucheln, hat die Prada-Gruppe ihren Umsatz gerade um 17 Prozent gesteigert. Das ist vor allem dem Erfolg von Pradas Zweitlabel Miu Miu geschuldet, das zurzeit als eines der angesagtesten Labels gilt und vor allem bei einem jungen Publikum sehr populär ist.
Für die Prada-Gruppe ist es aber vor allem eine Gelegenheit, zu zeigen, dass sie auch einem Modelabel, das nicht zum Familienimperium gehört, zum Erfolg verhelfen kann.
Wer steckt hinter den Marken?

Prada: Miuccia Prada ist der kreative Kopf hinter Prada und Miu Miu und gilt als Grande Dame der Modeszene. Sie erbte in den 70er-Jahren das im Jahr 1913 von ihrem Grossvater gegründete und etwas angestaubte Ledertaschenunternehmen Prada und transformierte es zu dem Modeimperium, das es heute ist. Und das, obwohl die Mailänderin keine klassische Ausbildung als Modedesignerin genoss, sondern Politikwissenschaften studierte und zeitweise Pantomimin werden wollte. 1993 gründete die heute 75-Jährige das Schwesterlabel Miu Miu, das eine jüngere Zielgruppe ansprechen soll. Ihr Ehemann Patrizio Bertelli führt als CEO die Geschäfte, Sohn Lorenzo wird das Familienunternehmen bald übernehmen.

Versace: Die Versaces sind im Vergleich dazu Nachzügler. Erst im Jahr 1978 eröffnete Gianni Versace seine erste Boutique in Mailand. Doch das junge Talent, das von Kindesbeinen an in der Schneiderwerkstatt seiner Mutter mitgeholfen hatte, wurde schnell zu einer Sensation in der Modeszene. Dabei erhielt der Kalabrier Unterstützung von seiner Familie: Schwester Donatella fungierte etwa als Vizepräsidentin und Beraterin von Versace – und übernahm nach dem tragischen Tod ihres Bruders (er wurde vor seiner Villa in Miami erschossen) im Jahr 1997 die Rolle der Kreativdirektorin.

Was ist die Marken-DNA?

Prada: Das italienische Modehaus gilt bis heute als eine der innovativsten Modemarken und steht – wie schon das simple dreieckige Logo zeigt – für eine reduzierte und moderne Eleganz. Miuccia Pradas Designs sind von klaren Linien und hochwertigen Materialien geprägt. In den 80er- und 90er-Jahren revolutionierte sie die Modewelt gleich in zweierlei Hinsicht: Sie führte den damals unorthodoxen Stoff Nylon ein und kleidete ihre Models in Entwürfe, die nicht konventionell «sexy» waren. Damit gilt die Mailänderin als Pionierin des «Ugly Chic».

Versace: Gianni Versace hauchte der Modewelt Ende der 70er-Jahre mit seinen opulenten und auffälligen Designs Leben ein. Seine knalligen Kleider mit lauten Prints und extravaganten Stoffen schockierten viele, die zu dieser Zeit gedeckte Farben und Schlichtheit gewohnt waren. Der Italiener liess sich für seine Entwürfe gerne von historischen Epochen inspirieren. Besonders die Mythologie ist in der Markenidentität verwurzelt: So ziert der Kopf der Medusa das Logo des Labels. Sowohl Gianni Versaces als auch Donatellas Mode stehen bis heute für Sinnlichkeit und Erotik.
Wer ist die Zielgruppe?
Prada: Miuccia Prada ist bekannt dafür, dass sie ihre Mode auch als Kunstform versteht. Somit ist ihre Kleidung an eine intellektuelle, kulturorientierte Klientel gerichtet – man denke an Designer, Architektinnen oder Künstler.
Versace: Die Designs von Versace zielen hingegen auf ein glamouröses, extravagantes Publikum ab, das gerne im Rampenlicht steht. Dazu gehören Prominente wie Kim Kardashian, Luxusliebhaber und Influencer.
Wie entwickelten sich die Marken?
Versace: In den 2000er-Jahren gingen die Umsatzzahlen von Versace zurück, weshalb es mehrere Restrukturierungsversuche gab. 2018 kaufte Michael Kors die Marke für zwei Milliarden Euro, Donatella Versace blieb Kreativdirektorin. Ein Jahr später schloss sich die Marke der Luxusmodegruppe Capri Holdings an. In den letzten Jahren hat die Marke jedoch zunehmend an Popularität eingebüsst. Auf der aktuellen Rangliste der 20 angesagtesten Luxusmarken der Shopping-Plattform Lyst liegt Versace auf Platz 14.

Prada: Zum Vergleich – Prada liegt auf der Rangliste auf Platz 3, die «kleine Schwester» Miu Miu sogar auf Platz 1.
Wie ist ihr Einfluss auf die Popkultur?

Versace: Wer an Versace denkt, denkt sofort an das berühmte «Sicherheitsnadelkleid», das die junge Liz Hurley 1994 an der Seite von Hugh Grant zu einer Filmpremiere trug: eine schwarze Robe mit tiefem Ausschnitt und Cut-outs, die von goldenen XXL-Sicherheitsnadeln zusammengehalten wurden. Auch Jennifer Lopez’ Auftritt im grünen Seidenchiffon-Kleid mit tropischem Muster bei den Grammys im Jahr 2000 sorgte für ein riesiges Medienecho. Beide Kleider haben ihren eigenen Wikipedia-Eintrag – und zeigen, wie geschickt es Versace verstand, Promis einzusetzen, um für seine Marke zu werben.

Prada: Auch Prada kleidet die Berühmten und Reichen ein. Doch die Marke steht weniger für einen bestimmten Promi-Moment als für ikonische Kleidungsstücke und Accessoires wie ihre Nylon-Handtaschen und Stilettos mit Flammenmotiv. Zudem ist Prada seit dem Film «Der Teufel trägt Prada» mit Meryl Streep als strenge «Vogue»-Chefredaktorin zu einem Symbol für Status und Modebewusstsein geworden.
Wie lassen sich die zwei Marken vereinbaren?
Die Marken könnten – abgesehen davon, dass sie beide italienisch sind – nicht unterschiedlicher sein. Es ist daher schwierig, sich vorzustellen, wie ein prada-fiziertes Versace aussehen könnte. Vermutlich wollen die Käufer aber kein Prada 2.0 kreieren, sondern mit Versace eine rebellischere, mutigere Kundschaft bedienen.

Vorstellbar ist aber, dass das Medusa-Logo und das allgemeine Branding ein Umstyling erhalten – hin zu etwas mehr Dezenz. Zudem könnte Versace vom Know-how von Prada in Sachen Lederwaren und Accessoires profitieren, ein Bereich, in dem Versace nie grossen Erfolg hatte.
Die grosse Frage bleibt jedoch, ob Prada Donatella Versace weiterhin die kreative Ausrichtung der Marke überlassen wird. Schliesslich war die 69-Jährige schon immer das Herzstück von Versace – eine Zukunft ohne sie ist schwer vorstellbar. Jedenfalls könnte ihr Schicksal noch im März besiegelt werden.
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