Camp auf dem BundesplatzKlimaaktivisten führten Gemeinderat an der Nase herum
Die Berner Stadtregierung war von den Klimaaktivisten informiert worden, dass sie am 21. September Aktionen planten. Doch Aktivisten legten eine falsche Fährte. Zudem wurde bekannt, dass der Polizeieinsatz fast eine halbe Million Franken kostete.
Das illegale Klimacamp auf dem Bundesplatz sorgte schweizweit für Schlagzeilen. Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) musste sich von Bundesparlamentariern vorwerfen lassen, die Stadtregierung habe sich von den Klimaaktivisten überraschen lassen. Nun zeigt sich: Die Klimaschützerinnen und -schützer haben den Gemeinderat auf eine falsche Fährte gelockt.
In einer Antwort auf einen Vorstoss von SVP-Fraktionschef Alexander Feuz und vier Parteikollegen schreibt die Stadtregierung, dass sie am Donnerstag vor der Besetzung des Bundesplatzes von den Organisatoren der Klimawoche eine E-Mail erhalten habe.
Darin nahmen diese Bezug auf die Tatsache, dass damals aufgrund der Corona-Situation keine Demonstrationsumzüge zugelassen waren: «Diese Situation zwingt uns dazu, zivil ungehorsam zu werden und eine unbewilligte Demonstration in der Stadt Bern durchzuführen. Diese werden wir am 21. September 2020 um 12.05 Uhr zum Start der Aktionswoche Rise up for Change unter dem Motto ‹Es ist schon längst 5 nach 12 fürs Klima› friedlich, aber bestimmt durchführen. Wir werden uns auf dem Bahnhofplatz versammeln und danach gemeinsam durch die Stadt laufen und danach zur Reitschule zurückkehren.»
Der Gemeinderat sagt es zwar nicht explizit, aber diese E-Mail lässt den Schluss zu, dass die Klimaaktivisten den Gemeinderat auf eine falsche Fährte lockten. Statt wie angekündigt über die Mittagszeit einen Umzug durchzuführen, besetzten sie am Montagmorgen früh den Bundesplatz.
Gemeinderat verschwieg E-Mail bislang
Verschiedene Medien hatten Stadtpräsident Alec von Graffenried und andere Mitglieder des Gemeinderats während und nach der Besetzung des Bundesplatzes gefragt, ob sie im Vorfeld darüber oder über andere konkrete Aktionen informiert gewesen seien.
So auch diese Zeitung anlässlich der Medienkonferenz am Abstimmungssonntag vom 29. September. Immer verneinten die befragten Gemeinderatsmitglieder. Doch transparent informierten sie nicht. Sie verschwiegen damals, dass es diese E-Mail-Nachricht der Klimaaktivisten vom 17. September gab.
«Keine konkreten Hinweise»
Der Gemeinderat wiederholt in der Antwort seine Darstellung, dass er bloss gewusst habe, dass in der Woche vom 21. bis zum 25. September «mit diversen Aktionen durch Klimaaktivisten in der Stadt Bern (Kundgebungen, Anbringen von Plakaten, Verteilen von Flyern etc.) gerechnet werden müsse».
Doch Genaueres sei den Behörden nicht bekannt gewesen. Die Stadtregierung schreibt dazu: «Der Kantonspolizei Bern lagen keine konkreten Hinweise bezüglich Örtlichkeit und genauer Zeitpunkt der Aktionen vor, sondern lediglich die vorgenannte Pauschaleinschätzung, wie sie oft im Vorgang zu Sessionen besteht.»
Polizeieinsatz kostet fast 500’000 Franken
Die Kantonspolizei habe für ihren Einsatz während des zweitägigen Klimacamps vom September insgesamt 426'375 Franken und 60 Rappen aufgewendet. Das geht aus der Antwort des Berner Gemeinderats auf eine Kleine Anfrage von Stadtrat Erich Hess (SVP) hervor. Der Betrag sei im Pauschalvertrag der Stadt Bern mit der Polizei enthalten und werde der Stadt nicht zusätzlich verrechnet.
Eine Kostenüberwälzung an die Demo-Verantwortlichen gebe es auch nicht. Diese komme gemäss kantonalem Polizeigesetz bekanntlich nur bei jenen Kundgebungen in Frage, bei denen Gewalt ausgeübt wurde.
Bei der Räumung des Bundesplatzes in den frühen Morgenstunden des 23. September kamen auch die Berufsfeuerwehr Bern und die Sanitätspolizei zum Einsatz. Ihre Kosten belaufen sich laut Gemeinderat auf 9044 Franken. Dazu kommen Reinigungskosten von 6100 Franken.
«Unbegründete Gerüchte» auf Twitter
SVP-Stadträte hatten eine ganze Reihe Kleiner Anfragen zum Klimacamp eingereicht, die am Donnerstagabend im Parlament traktandiert waren. Dabei warfen sie auch die Frage auf, ob «nahe Angehörige» von Gemeinderäten unter den Besetzern des Bundesplatzes gewesen seien. Entsprechende Gerüchte kursierten in den Sozialen Medien.
Der Gemeinderat dementiert sie – und fügt an, dass der AUNS-Geschäftsführer und SVP-Politiker Werner Gartenmann über Twitter «unbegründete und an Verleumdung grenzende Gerüchte» in Umlauf gebracht habe. Im übrigen sei es bedauerlich, dass Berner Stadträte sich dazu hergäben, solche polemisierenden Gerüchte als Anlass für einen parlamentarischen Vorstoss zu missbrauchen.
Aktivisten der Klimabewegung Schweiz hatten am frühen Morgen des 21. September den Bundesplatz besetzt und ein Camp aufgebaut. Sie wollten damit während der Session der eidgenössischen Räte vor einer drohenden Klimakatastrophe warnen. In der Nacht auf den 23. September räumte die Polizei den Platz. Die Aktivisten leisteten nur passiven Widerstand.
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