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Häusliche Gewalt
Politikerinnen wollen Abschiebung misshandelter Frauen verhindern

Trotz häuslicher Gewalt bleiben Migrantinnen oftmals in gewalttätigen Beziehungen – aus Angst, bei einer Trennung ihr Aufenthaltsrecht zu verlieren. 
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Er klemmt ihr die Hand in der Tür ein.

Er nennt sie eine Hure, eine Schlampe.

Er verbietet ihr, das Haus zu verlassen.

Häusliche Gewalt ist in der Schweiz weitverbreitet. Laut Fachpersonen ist rund jede fünfte Frau betroffen. Besonders prekär ist die Lage von Migrantinnen. Ihr Aufenthaltsrecht ist oft an den Zivilstand gebunden, «Verbleib beim Ehemann» heisst es dann in der Aufenthaltsbewilligung.

Das «Magazin» berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über das Schicksal zweier betroffener Frauen. Ihre Geschichten zeigen exemplarisch: Wehren sich die Migrantinnen gegen ihre gewalttätigen Ehemänner, müssen sie mit dem Landesverweis rechnen.

Kommt es zu einer Scheidung, dürfen die betroffenen Frauen grundsätzlich nur im Land bleiben, wenn sie mindestens drei Jahre verheiratet waren und als integriert gelten. Zwar gibt es Ausnahmen für Opfer häuslicher Gewalt – allerdings nur, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Gewalt eine «gewisse Intensität und Systematik» aufgewiesen hat. Das ist in der Praxis häufig schwierig.

Nun eilt eine überparteiliche Frauengruppe aus dem Parlament den Betroffenen zu Hilfe. Vertreterinnen aller grossen Parteien verlangen gemeinsam, dass das Integrations- und Ausländergesetz angepasst wird. Musste eine Frau mit polizeilichen oder richterlichen Massnahmen vor ihrem Partner geschützt werden oder stellt eine Opferhilfe-Beratungsstelle häusliche Gewalt fest, soll künftig auf eine Landesverweisung verzichtet werden.

Die Basler SP-Nationalrätin Samira Marti sieht Handlungsbedarf bei von Gewalt betroffenen Migrantinnen. 

SP-Frau Samira Marti kritisiert, heute hänge es von der Migrationsbehörde oder gar zuständigen Sachbearbeitenden ab, was unter einer «gewissen Intensität» an häuslicher Gewalt verstanden werde. «Und bei einem 4-Augen-Delikt steht oft Aussage gegen Aussage.»

SVP-Frau argumentiert mit Kosten

Unterschrieben hat auch SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann. Sie kritisiert nicht die bestehenden Hürden – die Härtefallregelung dürfe nicht missbraucht werden. Aber die Vergangenheit habe gezeigt, dass Frauen, die sich durch alle rechtlichen Instanzen hätten kämpfen müssen, am Schluss recht bekommen hätten. «Das kostet uns alle Zeit und Geld», sagt Steinemann.

Ein Fall in ihrer Sozialbehörde in Regensdorf habe aufgezeigt, wie teuer eine Unterkunft im Frauenhaus sei. «Eine Eritreerin mit drei Kindern kostete uns monatlich 24’800 Franken, das gilt es zu verhindern.» Nicht die Opfer, sondern die Täter müssten ausgeschafft werden.

Die Zürcher SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann hat den Antrag aus der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats mitunterzeichnet. 

Steinemann rechnet nicht mit Widerstand aus ihrer Partei. Es sei kein typisches Asyl- oder Ausländerthema. «Es ist eine kleine, marginalisierte Gruppe, bei der wir genau hinschauen müssen.»

Kritik an Migrationsbehörden

Spezialisierte Beratungsstellen begrüssen den Vorschlag. «Migrationsbehörden zeigen immer wieder eine grundlegende Skepsis gegenüber Migrantinnen und einen Mangel an Verständnis für das komplexe Phänomen der häuslichen Gewalt», sagt Nina Lanzi, Mitarbeiterin bei der FIZ, der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration. Dies schrecke viele Frauen von einer Anzeige ab.

Normalerweise entscheiden die Kantone, wie sie mit Härtefällen umgehen. Der Bund kommt erst zum Zug, wenn eine Person gegen einen negativen Entscheid des Kantons erfolgreich Beschwerde einlegt. Im Jahr 2020 hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) in 26 Härtefällen wegen häuslicher Gewalt entschieden, auf eine Ausweisung zu verzichten. Alle anderen Fälle werden in der nationalen Datenbank nicht erfasst.

Das SEM sagt, man kläre die Fälle schon heute sorgfältig ab. Entscheide würden auf verschiedene Beweismittel wie etwa ärztliche Atteste, Polizeiberichte, Strafanzeigen oder Strafurteile gestützt. Auch würden Opferaussagen und Aussagen von spezialisierten Diensten berücksichtigt, sagt Sprecher Lukas Rieder auf Anfrage. «Die Schweiz muss gewährleisten, dass die Istanbul-Konvention diskriminierungsfrei umgesetzt wird. Diesen Verpflichtungen kommt das SEM nach.»

Aus Sicht der Befürworterinnen wäre die Gesetzesänderung aber gerade wegen der besagten Istanbul-Konvention wichtig: Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sieht vor, dass der Aufenthaltsstatus der Gewaltbetroffenen von jenem des Ehemannes entkoppelt wird. Die Schweiz trat unter Vorbehalt bei, wonach diese Bestimmung hierzulande «nicht oder nur in bestimmten Fällen oder unter bestimmten Bedingungen angewendet werden muss».