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Was tun gegen die Fangewalt?
Politik und Polizei scheuen den radikalen Schritt

Bis zum Spielabbruch: Anhänger der Grasshoppers sorgen am 12. Mai 2019 für einen der skandalösesten Vorfälle in einem Schweizer Fussballstadion in den letzten Jahren.
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Im Dezember 2021 schienen sie praktisch eingeführt. Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen (KKJPD) gab damals eine «dringende Empfehlung» ab, den Fussballclubs der Super League ab Sommer 2022 personalisierte Tickets vorzuschreiben. Nur der Widerstand einiger städtischer Bewilligungsbehörden verhinderte im letzten Moment diesen radikalen Schritt.

Stattdessen wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die untersucht hat, was die Einführung überhaupt bedeuten würde. Seit Montag liegen die 110 Seiten plus Anhänge vor. Und plötzlich sind personalisierte Tickets im Schweizer Clubfussball nur noch eine Drohkulisse irgendwo am fernen Zeithorizont. Zuerst wollen politische Behörden, Polizei und Clubs andere, weniger weit gehende Massnahmen ergreifen, um gegen Fangewalt rund um Fussballspiele vorzugehen.

Was das konkret bedeuten wird, ist noch nicht klar. Die Richtlinien sollen bis Ende 2023 vorliegen und auf die Saison 2024/25 hin eingeführt werden. Die Rede ist etwa von hochauflösenden Videokameras zur Täterverfolgung, von gesperrten Fansektoren oder von einem möglichen Verbot von Auswärtsfans. All diese Massnahmen können heute schon ergriffen werden.

Gescheiterter Einzelgang im Wallis

Neu ist allerdings, dass schweizweit dieselben Grundlagen gelten werden. Bislang entschieden Städte oder Kantone in Einzelfällen erstaunlich unterschiedlich darüber, wie sie mit Fangewalt umgehen wollen. Der bislang eher dem Dialog zugeneigte Kanton Basel-Stadt zum Beispiel ist dem verschärften Hooligan-Konkordat nie beigetreten. Am anderen, repressiven Ende der Skala sind Einzelgänge wie die kurzfristige Einführung personalisierter Tickets im Wallis spektakulär gescheitert.

Ebenfalls eine Neuerung ist, dass auch die organisierten Fans in die Diskussionen eingebunden werden sollen. Die Hoffnung ist hier, dass Gewalt verhindert werden kann, wenn allen Beteiligten von Anfang an klar ist, welche Verfehlungen welche konkreten Massnahmen nach sich ziehen.

Dieser Schritt auf die Fans zu ist eine Abkehr vom Weg, den Politik und Polizei bislang um Umgang mit Fangewalt beschritten haben. Seit 2005 wurde, unter anderem mit zwei Hooligan-Konkordaten, stetig an der Repressionsschraube gedreht – mit überschaubarem Erfolg.

Unmöglich zu überprüfen

Die Schweizer Polizeikommandanten stellen sich weiterhin auf die Position, dass personalisierte Tickets in der Schweiz theoretisch möglich wären. Die Studie zeigt allerdings, dass die Einführung derzeit wenig realistisch ist.

Zwar besteht die gesetzliche Grundlage, mit der die Bewilligungsbehörden ID-Kontrollen vor einem Stadioneintritt vorschreiben können. Das allein aber würde wenig bringen. Sinn macht die Massnahme nur, wenn die Personendaten erstens gespeichert und zweitens vor Stadioneintritt mit der Datenbank für Fussballgewalttäter (Hoogan) abgeglichen werden.

Derzeit könnten die Clubs diese Daten zwar auf freiwilliger Basis abspeichern. Aber sie dürften nicht von den Behörden dazu gezwungen werden. Noch schwieriger: Eine Weitergabe der behördlichen Gewalttäterdatenbank an private Ticketverkäufer ist laut den geltenden Gesetzen nicht erlaubt. Hier müssten National- und Ständerat das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit anpassen. Was wiederum Jahre dauern dürfte.

Laut Studie wären interessanterweise auch nur wenige der Direktbeteiligten bereit, die höheren Kosten zu übernehmen, die die Einführung von personalisierten Tickets mit sich bringen würden. Das erscheint logisch bei den Clubs, die pro Stadion einmalig mit Kosten von bis zu einer Million Franken für die Umrüstung rechnen plus laufende Kosten während jedem Spiel.

Nur etwas mehr als die Hälfte der Polizei- und Behördenvertreter möchten Mehrkosten während der Einführungsphase von personalisierten Tickets tragen.

Aber auch ein grosser Teil der Polizeibehörden wäre laut einer Umfrage nicht bereit, die Zusatzkosten zu tragen, die wegen der zu erwartenden Fanproteste gegen die ID-Kontrollen zumindest vorübergehend entstehen dürften. Nur jemand würde ohne Vorbehalte zahlen: die Vertreter des öffentlichen Verkehrs, deren Mitarbeiterinnen und Rollmaterial immer wieder in Mitleidenschaft gezogen werden.

Sowieso geht aktuell ein Grossteil der Gewalt im Umfeld von Schweizer Fussballspielen von reisenden Gästefans aus. Die Lösung für dieses Problem soll eine weitere Arbeitsgruppe von Behörden, Polizei, Clubs gemeinsam mit den SBB suchen. Auch sie wird ihre Ergebnisse erst Ende 2023 präsentieren.