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Kemmerich gibt auf – «Neuwahlen sind unumgänglich»

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Gerade einmal fünf Minuten dauert der Auftritt von Thüringens Ministerpräsident Thomas Kemmerich, dessen Amtszeit als eine der kürzesten und bizarrsten in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen wird. «Gestern hat die AfD mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen», sagt er: «Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten. Die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht herstellen lassen.» Daher wolle die FDP die Selbstauflösung des Landtages beantragen. Das kündigte Kemmerich am Donnerstag in Erfurt nach seiner umstrittenen Wahl mithilfe von Stimmen der AfD und der CDU an.

«Damit möchten wir Neuwahlen herbeiführen, um den Makel der Unterstützung der AfD vom Amt des Ministerpräsidenten zu nehmen», sagte Kemmerich. Das Amt des Regierungschefs behält Kemmerich aber offenbar zunächst.

Auf die Frage, was er tun werde, wenn die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Auflösung nicht zustande komme, sagte Kemmerich: «Dann werde ich die Vertrauensfrage stellen.» Um die Zweidrittelmehrheit zu erreichen, müssten neben Linken, SPD, Grünen und FDP auch CDU oder AfD dafür stimmen. Die CDU hat dazu bisher keine Bereitschaft gezeigt. «Wir sind mit der CDU in Kontakt», sagte Kemmerich. «Wie sie entscheiden, wissen wir nicht.»

Schauen Sie hier die Pressekonferenz nach:

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Sollte Kurzzeit-Ministerpräsident Kemmerich die Zweidrittelmehrheit für Neuwahlen nicht erreichen, müssten ihm in einem zweiten Antrag mindestens 45 der 90 Abgeordneten das Vertrauen verweigern. Zu erwarten ist, dass die FDP (5 Mandate), die Grünen (5), die SPD (8) und die Linke (29) das tun würden, insgesamt sind das 47 Abgeordnete.

Damit wäre Kemmerich abgewählt. Der Landtag muss dann innerhalb von drei Wochen einen neuen Ministerpräsidenten wählen. Kommt keine Mehrheit für einen neuen Landeschef zustande, muss es binnen 70 Tagen Neuwahlen geben.

180-Grad-Wende innerhalb von Stunden

Im ARD-«Morgenmagazin» vom Donnerstag hatte Thomas Kemmerich sich noch gegen eine Neuwahl gewandt – diese würde nur zu einer Stärkung der Ränder führen. Kemmerich hatte gehofft, eine Minderheitsregierung mit CDU, SPD und Grünen zu bilden. Allerdings hatten SPD und Grüne einer Zusammenarbeit eine Absage erteilt. Auch ein Bündnis aus FDP, CDU, SPD und Grünen wäre auf eine Unterstützung von Linkspartei oder AfD angewiesen gewesen.

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Auch FDP-Chef Christian Lindner will nach den Vorgängen bei der Wahl des Ministerpräsidenten im ostdeutschen Bundesland Thüringen vom Mittwoch die Vertrauensfrage in der Parteiführung stellen. Dazu solle an diesem Freitag der Bundesvorstand zu einer Sondersitzung zusammenkommen, kündigte Lindner am Donnerstag in Erfurt an. «Nach den heutigen Entscheidungen hier in Erfurt ist es mir möglich, mein Amt als Vorsitzender fortzusetzen. Aber ich möchte mich der Legitimation unseres Führungsgremiums versichern», sagte er.

Lindner wusste über das Vorgehen bei der Wahl Bescheid

Lindner war nach Kemmerichs Wahl unter Druck geraten: Kemmerich hatte klargestellt, dass er den Parteichef über sein Vorgehen im Voraus informiert habe.

Der FDP-Chef nannte den Rücktritt Kemmerichs die «einzig richtige Entscheidung». «Eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit oder Abhängigkeit mit der AfD darf es für eine demokratische Partei in Deutschland nicht geben.» Lindner forderte die CDU auf, sich der Initiative für eine Neuwahl anzuschliessen. «Wir als Freie Demokraten haben die Situation geklärt. Das erwarten wir nun auch von der Union und ihrer Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer.»

Kemmerich war am Mittwoch im Erfurter Landtag im dritten Wahlgang als erster Ministerpräsident in Deutschland nur durch die Unterstützung der AfD gewählt worden. Für ihn stimmten in geheimer Wahl mutmasslich AfD, CDU und FDP. Der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), dessen Partei bei der Landtagswahl im Oktober 2019 stärkste Kraft geworden war, unterlag mit 44 gegen 45 Stimmen.

Bundeskanzlerin Merkel: «Unverzeihlicher Vorgang»

Am Mittwochabend wurde kurz nach der Wahl in mehreren Städten – auch ausserhalb Thüringens – gegen die Wahl Kemmerichs demonstriert. So zogen in Hamburg ungefähr 1500 Demonstranten vom Fraktionsbüro der Hamburger AfD zum Büro des Landesverbandes der FDP. Auch in München und Berlin gab es Proteste.

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Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich am Donnerstagmorgen bei einer Pressekonferenz in Südafrika zu der Wahl in Thüringen geäussert: Sie spricht von einem «unverzeihlichen Vorgang», der mit den Grundüberzeugungen von ihr und der CDU gebrochen habe. Es sei ein «schlechter Tag für die Demokratie» gewesen. Die Bundeskanzlerin fordert, dass die Entscheidung rückgängig gemacht werden müsse. Die CDU dürfe sich nicht auf das Angebot von Kemmerich einlassen.

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Nicht nur in Deutschland sorgt die Wahl Kemmerichs mithilfe der AfD für grosses Aufsehen. «Deutschlands politischer Nachkriegskonsens über die Ächtung rechtsextremer Parteien ist am Mittwoch zerrissen worden, nachdem Angela Merkels Christdemokraten gemeinsame Sache mit der nationalistischen Alternative für Deutschland machten», schreibt etwa die britische «Financial Times». Die polnische «Rzeczpospolita» spricht von einem «Erdbeben», über das man sich Sorgen machen sollte. Die Schweizer NZZ hingegen findet nicht so viel dabei: «Es gibt keinen plausiblen Grund, das Ergebnis moralisch zu verurteilen.»

Reuters/SDA/red