Der Neue beim RekordmeisterPlötzlich ist er, was er nie sein wollte: Chef
Waltteri Immonen coachte 15 Jahre lang in der National League – stets als Assistent im Hintergrund. Nach der Entlassung Christian Wohlwends ist der Finne in Davos erstmals in den Mittelpunkt gerückt.

Wer ist Waltteri Immonen? Der 55-Jährige aus Helsinki arbeitet seit 2008 in der Schweiz, aber als Assistenzcoach stets in der zweiten Reihe. Zehn Jahre wirkte er in Zug, eines in Kloten, 2019 wurde er in Davos Assistent von Christian Wohlwend. Medial trat er nie in Erscheinung, es findet sich dazu ein gutes Beispiel aus seiner Zeit in Zug: In einem Doppel-Interview mit Doug Shedden kommt Immonen nur bei einer Frage zu Wort.
Sein Name fällt dann, wenn ehemalige Spieler seine Fachkompetenz und ruhige Art hervorheben. Oder wenn wieder einmal erwähnt wird, dass Kimi Räikkönen ein guter Freund sei – Immonen lernte seine Ehefrau Nina via den Formel-1-Star kennen.
Als Spieler, man kann es sich bei seiner Unscheinbarkeit heute kaum vorstellen, war Immonen eine Clublegende. Er war der Erste bei Jokerit Helsinki, dessen Nummer unters Hallendach gezogen wurde. Er spielte nur für den Verein mit dem Narren im Logo. Ein Star im heutigen Sinn war Immonen nicht, er war aber langjähriger Captain und ein für seinen Arbeitseifer bekannter Verteidiger.
Als der Kalte Krieg ganz nahe war
Biels Trainer Antti Törmänen war nicht nur Teamkollege und Freund, sondern auch Sitznachbar in der Garderobe. Immonens Biss hat er nie vergessen: «Für mich als Stürmer gab es kein besseres Powerplay-Training, als gegen ein Boxplay mit Waltteri zu spielen. Da war er ein Terrier, du bekamst auch seinen Stock zu spüren.» Bevor hier aber falsche Bilder entstehen: 1996 wurde Immonen zum Gentleman der Liga gewählt, diesen Ruf hat er als Trainer beibehalten.
Immonen wuchs mit zwei Brüdern in Kontula auf, einer rauen Gegend im Osten Helsinkis. Sowjetgrenze und Kalter Krieg waren kaum 200 Kilometer entfernt, in Erinnerung sind ihm darum auch Russenwitze der Erwachsenen geblieben. Es waren keine einfachen Zeiten, dennoch sagt er: «Es mangelte an nichts, es gab viele Kinder in unserer Wohnsiedlung, das Leben war gut.» In der Nähe war auch eines der regionalen Junioren-Teams, die Jokerits Gründer Aimo Mäkinen platziert hatte, die Besten durften später zum Grossclub. So wurde Immonen zum Kind Jokerits.
Er erlebte neun Trainer, vor allem Alpo Suhonen prägte ihn. «Er lehrte mich, wie ein Captain sein muss», sagt Immonen. Suhonen, der zweifache Meistertrainer mit Kloten, der auch den ZSC und den SCB coachte, war seiner Zeit voraus, er wurde später zur Inspiration für viele. Und er warf Immonen ins kalte Wasser: «Ich musste vor den Spielen dafür sorgen, dass das Team bereit war, Alpo kam gar nicht erst in die Garderobe.» Vielleicht war das der erste Schritt, der ihn Richtung Coaching trieb.

Suhonens Umgang mit Spielern wurde auch zu Immonens Mantra: «Alpo erkannte früh die Kunst der werteorientierten Führung. Ich glaube bis heute daran, dass ich nur so arbeiten kann.» Darum habe er diese Ruhe in sich, man werde ihn nie anders erleben, unabhängig von den Resultaten. Auch darum ist er gerne Assistenztrainer: Dieser hat mehr Nähe zu den Spielern, da er sich meist um einen Bereich kümmert – im Falle Immonens waren es stets die Verteidiger: «Ich mag die ständige Interaktion, ich möchte nicht jemand sein, der nur sagt, was sie zu tun haben.»
Immonen trat bereits mit 32 zurück, aber nicht wegen Verletzungen. Er hatte die Captainrolle derart verinnerlicht, dass er in allen Bereichen Vorbild sein wollte – auf und neben dem Eis. Das Eishockey war bei Jokerit bereits ein Ganzjahressport, das Sommertraining begann zwei Wochen nach Saisonende. «Ich war zur Kerze geworden, die an beiden Enden brennt», sagt er. Er konnte der selbst auferlegten Rolle nicht mehr gerecht werden, also hörte er auf. Jokerit wollte ihn behalten und offerierte den Job als Assistenzcoach.
Diese Akribie prägt Immonen bis heute. Es ist üblich, dass er um 5.30 Uhr im Stadion ist, er mag es, ungestört und Kaffee trinkend an der Taktik herumzufeilen. Das Putzpersonal kennt ihn gut, er ist der Einzige, den es beim frühen Rundgang antrifft.
«Das ist das Traurige an diesem Beruf, irgendwann darfst du nicht mehr mit deinen Spielern arbeiten»
Seine besonnene Art bescherte Immonen mehrmals impulsive Cheftrainer. Als er 2019 vom damaligen Davoser Sportchef Raeto Raffainer verpflichtet wurde, war sie sein Trumpf – seine Erfahrung und seine Ruhe sollten Gegenpole zur Emotionalität Wohlwends und zu der Jugend des anderen Assistenten Johan Lundskog werden. Das war nichts Neues: Immonens frühere Chefs waren neben Shedden weitere Lautsprecher wie Raimo Summanen oder Hannu Jortikka.
Doch nun ist er seit dem 11. Januar und der Entlassung Wohlwends verantwortlich. Auf keinen Fall sei es sein Ziel gewesen, Wohlwend zu beerben, die Umstände würden ihm keinen Spass bereiten, sagt er. Offiziell sind er und der zweite Assistent Glen Metropolit Co-Trainer. Und Immonen betont sogleich die Zusammenarbeit. Erst auf Nachfrage verrät er, dass er trotz Formalitäten der Headcoach sei: «Es gibt Situationen, die HeadcoachEntscheide erfordern. Diese treffe ich.»
Bis Ende Saison hat er also die Rolle, die er nicht will: Cheftrainer. Für 2023/24 wird Davos einen Neuen präsentieren, Sportchef Jan Alston schliesst eine Dauerlösung Immonen/Metropolit aus. Will der Neue eigene Assistenten, ist Immonen den Job in Davos los. «Das ist das Traurige an diesem Beruf, irgendwann darfst du nicht mehr mit deinen Spielern arbeiten», sagt er. Ungewissheit kennt er aber: «In 36 Saisons als Spieler oder Trainer lief keiner meiner Verträge über mehr als zwei Jahre.»
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