Analyse zur Entlassung in DavosDer Rekordmeister stellt seinen Coach bloss
Der HCD entlässt Christian Wohlwend. Gründe dafür gibt es, sie sind nicht rein sportlicher Natur. Aber auch der Club macht keine gute Figur.
Der HC Davos hat nach einer kurzen Sitzung am Mittwochmorgen Christian Wohlwend mitgeteilt, dass er nach dreieinhalb Jahren freigestellt wird. Dies, obwohl der Club sich mitten im ausgeglichenen Kampf um die direkte Playoff-Qualifikation befindet. Dies, obwohl der Mannschaft in der Meisterschaft regelmässig gute und attraktive Auftritte gelingen, sie nach einer harten und langen Phase mit viel Verletzungspech (bis zu sieben Stammspieler out) nie auseinanderfiel. Dies, obwohl die Davoser die Comeback-Könige sind: Sie haben bereits in 18 Spielen nach Rückständen gepunktet, zuletzt viermal in Folge. All das sind Fakten, die normalerweise ein Club als PR-Material für die Stärkung eines Coaches verwenden würde.
Wohlwend hingegen genoss zuletzt keinen Rückhalt im Club. Der HCD machte diesbezüglich einen schlechten Eindruck. Am Spengler-Cup, dem Anlass, an dem gerade Davos im Mittelpunkt steht, wirkte nichts aufeinander abgestimmt. Schon zuvor, aber auch während des Turniers wurden von Entscheidungsträgern unterschiedliche «Deadlines» und «Voraussetzungen» herumgereicht: Wann die Arbeit des Trainers abschliessend beurteilt und folglich über eine mögliche Verlängerung seines Ende Saison auslaufenden Vertrags befunden würde. Und was er tun müsse, um gute Karten dafür zu haben. Im Nachhinein betrachtet war das alles Schall und Rauch: Wohlwend hatte nie eine Chance auf eine Weiterbeschäftigung.
Dies wurde auch schon am Montag klar, als VR-Präsident Gaudenz Domenig gegenüber einer Boulevard-Plattform zumindest Fakten betreffend Entscheidungszeitpunkt schuf: Im Artikel wurden für den Mittwoch genaue Uhrzeiten der Sitzung mit Wohlwend inklusive anschliessenden Zahnarzttermins des Trainers breitgewalzt. Am Ende wurde der Coach, der nach der turbulenten Zeit mit dem Abgang Arno Del Curtos antrat und den HCD nach einer grausamen Saison 2018/19 wieder in die richtige Richtung führte, öffentlich vorgeführt – auch vom eigenen Club.
Die Gründe können nicht rein sportlicher Natur sein
Natürlich muss es Gründe geben, wenn man sich mitten in der Saison ohne sportliche Not vom Trainer trennt. Es scheint klar, dass man im HCD von einer deutlichen Verbesserung der Leistung der Mannschaft mit einem anderen Trainer überzeugt ist. Vielleicht hätte Wohlwend ausnahmslos für konstantere Leistungen sorgen müssen, um im Amt bleiben zu können. Apropos: Der HCD punktete in 26 der 34 Spiele, nur Leader Servette (in 6 Spielen nicht gepunktet) weist da bessere Zahlen auf.
Vielleicht sieht sich der HCD mit seiner zweifellos gut zusammengestellten und spielerisch potenten Mannschaft auch als logischen Halbfinal- oder gar Finalteilnehmer und definiert alles andere als Versagen. Da würde hingegen die neue Realität der National League, vielleicht auch geblendet durch regelmässige Finalteilnahmen in der alten Realität der Del-Curto-Ära, beiseitegeschoben: Die Ausgeglichenheit mit sechs Imports ist immens, fast jedes Spiel ist unabhängig des Gegners ausgeglichen, es wimmelt von Overtimes, kein einziges Team ist ständig konstant, jedes einzelne durchlebt ständig ein Auf und Ab. Das Niveau in der Liga wurde höher, der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg aber noch schmaler. Von Siegesserien zu träumen ist legitim, es bleibt halt meistens beim Traum.
Und es ist unbestritten, dass Wohlwend neben dem Eis Argumente geliefert haben muss, die aus Club-Optik eine sofortige Freistellung rechtfertigen. Der Engadiner ist impulsiv, kann nicht verlieren, das öffentliche Bild prägen auch Vorfälle wie die Bidon-Würfe aufs Eis im Playoff 2022. Seine Art soll nicht bei allen Spielern gut ankommen und könnte nach bald vier Jahren für Abnutzungserscheinungen gesorgt haben. Definitiv Unruhe ins Team brachte zuletzt aber auch der Club als Ganzes. Auch bei den Spielern kam die Kommunikation in der Trainercausa nicht nur gut an.
Holden und Niemelä als Kandidaten
Seltsam mutet auch ein Teil der offiziellen Begründung des Clubs an: Die Mannschaft brauche nun neue Stimmen. So weit, so gut. Bloss übernehmen bis Saisonende die bisherigen Assistenztrainer Glen Metropolit und Waltteri Immonen, Letzterer ist ebenfalls seit 2018 im Amt. Die beiden werden vom früheren Spieler Dino Wieser unterstützt, der in dieser speziellen Situation einen Stage bei der 1. Mannschaft absolvieren wird.
Für die Nachfolge ab nächster Saison bringen sich bereits diverse Kandidaten in Stellung. Unter den herumgereichten Namen geistert einerseits ein überraschender: Zugs aktueller Assistenzcoach Josh Holden. Aber auch ein interessanter: Tommi Niemelä, Headcoach bei den Pelicans Lahti in Finnlands Liiga. Niemelä war von 2018 bis 2020 Assistenzcoach in Lausanne. Damaliger Sportchef beim LHC: Jan Alston, aktueller Sportchef in Davos.
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