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Christian Wohlwend polarisiert
Er ist der Trainer, der immer wieder aneckt

Bald fliegen die Bidons: Christian Wohlwend enerviert sich am Ende des Heimspiels gegen Zug über die Schiedsrichter.

Seit Sonntagabend ist Christian Wohlwend Thema Nummer 1 im Schweizer Eishockey. Im zweiten Halbfinalspiel seines HC Davos gegen Zug sorgte er für den Aufreger des Abends, der sich im Zeitalter der sozialen Medien schnellstmöglich verbreitete. Wohlwend warf nach dem entscheidenden 2:1-Siegtreffer des EVZ 15 Sekunden vor Schluss drei Bidons aufs Spielfeld. Er machte damit seinem Ärger Luft über die Schiedsrichter und ihre Strafe gegen den Davoser Jesse Zgraggen, die zum entscheidenden Zuger Powerplay geführt hatte.

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Es war ein sehr harter Entscheid der Refs für ein Vergehen, das streng nach Regelbuch theoretisch geahndet werden kann, normalerweise in solch einer entscheidenden Situation aber von allen Beteiligten ignoriert wird. Die Strafe alleine hat im Mikrokosmos des Schweizer Eishockeys endlose Diskussionen in allen Lagern ausgelöst, doch die Aufregung um Wohlwends Aktion überstrahlt auch diese Debatten.

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Warum eine Sperre okay gewesen wäre

Wohlwend beförderte nicht, wie auch behauptet wurde, die Bidons auf die Schiedsrichter. Diese befanden sich bei den Würfen auf der anderen Seite des Spielfelds beim Speaker und damit in Sicherheit. Und natürlich findet man extremere Trainerproteste, wenn man sich im Netz auf Bildersuche aus diversen tieferen Ligen zum Beispiel Nordamerikas macht.

Selbst in Davos wird Wohlwend von einem Vorvorgänger übertroffen: Jozef Golonka warf 1988 in der Abstiegssaison des Rekordmeisters Dutzende Ersatzstöcke der Spieler aufs Feld, das danach aussah wie ein überdimensionales Mikado-Spiel.

Gegensätze: Christian Wohlwend, umgeben von seinen betont ruhigeren Assistenten Waltteri Immonen (links) und Jörgen Jönsson.

Man muss also nicht überdramatisieren und übermoralisieren. Dennoch hätte man es für richtig finden können, wenn der Einzelrichter Wohlwend für ein Spiel gesperrt und nicht bloss mit 4400 Franken gebüsst hätte. Bidonwürfe als Reklamation zu tolerieren, senkt Hemmschwellen für Proteste aller Art, was selbst nach eklatanten Fehlentscheiden nicht akzeptiert werden kann. Dieses Zeichen für die Referees wäre darum wichtig gewesen.

Show? Nein, er kann nicht anders …

Leute, die Wohlwend vorwerfen, bloss Show gemacht zu haben, um Spiel 3 am Dienstag zu lancieren, irren. Wohlwend ist im öffentlichen Auftreten der authentischste Trainer in der National League. Seine emotionale Direktheit ist seine Stärke, mittlerweile aber auch eine Schwäche. Er kann nicht anders, als ungefiltert seine Meinung mitzuteilen.

Darum legte er sich nicht nur schon mit seinen Spielern, sondern selbst mit den eigenen Fans an, die er am Spengler-Cup 2019 nach einem Spiel öffentlich via Medien für zu schlechte Stimmung kritisierte. Dies, obwohl er vor dem Gang vor die Mikrofone vom damaligen Davoser Sportchef Raeto Raffainer noch in der Garderobe darauf vorbereitet worden war, die Fans explizit nicht zu erwähnen. Ein paar Minuten später kam Wohlwend in die Kabine und entschuldigte sich: «Sorry, ich habe es getan …»

Bemerkenswert ist auch, wie Wohlwend mit seiner direkten Art in Davos für eine heutzutage ungewöhnlich offene Kritikkultur gesorgt hat. Sein Spieler Enzo Corvi sagte nach dem Spiel im TV-Interview, dass er kein Verständnis für den Flaschenwurf habe. Aber er betonte auch, dass ihm das keiner übel nehme, weil «Wolwo» eben so ein emotionaler Mensch sei.

Das Schweizer Eishockey erlebt gerade einen Coach, der für seinen Traumjob kämpft, alles für den Erfolg macht, dabei auch mal überdreht und Tabubrüche begeht.

Wohlwend hatte im Viertelfinal seinen Goalie Sandro Aeschlimann für gleich zwei haltbare Gegentore kritisiert, was im Eishockey, einem Sport mit vielen ungeschriebenen Regeln, als No-go gilt. Deeskalierend agierte dann ausgerechnet Aeschlimann selbst, der ebenfalls in die Kameras sagte, dass Wohlwend ja recht gehabt habe und er die beiden Schüsse hätte stoppen müssen.

Nein, bei Wohlwend ist all das keine Show. Vor gut einem Jahr sagte er bei einem Interview mit dieser Zeitung: «Ich werde wütend, wenn einer nicht alles gibt, wenn du es an Mimik und Körpersprache siehst. Das ist nicht fair gegenüber Mitspielern, Sponsoren, Fans und der Organisation.» Wohlwend erlebt gerade auch, dass Schweizer Trainer in der National League besonders genau angeschaut werden – wohl auch, weil sie so rar sind.

Im Viertelfinal noch auf Erfolgskurs: Rapperswils Goalie Melvin Nyffeler gratuliert Davos-Trainer Christian Wohlwend zum 4:3-Sieg im Best-of-7.

Und das Schweizer Eishockey wiederum erlebt gerade einen Coach, der für seinen Traumjob, Trainer des HCD sein zu dürfen, kämpft, alles für den Erfolg macht, dabei auch mal überdreht und Tabubrüche begeht. Denn der Engadiner sorgt auch clubintern für Diskussionen, man kann nicht behaupten, es würde derzeit bei HCD nicht menscheln: Clubpräsident Gaudenz Domenig liess sich in der NZZ zur Causa so zitieren: «Menschlich erwarten wir vom Trainer eine gewisse Entwicklung.»

Nicht, dass es diese Episoden und ähnliche nicht auch bei anderen Clubs gäbe. Sie passieren indes in der Regel intern, nicht vor Mikrofonen. Der HC Davos erinnert derzeit darum ein wenig an eine Telenovela.

Vieles geht nun im Getöse unter

Natürlich schadet Wohlwend sich mit diesen Aktionen auch. Er verhindert mit ihnen durchaus mögliche positive Schlagzeilen: Die sportlichen Ziele hat er mit der Halbfinalqualifikation und der Qualifikation für die Champions League erfüllt. Er lässt Davos ein attraktives Eishockey spielen. Er drehte im Viertelfinal gegen Rapperswil ein 0:3, Spiel 7 war ein taktisch fast perfektes Spiel seiner Mannschaft. Vieles davon geht nun im Getöse unter.

Auch im Coaching ist Wohlwend authentisch. Selbst im Halbfinal gegen den EVZ setzt er auf seine offensive Spielphilosophie, obwohl die auch den Zugern entgegenkommt, was für schnelle, chancenreiche und unterhaltsame Spiele sorgt. Allerdings mit Vorteilen für Zug, man könnte es darum auch als stur bezeichnen. Defensives Abwarten gibt es bei Wohlwend indes nicht. Es gibt nur «all in», er ist wie eine Kerze, die an beiden Enden brennt.

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