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Panoramamaler Arne Rohweder
Er zeichnet unsere Ski-Karten – und dreht auch mal das Matterhorn

Panoramamaler Arne Rohweder.
Er zeichnet alle Panorama-Karten der Skigebiete.
29.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)
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In Kürze:
  • Arne Rohweder ist bekannt für die Skigebietskarten in der Schweiz.
  • Er kombiniert Topografie und Grafik, um sinnvolle Landschaften zu schaffen.
  • Rohweder sieht künstliche Intelligenz als Herausforderung, nicht als Bedrohung.
  • Kunden wünschen oft Panoramen, die Magie und Märchen vermitteln.

Wenn Sie das nächste Mal Ski fahren, suchen Sie die rechte untere Ecke des Pistenplans ab. Mit grosser Wahrscheinlichkeit entdecken Sie dort die Signatur «A. Rohweder». Sie steht für den Panoramamaler Arne Rohweder aus Hinteregg im Zürcher Oberland. Er hat viele dieser Pistenpläne in der Schweiz gezeichnet.

Ende Oktober sitzt der 62-Jährige an einem der zwei Arbeitstische in seiner Wohnung. Die Jalousien hat er bis zur Hälfte der Fenster heruntergezogen. So sieht er ohne Gegenlicht, was er auf den Bildschirmen tut.

Es läuft die Jahreszeit, in der er für die Skigebiete die Pistenpläne aktualisiert. Zudem arbeitet er gerade an einer Landschaftskarte, die den Golden-Pass-Express abbildet, die Bahnstrecke, die von Montreux nach Interlaken führt.

Oben rechts platziert er das Matterhorn. Von Montreux aus betrachtet, der Perspektive dieser Landschaftskarte, sähe man es von hinten. Rohweder stellt es aus der Zermatter Perspektive dar, so, wie wir es alle kennen. Für diese Schummelei braucht er eine Stunde, aber sie steht für ein ganzes Berufsleben: Rohweder bildet nicht die Realität ab. Er stellt die Landschaft so dar, wie wir sie sehen wollen, wie wir sie brauchen, wie sie für uns Sinn ergibt. Bei den Pistenplänen bedeutet das für ihn: «Ich blase die Skigebiete auf und lasse die Alpen im Hintergrund schrumpfen.»

Mit dem Pinsel zeichnet er einen Baum nach dem anderen

Rohweder hat den Beruf erlernt, als er als Kartograf für die Orell Füssli Graphische Betriebe AG arbeitete. Wolfgang Hausamann, ein Künstler, der in den Fünfziger- und Sechzigerjahren die Plakate für Arosa, St. Moritz oder Davos gestaltete, hat ihn ausgebildet.

Vor wenigen Monaten hat Rohweder Farbtuben und Pinsel weggeworfen, alles vertrocknet und verklebt. Mit ihnen hat er damals gemalt, was jetzt vor ihm auf dem Wohnzimmertisch liegt: Panoramabilder, rund 1,5 Meter breit und 80 Zentimeter hoch. Drei Monate brauchte er für diese Bilder; immer stellte er das Glas auf einen tiefer liegenden Korpus, damit er das Pinselwasser nicht auf das Bild ausleeren konnte; passierte ein Fehler oder wollte ein Kunde eine Änderung, wusch er ganze Teile mit dem Schwamm weg und malte sie neu.

Strich um Strich entstanden Gipfel, Gletscher und Grate; Himmel, Seen und Wälder, ein Baum nach dem anderen, die einen im Licht, die anderen auf der sonnenabgewandten Seite im Schatten, nur noch die Krone beleuchtet. So hat Rohweder Höhen und Tiefen geschaffen und zum Beispiel Hügel hervorgehoben.

Früher: Mit Pinsel und Temperafarben arbeitet Arne Rohweder 1994 an einer Sommerpanoramakarte von Klosters. Sie ist noch heute, 30 Jahre später, in Gebrauch.
Panoramamaler Arne Rohweder.
Er zeichnet alle Panorama-Karten der Skigebiete.
29.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)
Panoramamaler Arne Rohweder.
Er zeichnet alle Panorama-Karten der Skigebiete.
29.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)
Panoramamaler Arne Rohweder.
Er zeichnet alle Panorama-Karten der Skigebiete.
29.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)

Die Technik wendet er auch heute noch an. Einfach nicht mehr mit dem Pinsel, sondern mit einem Stift auf einem Grafiktablett. Schon heute graut ihm davor, dass er es irgendwann wird ersetzen müssen durch ein Modell, an das er sich wieder gewöhnen muss.

Rohweder hat den Wechsel vom Pinsel zum Computer erlebt. Und inzwischen macht er sich Gedanken, wie die künstliche Intelligenz seinen Beruf verändern wird. James Niehues, amerikanischer Künstler und Legende unter den Panoramamalern, zeichnet noch heute von Hand. Er sagte einmal: «Ich mache mir wirklich Sorgen, dass KI die Kreativität der Menschheit übernimmt. Oder dass jemand ein Programm erstellt, das meinen Stil kopiert.» Rohweder sagt: «Ich habe keine Angst. Unsere Arbeit ist so komplex. Für die richtige Mischung aus Topografie, Grafik und Information braucht es einen Menschen.» Er tippt sich an die Schläfe. «Die Idee dafür entsteht hier im Kopf.»

Etwas vom Anspruchsvollsten dabei ist, wenn Skigebiete fusionieren. 2013 wurden etwa Arosa und Lenzerheide verbunden, 2018 Andermatt und Sedrun. Rohweder sagt: «Diese Gebietszusammenschlüsse wurden meine Spezialität.» So schafft er zum Beispiel eine Sicht auf zwei gegenüberliegende Hänge, die Skifahrerinnen in der Realität nicht gleichzeitig sehen können.

Heute müssen auch Boulderwände und Fondue-Caquleons auf die Karten

Als Orell Füssli 1992 seine Geschäftsfelder reduzierte und die Graphischen Betriebe AG aufgab, machte sich Rohweder als Panoramamaler selbstständig. Er verschickte Prospekte, telefonierte herum oder suchte auf Messen das Gespräch mit potenziellen Kunden. Die Antwort war immer die gleiche: «So etwas brauchen wir nicht.» Manche Skigebiete waren damals nicht mehr als ein Ensemble von Skiliften mit unterschiedlichen Besitzern; viele gaben für Marketing kaum Geld aus, sie mussten nicht, oder sie konnten nicht.

Die Wende kam für Rohweder auch mit dem Jahr 2003. Das Engadin wünschte sich ein neues Gewand, ein einheitliches, mit dem das Gebiet werben konnte. Rohweder erzählt: «In einer Nacht-und-Nebel-Aktion mieteten wir eine Ferienwohnung, packten die Kinder und reisten hoch. Ich schaute mir alles an. Und dann begann ich zu zeichnen.»

Panoramamaler Arne Rohweder.
Er zeichnet alle Panorama-Karten der Skigebiete.
29.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)

Früher wollten die Kunden vor allem Skilifte auf ihren Karten. Heute muss Rohweder auf den Karten deutlich mehr Informationen unterbringen. Dafür verwendet er Illustrationen, die seine Frau zeichnet: Langläuferinnen und Sonnenbänkli; Kinderwagen, Spielburgen und Aussichtskanzeln; Boulderwände und beheizte Sessellifte; Cocktailgläser, Fondue-Caquelons. Und beim Treffen Ende Oktober erstellt Rohweder gerade die Ansicht eines Snowparks. Auf dieser Vorlage kann die Grafikerin des Skigebiets die Parkelemente selbst platzieren. So sehen Snowboarderinnen oder Freestyleskifahrer tagesaktuell, wo sie in welcher Halfpipe, über welches Rail oder welchen Kicker fahren können.

Rohweder bezeichnet sich als «Gebrauchskünstler» und sagt: «Ein Freund von mir, ein Künstler, sagte mir einmal: ‹Mach keine Kunst. Ich habe eine Garage voll unverkaufter Ware. Mach etwas, das die Menschen brauchen.› Für mich ist genau das das Wertvollste an meiner Arbeit: dass die Menschen meine Panoramas nutzen.»

Manchmal ignoriert er den Klimawandel

In seinem Arbeitszimmer geht Rohweder an den Tisch mit den alten Panoramakarten. Auf einer hat er vor 20 Jahren die Berninagruppe mit dem Roseggletscher dargestellt. Er zeigt mit dem Finger auf die Stelle, wo heute die Gletscherzunge liegt.

Eine Studie der ETH Zürich aus dem Jahr 2022 zeigt, dass die Gletscher in der Schweiz zwischen 1932 und 2016 die Hälfte ihres Volumens verloren haben. In den sechs Jahren danach schrumpften sie um weitere 12 Prozent.

Tourismusregionen aber wollen auf Rohweders Karten nicht nur breite Pisten und viel Schnee. Manchmal wollen sie auch Gletscher, die länger sind als in der Realität. Rohweder sagt: «Wenn du in die Berge gehst, willst du Magie und Märchen. Als Landschaftsmaler kann ich diesen Zauber auf die Karten bringen. Bei einem Bild, das ich 20 Jahre zuvor gemalt hatte und anpassen musste, wurde entschieden, dass ich die Gletscher nur dort kürze, wo das für die Wegführung relevant ist. Wenn etwa ein Wanderweg über eine Moräne führt, kann er auf der Karte nicht über Eis gehen. Dann muss ich die Gletscherzunge schweren Herzens mit Schutt übermalen.»

Solche Entscheide trifft Rohweder zusammen mit allen, die beim Entstehen einer Karte mitreden: etwa mit der Alpinbeauftragten, den Bergbahnen oder dem Wildtierschützer. Dieser wünscht oft, dass seine Schutzzonen in knalliger Farbe dargestellt werden. Rohweder mag es nüchtern lieber, damit der Wildtierschutz auf der Karte nicht alle anderen Informationen überblendet.

So entstehen Kompromisse, die Rohweder als Dienstleister umsetzt. Einmal aber beharrte er auf seiner künstlerischen Freiheit. Er malte das Panorama der Felsen von Meteora in Griechenland und überzog das Gestein mit einem Rot, das die untergehende Sonne darauf wirft. Rohweder schickte das Bild einem Verleger. Zurück kam ein zweiseitiger Brief mit Wünschen, was alles anders gemalt sein soll, unter anderem forderte der Verleger graue statt rote Felsen. Rohweder lehnte ab und suchte sich einen anderen Abnehmer.

In diesem Moment verwandelte sich Rohweder, der Gebrauchskünstler, in Rohweder, den Künstler.

Panoramamaler Arne Rohweder.
Er zeichnet alle Panorama-Karten der Skigebiete.
29.10.2024
(RAHEL ZUBER/TAGES-ANZEIGER)