Nach der Spanien-NiederlagePetkovic sieht Fortschritte, aber die Schweiz ist höchstens Mittelklasse
Der Nationaltrainer sieht die Leistung beim 0:1 der Schweiz in Spanien viel besser, als sie es war. Dabei bestätigt das Spiel: Die Schweiz ist nicht mehr, als sie ist.
Trainer sagen das gerne, wenn ihnen die Resultate als Argumente ausgehen. «Wir haben Schritte gemacht», sagen sie dann. Ludovic Magnin tat das zum Beispiel, bis er beim FC Zürich wegen fehlender Siege abgesetzt wurde. Bei Vladimir Petkovic ist es am Samstag in Madrid so weit.
Hier hat die Schweiz gegen Spanien auch im dritten Spiel der Nations League nicht gewonnen und ist damit schon seit vier Spielen sieglos. Sie hat sich nicht mehr verdient als dieses 0:1 – selbst gegen ein Spanien, das wohl vom Renommee her eine Übermacht ist, aber keineswegs in dieser personellen Zusammensetzung.
Nach dem Spiel sagt Petkovic: «Wir konnten es nicht offiziell sagen, aber wir wussten schon bei der Auslosung: Gegen solche Mannschaften müssen wir mit der einen oder anderen Niederlage rechnen. Die Darbietung und die Spielweise sind für mich sehr wichtig. Da haben wir Schritte gemacht.»
Der Traum von Petkovic
Er will, dass seine Mannschaft zum einen hoch presst. Zum anderen will er, dass die Angriffe von ganz hinten aufgebaut werden, konstruktiv, mit Tiki-Taka, nicht mit simplen langen Bällen. Wenn Yann Sommer, sein Goalie, die Aktion mit einem Querpass im Fünfmeterraum auslöst, gefällt ihm das besonders. Auch wenn er um das Risiko weiss, dafür teuer zu bezahlen.
Und die Schweiz macht das in Madrid, als Sommer nach einer Viertelstunde einen kurzen Pass auf Granit Xhaka spielt, Xhaka im eigenen Sechzehner ausrutscht und das Gegentor durch Mikel Oyarzabal die Folge davon ist. «Ich weiss nicht, ob mein Ball perfekt war», sagt Sommer im ersten Moment. Die Antwort ist einfach: Er war schlecht. «Unglücklich» nennt Petkovic die Situation.
Nach aussen hin gibt sich der Coach gelassen. Er macht keinem einen Vorwurf, weil er sich sonst selbst einen Vorwurf machen müsste. Mit seinen Vorgaben ist er verantwortlich für diese Art von Missgeschick.
Petkovic hat seine Vorstellungen von Fussball, das ist gut. Er will die Schweiz näher an die Spitze bringen, auch das ist ehrenwert. Darum schätzt er diese Spiele gegen Kroatien, Spanien und Deutschland, wie es sie nun innert sechs Tagen gibt. «Spanien hat sicher eine Klasse mehr», sagt er, und falsch ist diese Einschätzung nicht. Aber interessant wird, was Petkovic dann anfügt: «Wir haben gezeigt, dass wir mit diesem Gegner nicht nur mithalten, sondern gegen ihn auch besser sein können.»
Interessant ist dieser Zusatz, weil er so gar nicht der Tatsache entspricht. Er entspringt vielmehr der Wahrnehmung eines Trainers, der in einer atmosphärisch trostlosen Madrider Nacht eine rosarote Brille aufgesetzt haben muss. Die Schweiz besser, zumindest phasenweise? Das ist eine mutige Erkenntnis nach einem Spiel, in dem die Schweiz zweimal mit dem Ball am Fuss im gegnerischen Sechzehner auftauchte. Einmal durch Loris Benito, der eine grosse Chance zum Führungstor vergibt, dann durch Admir Mehmedi, dem Tempo und Direktheit fehlen, um mehr mit einem Konter anzufangen.
Zweimal in 90 Minuten heisst: Der Schweiz gehen die Entschlossenheit und Durchsetzungskraft ab, wie sie ein Spiel gefährlich machen. Haris Seferovic sieht keinen Ball, das ist bezeichnend. In der zweiten Reihe fehlen die Kraft und die spielerische Klasse, um wirklich etwas zu bewirken.
Da kann Granit Xhaka nicht gleich alles allein machen. Und wenn ihm das nicht gelingt, hat die Schweiz ein Problem. Sein dominantes Auftreten steht für seine Lust, Verantwortung zu übernehmen. Aber es hat auch einen Nachteil: Es kann alles, was um ihn herum ist, verdrängen. Jedenfalls hat kein Remo Freuler, bei Atalanta ein gefeierter Spieler, und schon gar kein Djibril Sow die Kraft, um sich dagegen wirkungsvoll aufzulehnen und Einfluss aufs Spiel zu nehmen.
«Wir haben unsere Rolle sehr gut gespielt», sagt Petkovic trotzdem auch. Er sieht seine Mannschaft benachteiligt, weil die Aktion von Freuler doch sauber gewesen sei, bevor Shaqiri das Tor erzielt habe. Er hat in den letzten Minuten ein Spanien gesehen, das Angst vor der Niederlage gehabt habe. Das sei auch eine Anerkennung für seine Mannschaft, sagt er.
Die ungewollte Erkenntnis
So unterschiedlich können Wahrnehmungen sein. Die Fernsehbilder zeigen ein klares Foul Freulers. Und Luis Enrique, der Coach der Spanier, gibt zu Protokoll, «nie Angst» um seine Mannschaft gehabt zu haben. Das hätte bei der Harmlosigkeit der Schweizer auch erstaunt.
Petkovic hat sich zum Ziel gesetzt, sein Kader zu verbreitern. Er redet von 30, 35 Spielern, die er auf der Liste hat. Viele Namen bedeuten aber noch nicht gleich viel Klasse. Gerade dann nicht, wenn der Talentierteste überhaupt, Xherdan Shaqiri, einen deutlichen Formrückstand aufzuholen hat. Da kommt es ganz gut, dass die Gegner nicht immer Spanien oder wie am Dienstag Deutschland heissen, «es kommen auch andere Mannschaften, die weniger stark sind, gegen die wir Favorit sind und Tore machen», sagt Petkovic.
Damit räumt er wohl mehr ungewollt als gewollt eines ein: Die Schweiz ist nicht mehr, als sie ist. Sie ist eine Mannschaft, die aktuell Gefahr läuft, ihren Status als Mitglied der Liga A der Nations League zu verlieren. Sie ist maximal gehobene Mittelklasse.
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