Lesende fragen Peter SchneiderIst eine antipatriarchale Haltung trotz allem am Erstarken?
Auch wenn die Empirie dagegen spricht, es gibt sehr wohl Orte und Entwicklungen, die hoffnungsvoll sind. Unser Kolumnist ermutigt dazu, immer genau zu differenzieren.

Sie haben kürzlich erläutert, dass weder Bildung und noch bessere Erziehung an sich «die Menschen» friedfertiger macht. Aber die Akteure von Krieg, Gewalt, Mord und autokratischen Herrschaftsformen sind: Männer. Ich gehe davon aus, dass Buben nicht als gewalttätige und dominanzsüchtige Männer geboren, sondern dazu gemacht werden. (In vielen Ländern natürlich noch sehr viel expliziter als hier.)
Werte wie Stärke, Kraft, Erfolg sind immer noch klassisch männlich konnotiert, indem sie primär das Gegen- und Übereinander statt das Miteinander meinen. Aber keinem Menschen gelingt etwas und keiner kann existieren ohne das Wirken aller andern! Was will ich Sie eigentlich fragen? Vielleicht dies: Was denken Sie, ist eine solche egalitäre, antipatriarchale Haltung trotz all den schrecklichen News doch am Erstarken? R.P.
Liebe Frau P.
Sie haben völlig recht, wenn Sie anmerken, dass man in diesem Zusammenhang nicht von «den» Menschen schreiben soll, wenn ein derart grosser Graben zwischen den Geschlechtern hinsichtlich Macht und Gewalt klafft.
Zu meiner Entschuldigung kann ich höchstens einwenden, dass der Fokus meiner Argumente nicht auf dem Thema der Geschlechterdifferenzen lag, sondern darauf, dass man nicht der Illusion erliegen soll, es gäbe EIN ganz besonders geeignetes Mittel zur Verbesserung der Welt. Es mag zum Beispiel schön und ergreifend sein, wenn Israelis und Palästinenser miteinander musizieren; aber lediglich mehr Musikunterricht in den Schulen wird den «Nahostkonflikt» nicht lösen.
Der Nahe Osten ist kein Orchester, und dann muss man ja auch an die Menschen denken, die leider unmusikalisch sind. Man kann Erziehung, Bildung, Musik, Sport (und was die üblichen Verdächtigen zur Beförderung des Friedens sonst sind) durchaus schätzen, ohne sie mit Hoffnungen zu überfrachten, die sie nicht erfüllen können.
Es gibt auch Entwicklungen, die hoffen lassen
Was nun Ihre «eigentliche» Frage angeht, so haben Sie diese eigentlich schon selbst beantwortet: Die Empirie spricht einerseits dagegen, sogar innerhalb des Feminismus: Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer bagatellisieren die von Russland ausgehende Gewalt, Judith Butler hält die Hamas für eine Befreiungsbewegung.
Andererseits gibt es Orte und Entwicklungen, die hoffnungsvoll sind: die politische Wende in Polen; die Ehe für alle, die in vielen Ländern möglich geworden ist; der Ausbau des Sozialstaats (13. AHV) gegen die bürgerliche Propaganda.
Das sind sehr disparate Themen, aber Lichtblicke allemal, denen allerdings – um nur ein Beispiel zu nennen – die Kriminalisierung der Homosexualität in einigen afrikanischen Staaten entgegensteht. Man bringt das nicht alles auf EINEN Nenner; genaues Differenzieren macht einen darum weniger mutlos.
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