Unglück mit ATR 72 in BrasilienNach Flugzeugabsturz nahe São Paulo alle 62 Leichen geborgen
Nach dem Unglück in Vinhedo werten Experten die Black Box aus, erste Ergebnisse zur Absturzursache werden in 30 Tagen erwartet.
Nach dem Flugzeugabsturz mit 62 Toten in Brasilien sind alle Leichen aus der Unglücksmaschine geborgen worden. Die sterblichen Überreste der 34 Männer und 28 Frauen seien «zur Identifizierung und Übergabe an ihre Familien in die Leichenhalle in São Paulo gebracht» worden, teilte die Regionalregierung von São Paulo am Samstagabend mit. Unterdessen begannen Experten mit der Auswertung der Flugschreiberdaten, um die Absturzursache zu ermitteln.
Wie der Bürgermeister von Vinhedo, Dario Pacheco, mitteilte, wurden zwei der Opfer bereits anhand von Fingerabdrücken identifiziert. Seinen Angaben zufolge handelt es sich bei ihnen um den Piloten und den Co-Piloten.
Nach Angaben des Leiters der brasilianischen Behörde für die Untersuchung und Vermeidung von Flugunfällen (Cenipa), Marcelo Moreno, enthielten zwei aus dem Wrack geborgene Blackboxen Aufzeichnungen zu den Kabinengesprächen und den Flugdaten. Mit ersten Erkenntnissen aus den Ermittlungen ist laut der brasilianischen Luftwaffe binnen 30 Tagen zu rechnen.
Alle 62 Insassen waren Brasilianer
Die Maschine des französisch-italienischen Flugzeugbauers ART war am Freitag auf dem Weg von Cascavel im südlichen Bundesstaat Parana zum internationalen Flughafen von Guarulhos in der Nähe von São Paulo im Südosten gewesen, als sie in der 80 Kilometer nordwestlich von São Paulo gelegenen Kleinstadt Vinhedo abstürzte.
Bei dem Absturz gab es keine Überlebenden. Nach Angaben der Fluggesellschaft Voepass befanden sich an Bord der Unglücksmaschine insgesamt 62 Menschen – und nicht 61, wie es zuvor geheissen hatte. Alle 62 Insassen waren demnach Brasilianer.
Die Ermittlungen zur Unfallursache stehen noch in der Anfangsphase. «Alles ist noch sehr verfrüht», sagte der Leiter des Zentrums für die Untersuchung von Luftfahrtunfällen, Marcelo Moreno, auf einer Pressekonferenz. Es werden demnach umweltbedingte und technische Faktoren genauso untersucht wie mögliches menschliches Versagen, um zu klären, wie es zu dem Absturz kam.
Der Flugdatenschreiber, die sogenannte Black Box, sei von der brasilianischen Luftwaffe (FAB) gefunden worden, sagte er. Dies sei für die Untersuchung des Absturzes von grundlegender Bedeutung.
Der Plattform Flightradar 24 zufolge deuten meteorologische Berichte für den Zeitraum rund um den Unfall auf Turbulenzen, Gewitter und Vereisung in der Umgebung hin. Der Geschäftsführer von VoePass, Eduardo Busch, schloss nicht aus, dass sich Eis auf den Tragflächen angesammelt haben könnte. Die Piloten seien allerdings erfahren gewesen und das Flugzeug sei mit funktionierenden Systemen gestartet. «Das Flugzeug war zum Zeitpunkt des Starts zu 100 Prozent einsatzbereit», sagte Busch.
Flugzeug stürzt auf Grundstück einer Wohnanlage
Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bat bei einer Veranstaltung im Süden des Landes die Anwesenden, eine Schweigeminute einzulegen. «Eine sehr traurige Nachricht. Mein ganzes Mitgefühl gilt den Familien und Freunden der Opfer», teilte Lula auf der Plattform X mit.
Das Nachrichtenportal «G1» berichtete unter Berufung auf Behörden in Vinhedo, das Flugzeug sei in einer Wohnsiedlung in der Nähe eines Hauses abgestürzt, in dem sich Bewohner befanden. Am Boden sei aber niemand verletzt worden.
Eine Anwohnerin, die ein Video des brennenden Flugzeugs gemacht hat, sagte im Fernsehsender UOL: «Ich habe noch nie in meinem Leben einen so lauten Knall gehört.»
Die Feuerwehr war nach eigenen Angaben mit Rettungsteams vor Ort. Spitäler in Vinhedo waren in besonderer Bereitschaft. Neben der Feuerwehr seien auch der Zivilschutz und die Polizei im Einsatz, berichtete «G1».
Auf Bildern und Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie ein Flugzeug ins Strudeln kam und vom Himmel fiel. Dichter Rauch stieg anschliessend auf. Daten der Plattform Flightradar 24 legen nahe, dass das Flugzeug in weniger als einer Minute um fast 4’000 Höhenmeter absackte. Der Gouverneur von São Paulo, Tarcísio de Freitas, sagte: «Meine Solidarität gilt allen Opfern und den von dieser Tragödie Betroffenen.» Er versprach alle notwendige Unterstützung.
Absturzursache ist noch unbekannt
Der Unfall gehört dem Nachrichtenportal «UOL» zufolge zu den tödlichsten in der Geschichte der brasilianischen Luftfahrt.
In Erinnerung ist vielen etwa ein Absturz vom 28. November 2016, als das Flugzeug des brasilianischen Fussball-Clubs Chapecoense auf dem Weg nach Medellín zum Final-Hinspiel um die Copa Sudamericana, dem Südamerika-Pokal, in Kolumbien verunglückte. Damals starben 71 Menschen, darunter fast alle Spieler sowie Betreuer, Trainer und mitreisende Journalisten. Sechs Passagiere überlebten.
Die Unglücksmaschine vom Freitag war ein Turboprop-Passagierflugzeug vom Typ ATR 72. Das Modell ist ein Schulterdecker des französisch-italienischen Konsortiums Avions de Transport Régional. Im Januar 2023 starben beim Absturz einer ATR 72-500, die sich in Nepal im Landeanflug auf den Pakhora International Airport befand, 72 Insassen, darunter vier Besatzungsmitglieder.
DPA/fem/fal/AFP
Fehler gefunden?Jetzt melden.