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Johnson-Debatte im Unterhaus
Partygate holt Boris Johnson immer wieder ein

Boris Johnson ist «schuldig»: Demonstrierende in London fordern Konsequenzen wegen Partygate. 
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Wenn die Abgeordneten des britischen Unterhauses an diesem Donnerstag darüber debattieren, ob Boris Johnson das Parlament belogen hat, wird einer nicht anwesend sein: Boris Johnson. Der Premierminister hat Wichtigeres zu tun, so sieht er das jedenfalls. Statt auf einer grünen Bank im Unterhaus zu sitzen, reist Johnson lieber nach Indien. Der Premier will dort nicht nur die Möglichkeit eines Freihandelsvertrags ausloten, sondern auch darauf dringen, dass Delhi eine härtere Linie gegenüber Moskau fährt.

Doch sosehr Johnson versucht, sich als Weltpolitiker zu inszenieren, bleibt immer noch ein Problem, das er einfach nicht loswird: Partygate. So wird die Affäre um illegale Lockdown-Partys genannt, die in Johnsons Amtssitz stattgefunden haben. Der Premier hatte im Unterhaus beteuert, dass alle Corona-Regeln in Downing Street befolgt worden seien.

Johnson hat bereits klargemacht, dass er eines auf keinen Fall zu tun gedenkt, nämlich: zurückzutreten.

Nur: Kann man das wirklich glauben, nachdem Johnson für die Teilnahme an einer unerlaubten Feier einen Strafbefehl der Polizei bekommen hat? Um diese Frage geht es nun im Unterhaus, die Abgeordneten sollen auf Antrag der Opposition darüber abstimmen, ob Johnsons Äusserungen von einem Ausschuss auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht werden. Eine absichtliche Täuschung des Parlaments gilt als eindeutiger Rücktrittsgrund.

Johnson hat allerdings bereits klargemacht, dass er eines auf keinen Fall zu tun gedenkt, nämlich: zurückzutreten. Und so gilt es in Westminster als ziemlich sicher, dass die konservative Mehrheit im Unterhaus den Antrag der Opposition ablehnen wird. Um die Tories hinter sich zu scharen, versuchte Johnson in den vergangenen Tagen gleich mit mehreren Auftritten, die Aufregung um Partygate herunterzuspielen.

Wie es aussieht, ist ihm das ganz gut gelungen, die parteiinterne Kritik an Johnsons Verhalten war schon deutlich lauter.

50 Strafbefehle wegen Partys

Als das Parlament am Dienstag aus der Osterpause zurückkam, gab sich der Premier zunächst reumütig. Er entschuldigte sich «von ganzem Herzen» für seinen «Fehler», das britische Volk verdiene Besseres von seinem Premierminister. Johnson sass mit zerknirschtem Gesichtsausdruck auf der grünen Bank und nickte sogar zustimmend, als Labour-Chef Keir Starmer ihm den Schmerz und die Wut vorhielt, die viele in der britischen Bevölkerung verspüren, weil sie sich, anders als der Premier, an die von ihm verhängten Corona-Regeln gehalten haben.

Johnson wäre aber nicht Johnson, wenn er nicht bei seiner Darstellung bleiben würde: Es sei ihm, so sagte er, nicht in den Sinn gekommen, dass es sich bei der polizeilich beanstandeten Versammlung um eine Party gehandelt habe. Nach allem, was man weiss, hatte sich Johnson am 19. Juni 2020 zu seinem Geburtstag mit einem Kuchen von seinen Mitarbeitern feiern lassen. Neben dem Premier erhielten auch seine Frau Carrie und Finanzminister Rishi Sunak Strafbefehle.

Bislang stellte die Polizei etwa 50 «fixed penalty notices» aus. Da die Beamten allerdings noch nicht alle zwölf mutmasslichen Partys in Downing Street geprüft haben, kann es durchaus sein, dass Johnson weitere Strafbefehle zugestellt bekommt.

Der Opposition reicht die Partygate-Entschuldigung nicht: Boris Johnson im Unterhaus.

Doch auf dieses Szenario ging Johnson gar nicht ein, als er sich am Mittwoch den «Prime Minister’s Questions» stellte. Er schaltete stattdessen voll auf Wahlkampfmodus um, schliesslich stehen am 5. Mai Regionalwahlen an. Johnson tat also das, was er am besten kann: Er attackierte Labour-Chef Keir Starmer. Dieser werfe ihm vor, Dinge gesagt zu haben, die er niemals gesagt habe.

Starmer bezog sich bei der Fragestunde auf die Titelgeschichte des «Daily Telegraph» vom Mittwoch, wonach Johnson bei einem Treffen mit Tory-Hinterbänklern gesagt haben soll, dass die BBC seine Regierung härter kritisiere als Wladimir Putin. Johnson wies dies mit aller Entschiedenheit zurück, so etwas habe er nie gesagt.

Und überhaupt: Als früherer Journalist hege er grosse Bewunderung für die BBC und deren Berichterstattung über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Starmer sagte, dass dies genau die Masche sei, mit der Johnson immer versuche, sich aus der Affäre zu ziehen. Er habe kein Rückgrat, Dinge zuzugeben, die er gesagt habe. Der Premier, so Starmer, übernehme niemals die Verantwortung für seine Taten.

Die Tories setzen auf das Narrativ, dass der Krieg in der Ukraine wirklich wichtiger sei als einige Lockdown-Partys in Downing Street.

Johnson entgegnete, dass es jetzt darauf ankomme, die Arbeit für das britische Volk fortzuführen. Also: «Get on with the job.» Und da stehe an erster Stelle, sich gegen Putin zu positionieren und die Ukraine mit allen verfügbaren Mitteln zu unterstützen. Gerade der Krieg in der Ukraine ist es, der Johnson, so zynisch das auch klingen mag, vor einem Misstrauensvotum aus den Reihen der eigenen Partei bislang bewahrt hat.

Von vielen Tories, die noch zum Jahresbeginn damit liebäugelten, Johnson wegen Partygate zum Rücktritt zu bewegen, bekam der Premier zuletzt wieder zustimmende Worte zu hören. Da war zum Beispiel sein Besuch in der Ukraine, bei dem er mit Wolodimir Selenski durch die Strassen Kiews ging. Und der Dank des ukrainischen Staatschefs für die im internationalen Vergleich frühen Waffenlieferungen aus Grossbritannien.

Asylbewerber sollen nach Ruanda

Das Narrativ, dass der Krieg in der Ukraine wirklich wichtiger sei als ein paar Lockdown-Partys in Downing Street, setzte sich zuletzt immer stärker in der konservativen Partei durch. Johnson verstand es zudem, die Schlagzeilen um Ostern mit einem Thema zu beherrschen, mit dem er hofft, die Tory-Anhänger nicht nur bei den anstehenden Regionalwahlen auf seiner Seite zu haben.

Nach dem Willen der Johnson-Regierung sollen Asylbewerber für die Dauer ihres Antrags nach Ruanda geflogen werden. Dort soll dann geprüft werden, ob sie nach Grossbritannien kommen dürfen. Nach Darstellung des Innenministeriums sollen Wirtschaftsflüchtlinge auf diesem Weg von der gefährlichen und illegalen Überfahrt durch den Ärmelkanal abgeschreckt werden.

Opposition, Kirchen und Menschenrechtsorganisationen reagierten empört auf den Vorschlag, der nach Auffassung des UNO–Flüchtlingskommissariats UNHCR gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstösst. Johnson konnte die Aufregung aber nur recht sein. Immerhin gab es damit ein wenig Ablenkung von dem, was ihm wirklich noch gefährlich werden könnte: Partygate.