Debatte in Paris5 Euro blechen fürs Beten? Notre-Dame wird zum Politikum
Frankreichs Kulturministerin will ein Eintrittsticket für die Pariser Kathedrale einführen. Touristen müssten bezahlen, Pilger nicht. Gnade den Türstehern!
Fünf Wochen noch, dann wird Notre-Dame de Paris wiedergeöffnet. Am 8. Dezember, nach Plan. Wiederhergestellt, wiederbelebt nach dem noch immer mysteriösen Brand, der die Kirche auf der Île de la Cité, der Binneninsel der Seine, im April 2019 beinahe zerstört hätte.
Wenn man Pathos und Mystik nicht abgeneigt ist, kann man in dieser schnellen Heilung durchaus den Geist einer wundersamen Renaissance spüren. Emmanuel Macron, Frankreichs Präsident, wird schöne Worte finden, indirekt auch für sich selbst als Wiederaufbaumeister. Die hat er sich verdient.
75 Millionen Euro im Jahr
Allerdings, und das sollte man in diesen Tagen der grossen Debatten rund um die berühmte Kathedrale nicht vergessen: Finanziert wurde der Wiederaufbau nicht etwa vom französischen Staat, dem diese und alle Kirchen im Land seit der Trennung von Kirche und Staat 1905 gehören. Sondern aus privaten Spenden von gläubigen und sicher auch vielen ungläubigen Menschen aus der ganzen Welt. Die schöne Kirche ist ja auch ein wertvolles Kulturgut.
Nun aber fordert Rachida Dati, Macrons Kulturministerin, dass die Besuchenden, die Touristen in erster Linie, in Zukunft 5 Euro Eintritt für Notre-Dame bezahlen sollten – eine «symbolische Abgabe», so nennt sie das. Damit Frankreich es sich weiterhin leisten könne, seinen kulturellen Reichtum zu unterhalten. Bei einer Besucherzahl von fünfzehn Millionen pro Jahr, wie sie vor dem Brand üblich war, kämen so 75 Millionen Euro rein.
Krämer im Tempel? Die Reaktionen sind massiv und fast durchwegs negativ. Nur die politische Rechte scheint dafür zu sein, sogar die Kommunisten echauffieren sich über das Ansinnen. Die Pariser Diözese setzte ein ungewohnt scharfes Communiqué auf. Sie erinnert alle daran, was da im Gesetz von 1905 steht, im Artikel 17, nämlich, dass der Besuch der Kirchen allen offensteht und der Staat dafür «keinerlei Steuern und Gebühren» erheben darf. Das ist die Gesetzeslage. Die könnte das französische Parlament natürlich ändern. Aber wer mag sich schon so frontal mit der Kirche anlegen?
Stärker noch als das juristische Argument der Bischöfe ist ihr emotionales. «Die Gemeinschaft aller», schreiben sie, «ist die eigentliche Essenz dieses Ortes.» Es gehöre sich nicht, dass zwischen «Besuchern und Pilgern» unterschieden würde, wie es der Vorschlag vorsieht.
Ausserdem wäre eine solche Triage am Eingang praktisch auch schwer umzusetzen: Gnade den Türstehern, die zwischen besuchenden Pilgern und pilgernden Besuchern unterscheiden müssten. Was ist, wenn, sagen wir mal, ein amerikanischer Tourist in Notre-Dame beten will – muss er blechen, auch fürs Beichten?
Der Unterschied zu Italien und Spanien
Rachida Dati rechtfertigt ihren nicht ganz neuen Vorstoss damit, dass auch in Spanien und Italien für den Besuch von Kirchen bezahlt werden müsse, zuweilen gar nicht wenig, für den Dom von Mailand zum Beispiel oder für die Sagrada Família in Barcelona. Oft gilt das Ticket dann für die Besteigung des Kirchturms, die Besichtigung einer Krypta, einer bekannten Taufkapelle, eines Gemäldes. Aber das ist eine andere Geschichte, in diesen Ländern gehören die katholischen Gotteshäuser der katholischen Kirche.
Und Notre-Dame ist nicht nur eine Kirche, sie ist das Zentrum von Paris. «Das Epizentrum unseres Lebens», so nannte es Macron in der Nacht nach dem Brand. Kein Ort für eine Eintrittskasse.
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