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Nebenwirkungen bei mRNA-Impfung
Oxford-Forscher verärgern mit Studie zu Hirnvenenthrombosen

Der Biontech-Impfstoff soll ein etwa gleich hohes Risiko für Hirnvenenthrombosen aufweisen wie jener von AstraZeneca: An diesem Studienresultat der Universität Oxford gibt es nun vernichtende Kritik.
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Eine neue Studie der Universität Oxford tönt zuerst einmal harmlos: Die Gefahr seltener Thrombosen ist demnach bei einer Corona-Infektion deutlich höher als nach einer Impfung gegen das Virus. Gerade für die durch den AstraZeneca-Impfstoff in den Fokus gelangten Sinusvenenthrombosen (SVT) sei das Risiko bei einer Covid-19-Erkrankung viel höher.

Das war im Grundsatz schon bekannt, die Oxford-Forschenden haben dem Risiko eines solchen Blutgerinnsels nun aber noch einen genaueren Faktor gegeben: So sei dieses nach einer Corona-Erkrankung etwa 100-mal höher als normal. Im Vergleich zu den verfügbaren Impfstoffen sei die Gefahr um 8- bis 10-mal höher. Das tönt erst mal nach einer guten Nachricht für alle Impfwilligen: Covid-19 ist die viel grössere Gefahr als die Impfung.

Doch mit den verfügbaren Covid-19-Impfstoffen meint die Studie nicht nur das AstraZeneca-Mittel, das wegen solcher Thrombosen in vielen Ländern nur noch eingeschränkt eingesetzt wird. Sie attestiert auch den in der Schweiz verwendeten Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna praktisch dasselbe Risiko. Das wäre neu und wohl auch besorgniserregend. Doch so einfach ist es nicht.

Moderna ist der Haupt-Impfstoff in der Schweiz, über 13 Millionen Dosen sind bestellt. Hirnvenenthrombosen sind bei diesem Vakzin bisher keine aufgetreten, die Zahlen der Oxford-Studie müssen bezweifelt werden.

Die Ergebnisse liegen derzeit nur als Preprint vor, sind also noch nicht von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern überprüft worden. Und diese üben nun heftige Kritik am Vergleich der Impfstoffe und an der Aussage, dass das Risiko bei den drei Herstellern fast gleich sei.

Oxford entwickelte AstraZeneca-Impfstoff mit

Zuerst muss erwähnt werden, dass die Universität Oxford, welche die Studie durchführte, den AstraZeneca-Impfstoff zusammen mit dem schwedischen Pharmakonzern entwickelt hat. In Grossbritannien ist dieser deshalb als Oxford-Impfstoff bekannt. Die Universität betont, dass die Studienautoren unabhängig von den Impfstoffentwicklern arbeiteten. Überprüfen lässt sich das kaum.

Die Studienautoren weisen dann gleich selber darauf hin, dass die Ergebnisse aus der Untersuchung mit rund 500’000 Covid-Patienten mit Vorsicht interpretiert werden müssten, da mit weiteren Impfungen noch mehr Daten hinzukämen. Untersucht wurden nur Fälle aus den USA, wo Moderna und Biontech untersucht werden, aber nicht AstraZeneca. Eine Vergleichbarkeit ist damit schon einmal infrage gestellt.

Bei der Kritik der Fachkollegen geht es denn unter anderem auch um die erhobenen Zahlen. So wurden diese errechnet: Von 513’000 Menschen mit Corona-Diagnose wurde bei 20 eine Sinusvenenthrombose festgestellt – das entspricht hochgerechnet 39 Fällen pro Million Personen. Bei den mRNA-Impfungen waren es zwei Berichte innerhalb von zwei Wochen nach der Impfung, bei 490’000 Personen – hochgerechnet knapp 4 Fälle pro Million Personen.

US-Behörde präsentiert komplett andere Zahlen

Stimmt die Angabe der zwei Fälle wirklich? Es kommt immer wieder zu fehlerhaften Meldungen oder falschen Einträgen, bei so wenigen Fällen würde schon ein falsches Kreuz vieles ändern. Untersucht wurden schliesslich 490’000 Impfungen bis zum 25. März 2021, in dieser Zeit haben die USA aber über 100 Millionen Impfdosen verabreicht.

Mittlerweile sind es schon über 200 Millionen, und der aktuelle Bericht über Nebenwirkungen gibt nun Hinweise auf die Richtigkeit der Oxford-Zahlen: Das Advisory Committee on Immunization Pratices (ACIP) des US-Gesundheitsministeriums hat diese Woche seinen neuen Bericht präsentiert. Demnach gab es nach der Impfung mit 98 Millionen Biontech-Dosen keine einzige Sinusvenenthrombose. Vom Moderna-Präparat wurden knapp 85 Millionen Dosen verabreicht, und es gab 3 gemeldete Fälle.

Zusammengefasst wären das also 3 Fälle auf 183 Millionen Impfungen oder 0,016 Fälle pro Million Personen – 250-mal weniger, als die Oxford-Studie festgestellt hat, ein äusserst signifikanter Unterschied. Es ist fast nicht erklärbar, wie es zu dieser Differenz kommen kann.

Keine Hirnvenenthrombose in der Schweiz

In der Schweiz meldete Swissmedic letzte Woche keinen Fall von Sinusvenenthrombosen nach der Impfung mit Biontech oder Moderna. In Deutschland waren es gemäss dem für die Sicherheit von Impfstoffen zuständigen Paul-Ehrlich-Institut immerhin 7 Fälle bei 10,7 Millionen Impfungen, das sind immer noch 6-mal weniger als in der Oxford-Studie. Dazu heisst es vom Institut zudem: «Die Zahl der gemeldeten Fälle ist unter Berücksichtigung der verimpften Dosen gegenüber der erwarteten Zahl von Sinusthrombosen nicht erhöht.» Auch ohne Impfung kommen solche Thrombosen vor, die beobachtete Zahl entspricht also dem Durchschnitt. Bei AstraZeneca war das nicht der Fall, dort seien es mehr gewesen, als statistisch erwartet wurden, schrieb das Paul-Ehrlich-Institut.

AstraZeneca ist immer noch besser als gar keine Impfung, ist die Devise in Grossbritannien. Premier Boris Johnson liess sich trotz Thrombose-Diskussionen demonstrativ damit impfen, Angela Merkel zog nun nach.

Das Auftreten einer Sinusvenenthrombose (SVT) allein ist allerdings gar nicht ausschlaggebend, ist eine weitere Kritik an der Oxford-Studie. Gefährlich wird es nämlich vor allem bei gleichzeitig auftretendem Blutplättchenmangel (Thrombozytopenie). In Deutschland wurden nach AstraZeneca-Impfungen 23 Fälle mit SVT und gleichzeitigem Blutplättchenmangel festgestellt, fünf Frauen und drei Männer starben. Das Phänomen wurde auch nach der Gabe des Johnson-&-Johnson-Impfstoffs beobachtet, in drei von sechs Fällen, weshalb dieser vorerst gestoppt wurde.

Blutplättchenmangel entscheidet

Die Fachwelt ist sich einig, dass der Blutplättchenmangel der entscheidende Faktor bei den Thrombosen ist. Die Oxford-Studie hat dies aber gar nicht untersucht und weist dafür keine Zahlen aus. Die Gesundheitsbehörden haben die Zahlen allerdings: Bei den beobachteten Thrombosen nach Moderna- oder Biontech-Impfungen gab es keinen Fall mit gleichzeitigem Blutplättchenmangel, weder in den USA noch in Deutschland. Das gilt nicht nur für Sinusvenen-, sondern für alle Arten von festgestellten Thrombosen, die statistisch nicht häufiger auftraten, als dies erwartet werden muss.

Eine erhöhte Gefahr durch Sinusvenenthrombosen bei Biontech oder Moderna ist also gemäss den Zahlen der Sicherheitsbehörden nicht gegeben. Die Oxford-Studie vermische Äpfel und Birnen, monieren die Kritiker der Untersuchung. Dabei wäre die Hauptaussage der Untersuchung eigentlich wichtig, nämlich dass eine Covid-19-Erkrankung ein viel höheres SVT-Risiko mit sich bringt als eine Impfung.

Covid birgt noch viele weitere Gefahren

Wobei eine Thrombose mit gleichzeitigem Blutplättchenmangel, wie es derzeit einzig bei AstraZeneca oder Johnson & Johnson beobachtet wurde, bei den Impfstoffen bislang das einzige Risiko für Personen ohne Impfallergien ist. Bei einer Corona-Erkrankung sind Thrombosen häufige Probleme, es gibt aber noch viele weitere Komplikationen und Gefahren, welche Infizierten drohen. Auch deshalb hinke die Studie gewaltig, sagen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Und zuletzt gilt die Studie auch nicht für die gesamte Welt, denn in Ländern, die eine Zero-Covid-Strategie fahren, ist auch die Infektionsgefahr weitgehend gebannt. Die Risikoabwägung dürfte dort je nach Altersgruppe wieder anders lauten.

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