Rettungsmission im SudanOperation raus aus Khartum – Schweizer Botschaftspersonal evakuiert
Verschiedene Nationen schaffen ihre Bürger aus dem Sudan. Die Schweiz führt keine organisierte Evakuierung durch, schliesst aber ihre Botschaft. Für die Einheimischen bleibt die Situation schlimm.
Ausländische Militärflugzeuge sind nichts Besonderes am Flughafen von Djibouti. Die Amerikaner betreiben hier den Stützpunkt Camp Lemonnier, auch Frankreich, Japan, Spanien, China und Italien haben Soldaten dort stationiert. Das kleine Land am Horn von Afrika hat ein interessantes Geschäftsmodell entwickelt, es vermietet seine geostrategische Lage an jeden, der genug Geld mitbringt. Kann das gut gehen auf so engem Raum?
Die Chinesen beklagen sich, dass amerikanische Flugzeuge zu dicht an ihrer Basis vorbeifliegen und spionieren. Die Amerikaner werfen den Chinesen vor, heimlich Fotos ihrer Anlagen zu machen. Und alle beklagen sich gemeinsam, dass die Flugüberwachung von Djibouti oft den Überblick verliere, auch weil die Leute im Tower hin und wieder gern Kat kauen, leicht berauschende grüne Blätter, die es in Djibouti überall zu kaufen gibt.
Viel Betrieb in Djibouti
In diesen Tagen ist besonders viel los auf dem kleinen Flughafen. Spanien entsendet Flugzeuge, Japan auch. Die US-Luftwaffe schickte mehr als zwanzigmal das riesige Transportflugzeug C-17 Globemaster, an Bord offenbar Soldaten und Ausrüstung für eine Evakuierungsoperation im Sudan, darunter Helikopter.
In der Nacht zum Sonntag ging es dann los: Von Djibouti aus flogen die Amerikaner nach Äthiopien und nach einem Tankstopp weiter in die sudanesische Hauptstadt Khartum. An der Operation seien etwa 100 Soldaten von Spezialeinheiten beteiligt gewesen. Sie hätten sich weniger als eine Stunde in Khartum aufgehalten und den sudanesischen Luftraum wieder verlassen, ohne unter Beschuss gekommen zu sein.
Den Befehl zur Evakuierung hatte US-Präsident Joe Biden gegeben, nachdem eine Reihe von Versuchen gescheitert war, die Konfliktparteien im Sudan zu einer Waffenruhe zu bewegen. Seit fast zehn Tagen wird gekämpft im Sudan, einem Land, das letztlich zwei Armeen hat, die lange um die Macht konkurrierten und nun gegeneinander kämpfen. Beide hatten versprochen, die Evakuierung von Ausländern nicht zu behindern. Dennoch wurde auf einen französischen Konvoi geschossen, ein Diplomat verletzt.
Schweiz arbeitet mit anderen Ländern zusammen
Am Sonntag hat der italienische Aussenminister Antonio Tajani die Evakuierung mehrerer Schweizerinnen und Schweizer aus dem Sudan angekündigt. Das italienische Militär werde rund 200 Zivilisten aus dem Land bringen, darunter auch Schweizer, sagte er. Die Führer der Kriegsparteien im Sudan hätten die entsprechenden Sicherheitsgarantien für die Zeit der Evakuierung abgegeben. Zur Anzahl evakuierter Schweizer sagte er nichts. Gemäss dem Schweizer Aussendepartement befinden sich rund 100 Schweizerinnen und Schweizer im Sudan.
Das EDA nahm zu den Angaben Tajanis am Sonntag keine Stellung. Gegenüber dieser Redaktion bestätigte eine Sprecherin lediglich, dass laufend entsprechende Optionen und Massnahmen geprüft würden. Das EDA stehe in Kontakt mit Drittstaaten und könne sich gegebenenfalls an Rettungsmassnahmen anderer Staaten beteiligen. Selbst führe der Bund keine organisierte Ausreise für Schweizer Staatsangehörige durch.
Am Abend gab das EDA dann bekannt, dass das Schweizer Botschaftspersonal das Kriegsland verlassen habe. Die Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum sei geschlossen. Zwei Personen seien auf dem Weg nach Äthiopien, die restlichen zehn seien dank der Unterstützung Frankreichs nach Dschibuti evakuiert worden.
Serge Bavaud, Chef des Krisenmanagements im EDA, hatte am Freitag gesagt, der Bund gehe nicht davon aus, dass alle Schweizerinnen und Schweizer ausreisen wollten. Viele von ihnen hätten ihr Leben im Sudan, einige seien schweizerisch-sudanesische Doppelbürger.
Auch die Briten evakuierten ihre Botschaft, 1200 Soldaten waren im Einsatz, die Diplomaten wurden im Schutz der Nacht zu einem Flugplatz ausserhalb der Hauptstadt gebracht und von dort ausgeflogen. Frankreich hatte am Sonntagmorgen ebenfalls den Beginn einer Operation gemeldet. Genau wie die Niederlande, Italien, Belgien, Japan und die Türkei. Am Sonntagabend gab auch das deutsche Verteidigungsministerium bekannt, dass eine Evakuierungsoperation der Bundeswehr für die Deutschen im Land in Abstimmung mit Partnern angelaufen ist.
Die Lage ist weiter schwierig, der internationale Flughafen gesperrt. Deswegen rückten kleinere Flugfelder in der Nähe der Hauptstadt und der Landweg in den Fokus der Planungen. Saudiarabien und andere Länder hatten Staatsangehörige nach Port Sudan am Roten Meer gebracht und von da mit Booten ausser Landes.
Während viele Ausländer ausgeflogen werden, ändert sich für die Sudanesen erst einmal wenig. Mehr als 400 Menschen sollen seit dem Beginn der Kämpfe vor fast zehn Tagen ums Leben gekommen sein. Wahrscheinlich sind es viel mehr, sie würden nicht mehr gezählt, sondern einfach in den Strassen liegen gelassen, sagen Bewohner der Hauptstadt Khartum. Von den 58 Spitälern der Stadt sollen nur noch ein Dutzend geöffnet sein. Die anderen wurden beschossen oder haben kein Personal mehr und keine Medikamente und Vorräte. Oder alles zusammen.
Eine schlimme Wahl
Überall in der Stadt sitzen Zehntausende in Häusern, Kellern, Schulen und Geschäften fest, oft gehen Wasser und Lebensmittel aus. Wenn es überhaupt noch offene Geschäfte gibt, lautet die bittere Abwägung: Lieber verhungern? Oder erschossen werden auf der Strasse? Es bilden sich aber auch immer mehr Gruppen auf Whatsapp, in denen Hilfe angeboten wird; jene, die noch etwas zu essen oder zu trinken haben, bieten es anderen an. Man kommuniziert, welcher Laden noch Mehl hat, wo man frisches Wasser findet. Es gibt viel Solidarität. Unter den Sudanesen.
Manche sehen verbittert mit an, wie Ausländer in Sicherheit gebracht werden. Auf Twitter schrieb eine Sudanesin: «An die westlichen Verhandlungsführer: Ihr habt uns in diesen Schlamassel gebracht, und jetzt stürmt ihr herein, um eure Verwandten zu holen (die, auf die es ankommt), und überlasst uns diesen beiden mordenden Psychopathen.»
Vorwürfe an den Westen
Viele Sudanesen werfen den westlichen Nationen vor, die verfeindeten Generäle im Sudan zu lange als Verhandlungspartner akzeptiert zu haben. Die beiden Generäle Hemedti und Burhan zeigten auch am Wochenende keinerlei Ambitionen, den Konflikt zu beenden. Jede Seite beschuldigte die jeweils andere für die andauernden Kämpfe. Es existieren in Khartum und anderen Teilen des Landes weiterhin kaum klare Frontlinien, an denen sich Zivilisten orientieren könnten.
Es gibt «keine offiziell geöffneten Bewegungskorridore in Khartum, obwohl die RSF Bereitschaft signalisiert hat, Evakuierungen zu unterstützen», berichtet die UNO. «Die Zivilbevölkerung evakuiert sich trotz der erheblichen Risiken selbst.» Selbstevakuierung, das bedeutet letztlich, sich in Bussen oder Autokonvois auf den Weg zu machen, etwa 800 Kilometer sind es bis Port Sudan, von dort kann man mit einer Fähre über das Rote Meer nach Ägypten kommen. Es ist eine gefährliche Reise, aber immer mehr Sudanesen wagen sie.
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