Turmspringer Tom DaleyAls Wunderkind gefeiert, von den Mitschülern gemobbt: Nun das grosse Comeback
Mit 14 sprang er sich in die Herzen der Sportfans. Mit 30 holt er sich an seinen fünften Spielen noch Silber – dank einem Wunsch von Sohn Robbie.
Ins Exil nach Los Angeles zog sich Tom Daley zurück, dieser «wonder boy» des britischen Sports. Mit erst 14 Jahren hatte er sich in die Herzen der Briten gesprungen und an den Olympischen Spielen 2008 als zahnspangiger Teenager vor Millionen TV-Zuschauern für Furore gesorgt.
Doch weil dieser Tom Daley quasi unter dem Brennglas der britischen Medien und der Öffentlichkeit gross und erwachsen wurde, war es ihm irgendwann zu viel. Zumal Daley nicht einfach nur ein aussergewöhnlich begabter Sportler ist, sondern auch schwul, mit einem Oscar-Preisträger aus den USA verheiratet – und mittlerweile Vater von zwei Söhnen.
Es war sein Erstgeborener Robbie, der Daley zurück in seinen Sport brachte. Der hatte nach Olympiagold 2021 und vier Teilnahmen an Spielen eigentlich abgeschlossen. Doch bei einem Besuch in einem olympischen Museum sagte der Sohn zu ihm: «Papa, wie schön wäre es, dich einmal an Spielen springen zu sehen.»
Und welcher Vater kann dem Sohn schon einen Wunsch abschlagen? In Rekordzeit und mit neuem Wettkampfpartner kehrte Daley zurück. Erst aber hielt er den Plan für sich, trainierte in einem lokalen Hallenbad, um herauszufinden, wie fit er noch ist. Rasch wurde klar: Daley hatte die Abläufe noch derart gut abgespeichert, dass er und Sprungpartner Noah Williams rasch zu den Weltbesten zählten.
Am Montag nun holte das Duo Silber vom 10-m-Turm – womit Daley bei seinen fünften Spielen nicht nur ein grosses, sondern vor allem auch erfolgreiches Comeback gab. Er tat das in der typischen Tom-Daley-Art. Heisst: mit regenbogenfarbenem Abtrocknungstuch. Daley zählt im Vereinigten Königreich zu den prominentesten Vertretern der LGBTQ+-Gemeinschaft.
Es hat ihm, auch weil er mit seinem Ehemann zwei Kinder via Leihmutterschaft auf die Welt bringen liess, so manchen Hass eingebracht. Lange war der medial so beäugte Daley als Teenager darum unsicher, wann und ob er sich outen sollte. Inzwischen fühlt er sich sicher genug, offensiv mit dem Thema umzugehen – und drehte auch eine Doku über (mangelnde) Schwulenrechte im Commonwealth.
Gerade für Rechte ist Daley darum ein Trigger, wobei er Hass seit Kindheit erdulden muss. Denn das gefeierte Wunderkind wurde an der Schule gemobbt, gar Scheren warfen sie ihm nach. Er begann sich einzuigeln. Sein Talent, das zu einem Schulwechsel führte, rettete ihn.
Denn früh war der junge Daley sportlich aufgefallen – negativ. Er habe geweint und sich geweigert, vom Brett zu springen, erinnert sich sein erster Trainer Andy Banks. «Dieser Bub wird kein Turmspringer», habe er den anderen Coaches gesagt. Dann riss sich Daley zusammen, sprang. Sofort wusste Banks, was für eine Ausnahmeerscheinung er vor sich hatte.
Mit 15 war Daley bereits Weltmeister und weiss exakt um den Moment, als sich sein Vater Robert in die Pressekonferenz schmuggelte, die Hand hob und sagte: «Ich bin Toms Vater und habe eine Frage: Kann ich eine Umarmung haben?» Der Sohn begann peinlich ergriffen zu stottern, aber herzte ihn natürlich.
Schon damals wusste die Familie, dass Robert Daley an einem aggressiven Hirntumor erkrankt war, an dem er zwei Jahre später mit 40 starb. An den Heimspielen sah er den Sohn darum nicht mehr – der Posterboy der London-Games aber lieferte trotz enormem Druck mit Bronze vom 10-m-Turm.
Doch dann war er verloren. Schon als 7-Jähriger hatte er sich vorgenommen, an Olympischen Spielen dabei zu sein, im Idealfall in London. Und als das grosse Ziel erreicht war, fehlten ihm Ziele und Motivation. Hinzu kamen plötzlich Panikattacken und ein Körper, der die Strapazen zu spüren begann.
Mit einem Tempo von 50 km/h schiessen die Athleten vom 10-m-Turm ins Wasser. Hirnerschütterungen, Rippenbrüche oder Lungenquetschungen hat Daley über die Jahre erlitten. Obschon erst 30 Jahre jung, ist er gezeichnet von seinem Sport.
Lange wird die Karriere des Tom Daley darum nicht mehr dauern, aber das grosse Ziel hat er nun erreicht: Die Familie und damit auch Sohn Robbie sassen im Publikum. Der hat den Vater also tatsächlich live an Spielen springen sehen.
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