Ukrainische Geste mit grossen FolgenDie Hand schütteln? Nein, sie kreuzt lieber die Säbel
Olha Charlan verweigerte an der WM 2023 einer Russin den Handschlag – mit Konsequenzen. Nun hat sie ihre fünfte Olympiamedaille gewonnen.
Sie hatte ein starkes Gefecht gezeigt. Doch die Demonstration danach war noch viel stärker: Olha Charlan, die ukrainische Säbelfechterin, hatte an der WM im vergangenen Sommer in Mailand ihrer Gegnerin den Handshake verweigert. Ihre Konkurrentin war die Russin Anna Smirnowa gewesen, erstmals seit Beginn des Angriffskriegs von Russland standen sich Athletinnen dieser Länder gegenüber.
Smirnowa näherte sich Charlan, doch diese streckte ihr nur die Waffe entgegen.
Es war eine symbolträchtige und mutige Geste gewesen – mit gewichtigen Folgen für die damals 32-jährige Ukrainerin. Die vierfache Einzel-Weltmeisterin und vierfache Olympiamedaillengewinnerin hatte sich entschlossen, die WM-Bühne für ein deutliches Zeichen zu nutzen. Dass sie, dass alle ukrainischen Fechterinnen und Fechter nicht einverstanden waren mit dem Entscheid, russische und belarussische Athleten im Weltcup und damit in der Olympiaqualifikation starten zu lassen. Entschieden hatte dies im Frühling 2023 der Weltverband – es war eine Ohrfeige für alle Ukrainer.
Smirnowa antwortete mit einer Beschwerde auf die Verweigerung und einem 45-minütigen Sitzstreik.
Und Charlan? Sie wurde disqualifiziert. So schrieben es die Regeln vor, wenn eine Fechterin auf den Handshake verzichtet. Sie verlor damit wichtige Punkte auf dem Weg nach Paris, enorm viele Punkte, weil die WM im Vergleich zu einem Weltcupturnier mehr gewichtet wird.
Interessant war nur wenige Stunden später die Reaktion des Internationalen Olympischen Komitees (IOK). Es mahnte die Sportverbände im Allgemeinen zu Sensibilität im Umgang mit ukrainischen Athletinnen und Russen, die unter neutraler Flagge an einem Wettkampf antreten. Das IOK versicherte: «Wir stehen solidarisch hinter den ukrainischen Athleten und der olympischen Bewegung der Ukraine.»
Und es liess für Charlan eine Wild Card für die Spiele in Frankreich folgen, falls sie die Qualifikation nicht mehr aus eigener Kraft schaffen würde.
Der persönliche Brief von Thomas Bach
IOK-Präsident Thomas Bach, selber einst Fechter und Team-Olympiasieger 1976, wandte sich sogar in einem persönlichen Brief an die Athletin, die mittlerweile in Italien lebt. Bach schrieb: «Als Fechtkollege kann ich mir nicht vorstellen, wie du dich in diesem Moment fühlst.» Er drückte ihr sein Mitgefühl aus angesichts des Krieges in ihrem Land und des Leids der Menschen in der Ukraine. Es sei bewundernswert, wie sie diese unglaublich schwierige Situation manage. Man mache diese einmalige Ausnahme auch deshalb, weil sie in Mailand viele Punkte verliere.
Der Internationale Fechtverband hob darauf die Disqualifikations- und Handshake-Regel auf.
Und Charlan, die letztlich doch nicht auf die Wild Card angewiesen war, glänzte am Montag wie an vorangegangenen Olympiaturnieren. Im Vorfeld der Spiele hatte sie noch gesagt, die WM-Tage letztes Jahr seien die schlimmsten in ihrem Leben gewesen. «Ich war verzweifelt, ich hatte den heftigsten Weinkrampf meines Lebens.» Sie sei wütend und besorgt gewesen über die Situation. Die Entschlossenheit, für ihr Land zu kämpfen und zu gewinnen, ist ihr jedoch geblieben. Sie hat die Team-Olympiasiegerin von 2008 erneut weit getragen.
Im Gefecht um die Bronzemedaille bezwang sie im wunderbaren Grand Palais die Koreanerin Choi Sebin und gewann damit ihre fünfte Olympiamedaille, die dritte bronzene im Einzel nach 2012 und 2016. Übermannt von den Gefühlen sank Charlan auf die Bahn nieder und küsste diese. Aller Aufwand hat sich gelohnt.
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